Das nun auf Linux und mit Mesa laufende Adventure hat mir ziemlich gut gefallen.
Life is Strange baut eine sehr starke Atmosphäre auf. Zur Erinnerung: In dem Spiel steuert man in der Third-Person-Ansicht Max. Sie ist eine 18-jährige Studentin, die für ein Stipendium in ihre alte Heimatstadt zurückgekehrt ist. Das hauptsächliche Storyelement ist das zentrale Spielelement: In einer Extremsituation lernt Max gleich zu Anfang des Spiels, dass sie die Zeit zurückdrehen kann. Das Spiel nutzt das für alle möglichen Rätsel, aber auch für Kleinigkeiten. Zum Beispiel kann man ein Gespräch beginnen, darin eine neue Information lernen, daraufhin zurückspulen und die neue Information verwenden.
Hauptsächlich aber trifft man Entscheidungen. Ein Beispiel: Max wird Zeuge, wie ein Schulwächter eine Schülerin heftigst angeht. Sie hat nun zwei Optionen: Schießt sie ein Foto? Das nimmt ihr die Schülerin übel, aber das Foto könnte später nützlich sein. Oder geht sie dazwischen, um der ohnehin leidenden Schülerin den Rücken zu stärken? Dann ist der Schulwächter sauer auf sie.
Die kurzzeitigen Auswirkungen werden direkt gezeigt und Max spricht in ihren Gedanken mit sich selbst und dem Spieler, ist praktisch immer unsicher ob ihrer Entscheidung. Aber was langfristig deswegen passiert, das kann erstmal weder der Spieler noch Max wissen. Verlässt man das momentane Gebiet, dann sind die Entscheidungen fest. Man kann also erstmal ausprobieren, muss sich dann aber doch festlegen. Das macht die Entscheidungen nur noch schwieriger und reizvoller.
Dieses Ausprobieren und das dadurch vom Spieler festlegbare Tempo hilft bei der großartigen Atmosphäre. Gerade in der ersten Episode ist das Spiel voller Melancholie. Die Heimkehr in eine alte Heimat, das Wiederfinden alter Freunde und das Kennenlernen neuer Freunde, das alles in einer Schulatmosphäre und einer uns allen durchs Fernsehen vertrauten amerikanischen Kleinstadt. Zusammen mit der lichtdurchfluteten Grafik, den leicht abstrakten Texturen und der weichen Musik zaubert das Spiel unausweichlich seine eigene Stimmung in das Bewusstsein des Spielers. Sehr deutlich wird das im Intro:
Life is Strange wird dadurch richtig fesselnd. Als Episodenspiel muss das vor der Veröffentlichung der Folgeepisoden grausam gewesen sein.
Vor diesem Hintergrund entfaltet sich dann eine düstere und größere Story. Max rettet Chloe, die sich als eine alte Freundin und dem Storymittelpunkt des Spieles entpuppt. Chloes Freundin Rachel ist verschwunden, schon seit Monaten, ihr Verschwinden aufzuklären wird sehr bald zur Priorität. Gleichzeitig ist die Schule voller sozialem Drama, Life is Strange ist da nicht zimperlich: Selbstmord, Drogen, Sex, Abtreibung - alles wird thematisiert, und das nicht nur abseits der Story. Statt Melancholie wird es gegen Ende mehr eine Horrorstory.
Aber wie alle Geschichten mit Zeitreise ist die Story scheiße, richtig? Ja und Nein. Tatsächlich macht Life is Strange Zeitreisen anfangs vorbildlich. Da sie auf den derzeitigen Standort beschränkt und ihre Auswirkungen das hauptsächliche Spielelement sind gibt es nicht die sonst üblichen Inkonsistenzen. Es ist nicht verwirrend, nicht dumm, der Spieler wird nicht vor den Kopf gestoßen. Und der Rest der Story bleibt der interessante Fokus. Später ändert sich das leider. In späteren Episoden benutzen die Autoren Zeitreisen in größerem Umfang, ab dem Zeitpunkt wird es wirr. Letzten Endes sind eben doch alle Zeitreisegeschichten doof. Außerdem wird später die Geschichte arg düster und das ein ums andere Mal vergreifen sich die Autoren dabei im Ton. Dann ist besonders was Max so von sich gibt nicht mehr nachvollziehbar.
Und ja: Es gibt ein richtiges Ende und es gibt eine finale Entscheidung, die Entscheidungen vorher haben zumindest im kleineren Auswirkungen. Aber im großen ist die Story strikt linear und die Entscheidung am Ende wird dem Spieler durch die Inszenierung nahezu vorgegeben. Life is Strange verliert also später etwas von seiner anfänglichen Klasse.
Der Entwicklerkommentar, der dem Spiel beiliegt, ist nebenbei gesagt nicht gut gemacht. Es sind nur ein paar Videos, die im Hauptmenü ausgewählt werden können, die vorher als mehrere Gigabyte große Dateien heruntergeladen werden müssen. Besser als nichts, das schon, aber kein Vergleich mit der Vielzahl an Interna und Standortkommentaren, die z.B. in Deus Ex: Human Revolution direkt ins Spiel integriert wurden. An solchen Details merkt man, dass das Spiel letzten Endes dann doch keine so tolle Produktion ist.
Aber das soll nicht täuschen: Life ist Strange ist trotz der Kritikpunkte ein gutes Spiel, ein Kleinod. Technisch ist alles einwandfrei, das Spiel läuft mit dem freien Radeon-Treiber unter Linux absolut stabil, ich konnte keine Bugs beobachten. Die Story mag gaga werden, aber man will trotzdem ihre Auflösung wissen, sie kann zudem doch überraschen. Die Figuren werden toll gezeichnet, insbesondere Max und Chloe wachsen einem ans Herz. Spielerisch gibt es am Ende ein paar blöde Schleichpassagen, aber überwiegend ist das Entdecken der Spielwelt, die Zeitmanipulation, das Lösen der Rätsel; sind die Gespräche und die Entscheidungen interessant und spaßig und tragen durch die nicht zu kurze Spielzeit.
onli blogging am : State of Mind
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