Mit Endgame wird ein kleines Kapitel moderner Kinogeschichte beendet. Das sehe sogar ich so, der ich doch nicht der allergrößte Fan von Comic-Superheldenverfilmungen bin. Aber mit den vielen Filmen im Marvel Cinematic Universe wurde doch etwas besonderes geschaffen: Es war eine Riesenleistung, eine Serie so vieler Filme rauszuhauen von denen keiner richtig schlecht ist und sie dann auch noch so zu verknüpfen, dass das Ende die Fans nicht enttäuscht. Zufriedenstellende Enden zu bauen, daran scheiterten so viele populäre Serien, Film- und Computerspielereihen (z.B. How I met your Mother, Batman, Mass Effect), dass Engame schon in dieser Hinsicht eine Wohltat ist
Und ich mag den irgendwo aufgeschnappten Gedanken, dass diese massenkompatiblen Superheldenfilme ein prägendes kulturelle Ereignis sind, die Märchen unserer Zeit. Und dazu passte sowohl Infinity War als auch Endgame.
Abseits der obigen generellen Lobpreisung kann ohne Spoiler zu Endgame nicht viel geschrieben werden. Daher ab jetzt: Vorsicht, Spoiler!
Im Review von Half in the Bag wird der Film in drei Abschnitte unterteilt, die sehe ich genauso. Im ersten Abschnitt werden die Auswirkungen von Thanos überaus irritierenden Sieg im Vorgänger gezeigt. Im zweiten Kapitel wird durch die Rückkehr von Ant-Man eine Lösungsmöglichkeit ausprobiert, das dritte Kapitel ist der serientypisch kolossale Finalkampf.
Der erste Abschnitt ist besonders bemerkenswert, weil er die Besonderheit von Infinity War aufgreift. Endgame ist ja nicht aus eigener Kraft dieser riesige finanzielle Erfolg geworden, sondern profitiert erstmal nur von seiner Position als 1.) Dem Finale einer jahrelang und in vielen soliden bis guten Filmen aufgebauten Serie und 2.) Dem Nachfolger eines Filmes, der auf die richtige Art das Schema der sonstigen Filme des Genres durchbricht und so die Zuschauer überraschte (was ja vor kurzem Star Wars in The Last Jedi ebenfalls probierte, dabei aber komplett scheiterte). Nun die dystopische Konsequenz zu zeigen ist stark und das gilt meiner Meinung nach besonders für den Anfang, der Konfrontation mit Thanos.
Charmant ist der Kniff des zweiten Abschnitts. Durch die Schurkenstory in der Zeitreise werden nicht nur die Helden in einer etwas anderen Rolle als sonst gezeigt, gleichzeitig werden die vorherigen Filme eingebunden. Schauspieler der Vorgänger-Filme bekommen Kurzauftritte, Sets wurden ausgekramt, Seitenhandlungen aufgebaut. Das ist insgesamt eine wunderbare Hommage an die Vorgänger und passt hervorragend in den Finalfilm einer so langen Serie.
Der dritte Abschnitt ist dann eben ein Finalkampf. Es ist schon beeindruckend, wie dieser lange Abschnitt genutzt wird um nochmal alle Helden in Szene zu setzen. Das ist generell das gelungene an Endgame: Gleichzeitig wird auf Vorgängerfilme verwiesen, aber ohne deswegen die eigene Handlung oder hier im dritten Abschnitt den eigenen Finalkampf zu vernachlässigen. Es ist dann aber eben trotzdem ein CGI-Finalkampf, zum einen das Markenzeichen dieser Filme und daher Pflichtprogramm. Handwerklich hervorragend. Andererseits habe ich mich an dieser Art von Fake-Kämpfen in Filmen wirklich sattgesehen und schon beim ersten Film von Captain America damit massive Probleme gehabt. Damals war offensichtlich, wie viele Chancen gewöhnliche Soldaten gehabt hätten dem Captain in den Rücken zu schießen, und immer noch fühlen sich die Kämpfe falsch und ungefährlich an, egal wie viele Effekte da inzwischen draufgepackt wurden, egal ob Thanos dann auch mal einen Abschnitt gewinnt.
Nebenbei: Das Problem mit der Übermächtigkeit von Captain Marvel wurde wie erwartet leider nicht gelöst. Die Autoren fanden keine echte Lösung, sondern sie ist den Großteil des Film angeblich mit anderem Zeug beschäftigt. Sie fungiert anfangs und am Ende jeweils kurz als Deus Ex Machina und darf dafür eine überaus peinliche Frauenpower-Szene im Finalkampf einleiten, in dem ansonsten ihre Kräfte ignoriert werden, ansonsten tritt sie nicht auf.
Das Schicksal der Original-Avenger ist eigentlich nicht überraschend. Gut, im Vorhinein hat man sich schon gefragt wie Marvel das handhaben wird, sie hatten ja gerade erst gezeigt, dass sie für Überraschungen gut sind. Aber eigentlich war es komplett vorhersehbar: Black Widow darf sich relativ früh heroisch opfern, nachdem über so viele Jahre die Chance verpasst wurde Scarlett Johansson richtig einzusetzen (natürlich hätte sie einen eigenen Film haben müssen!), Iron Man macht das gleiche ein bisschen später und entscheidet dabei – passend, da er die Serie begann – den Finalkampf (dass Robert Downey Jr. aufhören würde war im Voraus bekannt), Thor wird in die Komödiensparte versetzt (nachdem seine Rolle im Laufe der Jahre mehr und mehr in diese Richtung geschoben wurde) und Captain America darf sein verpasstes Leben nachholen (und so seine Gesundwerdung finalisieren, die auch mehrere Filme überspannte). Das ist alles so folgerichtig wie möglich, es entspricht genau der Entwicklung der Charaktere. Kann man mögen, kann man zu zu simpel finden. Es passt ein bisschen zu dem Stil-Schnitzer am Ende, den gealterten Captain America auf die Frage, ob er mit seiner Frau glücklich wurde erst "Das behalt ich für mich" sagen zu lassen, über sein Lächeln aber doch alles zu verraten, nur um dann völlig unnötigerweise in einer Kitsch-Sequenz à la Hoffmans Sandmann die beiden tanzend zu zeigen.
Aber solchen Detailkritiken zum Trotz: Wie eingangs geschrieben war Endgame für mich ein gutes Finale der Filmserie. Ein langer Film vollgestopft mit Unmengen an liebevoll eingebauten Verweisen und Details der Vorgänger, mit gut geschlossenen Handlungssträngen und passenden Schicksalen der Hauptcharaktere. Wer mit Marvels Superheldenfilmen etwas anfangen kann muss Endgame sehen.