Die Lügen der Spielehersteller
Tuesday, 19. March 2013
Spieler sind dumme Kiddies. Zumindest scheinen das einige Spielehersteller zu glauben, wenn man sich so ansieht, mit welcher Leichtigkeit Lügen als Verteidigung benutzt werden. Drei Beispiele:
1. EA: SimCity rechnet in der Cloud
Eigentlich ein schöner Gedanke: Das Spiel vom Spielehersteller statt auf dem eigenen Rechner berechnen lassen und auf dem eigenen PC nur ein Video davon anzeigen. Mit solchen Streaming-Angeboten wurde vor kurzem noch massiv experimentiert, immer verbunden mit Abogebühren. Also richtig nett von EA, bei SimCity jedem Kunden teure Rechenleistung in der Cloud zur Verfügung zu stellen, um so die ungeheuer aufwändige Städtesimulation auf den lächerlich unterdimensionierten Core i7-Gamer-PCs überhaupt spielen zu können...
Dies behauptete Lucy Bradshaw gegenüber Polygon:
With the way that the game works, we offload a significant amount of the calculations to our servers so that the computations are off the local PCs and are moved into the cloud. It wouldn't be possible to make the game offline without a significant amount of engineering work by our team.
Natürlich ist das Quatsch. Rechenleistung in der Cloud ist viel zu teuer, um jedem Einmalkäufer unbegrenzt lange ein Spiel laufen zu lassen. Und die Serverfarmen können sowas auch gar nicht so ohne weiteres - Spiele sind tatsächlich anspruchsvolle Aufgaben, und die typischen Spiele-PCs sind entsprechend leistungsstarke Geräte. Da müsste schon hochoptimierte Soft- und Hardware laufen, um nicht jedem Nutzer praktisch einen kompletten Spieleberechnungsserver zur Seite stellen zu müssen - und auch dann wäre das noch zu teuer.
Nein, das war nur eine Schutzbehauptung, um das wahnwitzige, kundenfeindliche und nicht funktionierende Always-On-DRM zu rechtfertigen. Sonst wäre es nicht möglich, dass das Spiel auch zeitweise ohne Verbindung läuft. Später "enthüllte" ein Insider offiziell, dass die Server nicht notwendig sind. Trotzdem war die Lüge nicht völlig uneffektiv, da kein normaler Kunde die Behauptung prüfen kann - und seither wimmelt es in Diskussionen zum Spiel von Fanboys, die artig den Unsinn wiederholen.
2. Bioware: Menüs dynamisch? Können wir nicht
DLCs sind ein wichtiges Werkzeug im Kampf um das Geld der Spieler. Mit möglichst kleinen Preisen unter der Preisgrenze des Kunden bleiben ist die eine Seite dieser Taktik. Die andere ist eine Anhebung des Verkaufspreises des Spieles: Teile des Spiels werden zurückgehalten und nachher extra verkauft. So kann ein Spiel vermeintlich zum normalen Preis von ~49,99€ angeboten werden, obwohl der reale Preis - mit den DLCs gerechnet - deutlich teurer ist.
Nicht immer stimmt das. Manchmal sind DLCs tatsächlich einfach sehr kleine Addons, die nach Fertigstellung des Spieles entwickelt wurden und einen Teilbereich sinnvoll erweitern. Sicheres Zeichen für die geplante Verarschung der Kunden ist jedoch, wenn das DLC bereits fertig vorbereitet im Hauptspiel ist.
So geschehen bei Mass Effect 3: Das zusätzliche Teammitglied des DLCs From Ashes war bereits vor dem DLC im Hauptspiel enthalten. Die Lüge lieferte dann Michael Gamble mit der Behauptung, dass dies nötig gewesen sei, um im Charakterauswahlbildschirm ihn nach DLC-Installation anzeigen zu können:
We wanted Javik to be a fully featured squad member, with deep dialogue throughout the game – and we needed him to be accessible via the character selection GUI (which you cannot simply ‘overwrite’ with DLC).
Natürlich gelogen - für einen Programmierer ist es total normal, Menüs von einem Layoutmanager dynamisch, je nach Anzahl der Elemente, zeichnen zu lassen. Wieder eine Lüge als Schutzbehauptung, diesmal eine faktisch inkorrekte technische Tatsachenbehauptung, die der dumme Kunde schon glauben wird. Nicht unpassender Höhepunkt eines Spiels, das alle Erwartungen und Versprechungen als Ende einer Trilogie komplett nicht erfüllte.
3. Westwood/EA: So planten wir das zumindest
Command & Conquer - Tiberian Sun ist ein Beispiel, das mich betrifft. Damals kaufte ich das Spiel noch vor den Tests voller Begeisterung und nahezu unbesehen, und las auf der Rückfahrt mit freudiger Erwartung die Packung. Aber so ganz stimmte nicht, was da stand. Was man heute noch findet sind Berichte über die geschönten Screenshots - die hatten Explosionen, mehr Details und mehr Effekte. Aber auch die Beschreibungstexte stimmten nicht (und dazu finde ich inzwischen keine Quellen mehr): Von deformierbaren Terrains und der Bedeutung von Tag/Nacht war da die Rede, aber nichts davon war wirklich im Spiel.
Ich habe erst deutlich später realisiert, dass der Unterschied zwischen dem, was ich erwartete, und dem eigentlich Spiel nicht meinem übermächtigen Vorstellungsvermögen, sondern den falschen Versprechungen zuzuschreiben war. Die Lüge hier war ein Versuch, mit falschen Beschönigungen die Verkaufszahlen anzukurbeln - in einer Zeit, bevor im Internet deswegen die Woge der Empörung laut gewesen wäre. Es war an den Spieletestzeitschriften, ihre Leser rechtzeitig zu warnen - was EA durch eine damals ungewöhnlich späte Herausgabe des Testmusters effektiv verhinderte.
Sicher gibt es genug weitere Beispiele, um mit falschen Versprechungen und eiskalten Lügen von Spieleherstellern einen ganzen Blog zu füllen.
onli blogging am : Schweigen als Taktik
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