Dark Side of Action war ein Vortrag auf der republica, der mich auf der einen Seite immer noch bewegt (Jens war scheinbar auch beeindruckt), aber auch sehr irritiert hat. So sehr, dass ich kurz nach dem Beginn des nächsten Vortrags wieder aufstand und Tante aufsuchte, um mit ihm darüber zu reden. Fühlte mich dann aber abgeblockt und unerwünscht, als Stephan dazukam, und bin bald wieder gegangen. Vll wurde mein Einwand als Angriff verstanden, und so war es nicht gemeint. Deshalb nochmal hier.
Darum ging es bei der Session:
Focusing on collective action, however, we tend to neglect what can happen to individual participants who find themselves under enormous pressure to succeed, to perform, and generally save the world… In this session, we want to broach the taboo of depression and failure in a (hack)tivist context, taking a step back from the challenges at hand to look at the effects on people getting involved – as well as those who can’t get involved.. It’s not as scary as it sounds!
Anwen Roberts stellte anfangs einen historisch-künstlerischen Kontext her, was bewegend war aufgrund ihrer eigenen hörbaren Erschütterung. Dann redete Tante mit Stephan Urbach über Stephans Erfahrung mit Depression, um schließlich einen Bogen zu allgemeinen Hinweisen zu schlagen, wie Aktivistengruppen mit sowas umgehen sollen. Und dafür hat Stephan meinen vollen Respekt, es erforderte sicher Mut, sich mit einer solchen Erfahrung vor einer Gruppe zu präsentieren.
Die Hinweise kann man wohl zusammenfassen als "Redet miteinander" und "Belastet einzelne nicht zu sehr". Und der Punkt ist es, der mich irritierte: "Get professional help (a secretary)" war eine der Kernaussagen. Das heißt, man solle die Situation ändern, die Belastung reduzieren, die die Depression ausgelöst hat. Tante meinte nachher, dass sie das so gemacht hatten, um die Barriere zum Hilfe-Holen zu verringen.
So einfach ist das leider nicht.
Depression ist eine faszinierende und grausame Krankheit mit zwei Facetten: Manchmal ist sie ersichtlich die Reaktion auf eine unerträgliche Situation, aber es gibt auch diese unerklärliche jeahrelange chronische Depression, die kaum an etwas festzumachen ist und auch schwer zu bekämpfen. Die Kernpunkte des Vortrages - die belastende Situation - ist keine alleserklärende Ursache für eine Depression, oder besser: man weiß das nicht so genau, aber sie ist ein Risikofaktor. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind daher gut und sinnvoll, aber es ist nicht garantiert, dass sie dem einzelnen helfen und vor einer Depression bewahren. Und noch viel wichtiger: einmal in einer Depression, ist das Ändern der Situation nicht genug. Wahrscheinlich. Völlig abgesehen davon, dass es zum Krankheitsbild gehört, zum Ändern von Dingen nicht die Kraft zu haben, und dieser Ratschlag mit diesem Hintergrundwissen fast höhnisch wirkt.
Deswegen wäre mir wichtig gewesen, dass das die Kernempfehlung für den Betroffenen gewesen wäre: "Get professional help (a doctor)". Mit dem zusammen dann - ob durch Medikamente oder durch Psychotherapie - kann die Situation verändert werden. Und genau deswegen hätte ich es auch gut gefunden, wenn bei dem Vortrag ein Psychologe/Psychiater/Psychotherapeut dabei gewesen wäre und die medizinische Erklärung versucht hätte zu liefern.