Einen echten Coup hat der Freitag mit No we can't gelandet - ein Insider aus der Wahlkampfzentrale berichtet brühwarm von der dortigen Inkompetenz und wirft so ein entlarvendes Licht auf den Zustand dieser maroden Partei. Es ist ein Artikel, den man unbedingt gelesen haben sollte (via).
Es gibt gleitende Arbeitszeit im Willy-Brandt-Haus, die beim Rein- und Rausgehen elektronisch erfasst wird, aber es gibt keine Möglichkeit, die unsichtbaren Türen zu öffnen, die überall den Weg versperren, man stößt sich daran, läuft mit Beulen im Kopf herum, die keiner sieht.
Es sind diese emotionalen Beschreibungen, die in diesem Artikel ausnahmsweise die Wirklichkeit beschreiben anstatt sie zu verfälschen. Die SPD ist nicht an einem Gegner gescheitert, sie ist nicht an der Welt gescheitert, die SPD ist an sich selbst gescheitert. Ohne Not hat sie all ihre Ideale verraten, ohne Not hat sie keine Ziele außer der Macht definiert, ohne Not hat sie dem Internet den Krieg erklärt und sich selbst verloren:
Es wird, so scheint mir, der sozialen Gerechtigkeit nicht gerecht, als Markenkern herhalten zu müssen, als strategische Komponente, Verpackungsbotschaft für ein Produkt. So werden Werte zu Werbung: ent-wertet. Tickets to nowhere. Und die Verpackung übernimmt. So wird die Partei zum Produkt, macht sich selbst zur Ware. Das ist pure FDP! „Wer den Beweggrund einer Partei in Warensprache packt, verkauft sie. Meistbietend.“ Das sage ich nicht, denke ich nur.
Faktisch ist der Artikel im Freitag eine Schilderung, woran der Online-Wahlkampf krankte (der Bürokratisierung jedweden Vorgangs, "Kajo will alles sehen") und woran er schließlich scheiterte (der Zustimmung bei den Zensurgesetzen).
Das tolle daran, wenn man so etwas toll nennen wollte, ist die historische Konstante. Betrachtet man die Geschichte der Sozialdemokratie in Deutschland beispielsweise aus einer kommunistischen Perspektive, dann hat diese sich dem Ideal verweigert. Deutschland war der Staat, der als nächstes hätte fallen müssen um eine internationale Weltervolution auszulösen, davon war der Bolschewismus überzeugt - zumindest der Teil, der nicht an den „Sozialismus in einem Land“ glaubten. Doch in Deutschland gab es nie eine erfoglreiche Revolution, der Ebert-Gröner-Pakt ist eines der Beispiele, bei denen die Sozialdemokrate eine solche Entwicklung mit Waffengewalt erstickte. Kooperiert hat sie nie.
Man muss das nicht verwerflich finden, beachtet man die Nähe zum Stalinismus, in die Deutschland dadurch gerückt wäre. Aber es hat durchaus etwas absurdes, wenn fast 100 Jahre später ebendiese Partei daran zugrunde geht, diesmal sich selbst statt ihrer politischen Brüder verraten zu haben.