Update 09.07.2020: Nach einem erneuten Durchspielen wurde dieses Review überarbeitet und erweitert.
Mittlerweile kann ich mir erklären, was bei der ersten veröffentlichten Erweiterung von Fallout New Vegas schiefgegangen ist. Denn Dead Money mag einige Probleme haben. Aber weiß der Spieler bereits, welche Herausforderungen ihn erwarten (so wie ich nun in meinem dritten Spieldurchlauf), kennt etwas den Aufbau der Spielwelt und hat er einen ausreichend hochleveligen Charakter, dann ist Dead Money durchaus spaßig. Ich kann mir jetzt also gut vorstellen, warum die Entwickler und Spieltester nicht bemerkten, wie schlecht die Erweiterung auf Spieler wirkt, die sie zum ersten Mal erleben.
So ist die Geschichte ziemlich cool. Das abgelegene Sierra Madre Luxushotel wurde durch den Krieg nie eröffnet. Elijah, der früher Ältester bei der Brotherhood of Steel war und unter mysteriösen Umständen verschwand, was ausgiebig im Grundspiel und in Old World Blues vorbereitet wurde, will das Hotel betreten. Denn dort soll sich ein Bunker mit technologischen Wundern der Vorkriegszeit befinden. Dafür zwangsrekrutiert er den Spieler sowie drei weitere Abenteurer. Mittels Sprengstoffhalsbändern zwingt er sie, für ihn den Bunker zu öffnen.
Doch nicht nur ist das ein gutes Setting, sondern es ist auch als Zusatzinhalt nach dem Grundspiel angelegt, der erfahrenen Spielern neues bieten soll. So gilt es Lautsprecher zu vermeiden, die das Halsband zum explodieren bringen könnten. Gegner stehen wieder auf, werden sie nicht ausreichend beschädigt. Hologramme sind gar unbesiegbar, dafür können ihre Emitter zerstört oder sie an Computerterminals deaktiviert werden. Und der Spieler wird seiner Ausrüstung beraubt, er muss sich eine neue zusammenstellen und sich daher geschickt den neuen Gefahren stellen. Noch dazu ist giftiges Gas in die Gegend um das Hotel herum eingedrungen, das einige Wege unpassierbar macht und an anderen Stellen zum Sprinten zwingt, um versteckte Zugänge zu entdecken.
Die drei Begleiter sind auch keine Standardware. Schizophrene Mutanten gab es schon desöfteren, aber nicht so gut ausgearbeitet wie der debile Dog und sein hinterhältiger Gegenpart God. Der frühere Showstar Domino ist nun ein Ghoul und interessant, da er die Vorgeschichte des Hotels mitbekommen hat. Und die stumme Christine, verstümmelt von einem Autodoc-Unfall, bietet Charakteren mit hohen Werten interessante wortlose Gespräche. Allerdings teilen sie sich die Macke mit den Begleitern aus Honest Hearts, dass sie die immergleichen Kommentare dauernd wiederholen - Christine ausgenommen.
Aber das alles ist eben nicht ohne Vorkenntnisse genießbar. Zu frustrierend sind die engen Gassen mit ihren viele Gefahren und starken Gegnern, in denen der Spieler sich unweigerlich verlaufen wird. Wenn nicht klar ist, vor welchen Gegnern man weglaufen muss und wie man sie permanent besiegt, dann in eine Gaswolke rennt oder einem Radiosignal zum Opfer fällte, ohne gute Ausrüstung und ausreichend hohen Werten an den Gegner verzweifelt - dann möchte man Dead Money am liebsten abbrechen (so wie ich es bei meinem ersten Versuch glatt tat).
Und fragt sich dabei: Wie hässlich kann ein Spiel sein, das in diesem Jahrtausend gemacht wurde? New Vegas hatte sowieso schon einen ungünstigen permanenten Gelbfilter, Dead Money macht das mit seinen ausschließlich braunen und grauen Umgebungen noch viel schlimmer. Schon das Grundspiel sah am schlechten in Innenräumen aus, in Dead Money sind aber selbst die Außenbereiche wie Innenbereiche gestaltet, ohne Sonne, Vegetation oder Farben. Es ist wirklich unfassbar, wie misslungen die hier abgelieferte Grafik ist. Dann kommt da noch die furchtbare Soundkulisse hinzu: Fortwährend Spannungsmusik, irgendwelche Stimmen murmeln im Hintergrund, Beklemmung pur - aber nicht der spannenden Art. In der Gegend verteilte Radiomusik wie im Grundspiel, die das auflockert? Fehlanzeige. Zusammen mit den Mikrorucklern, die das Spiel ohne den Patches unter Windows hatte, war das damals beim Herumirren ohne Übertreibung übelkeitserregend.
Aber diese technischen Probleme sind mittlerweile ja ausgeräumt und das Herumirren hat sich mit der Vorerfahrung auch reduziert. So treten jetzt die positiven Seiten etwas mehr in den Vordergrund. Die gut konstruierte Geschichte, die interessanten Begleiter, dass es an sich eine willkommene Herausforderung ist. Und auch die Lösungsmöglichkeiten am Ende sind angenehm. Leider stehen sie im Gegensatz zu dem viel zu engen Korsett, in das der Spieler davor gepresst wird: Keine Nebenquest, keine Wahl. Der Spieler hat keinerlei Initative, sondern kriegt haarklein vorgegeben was zu erledigen ist. Seine Einflussmöglichkeiten beschränken sich auf Kleinigkeiten, wie welches Verhalten er gegenüber den Begleitern an den Tag legt.
Insgesamt ist Dead Money so die schlechteste der vier Storyerweiterungen. Vielleicht besser geschrieben als Honest Hearts, ist es spielerisch zu frustrierend und grafisch zu inakzeptabel, sogar im Kontext eines sowieso nicht hübschen Grundspiels. Wer jeden Aspekt von New Vegas erleben will muss wohl auch diese Erweiterung spielen, aber ansonsten darf man sie getrost auslassen. Lonesome Road ist der viel bessere Zusatzinhalt für hochgelevelte Charaktere.
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