Das ist die Huawei Watch 2 Classic:
Da ich sie für die Arbeit da hatte und meine eigentliche Uhr in der Reparatur war habe ich diese Smartwatch nun etwas ausgiebiger getestet. Auf ihr läuft Android Wear 2.0, seit kurzem umgetauft in Wear OS. Das bedeutet vor allem eine relativ große Softwareauswahl und viele alternative Designs der Uhrzeitanzeige.
Die Huawei Watch 2 unterstützt eine Unmenge an Funktionen. GPS, NFC, Pulsmesser, Schrittzähler, sie hat ein Mikrofon eingebaut (zum Telefonieren). Das wichtigste aber für eine Uhr ist das abnehmbare und auswechselbare Armband. Anders als bei der Moto 360 Sport ist da kein festes und unangenehmes Kautschuk-Band drum, sondern ein ganz gewöhnlich aussehendes besseres Uhrenarmband. Das macht die Uhr fast angenehmer zu tragen als meine bevorzugte analoge Uhr, bei der das Armband wohl doch etwas teurer hätte sein dürfen.
Mit der Softwareauswahl kann ich gar nicht so viel anfangen. Ich finde zwei Funktionen gut, und beide dürften auch ohne Appunterstützung in jede Smartwatch eingebaut sein: Das Anzeigen von Benachrichtigungen und der Wecker. Ist die Uhr per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden kann sie dessen Benachrichtigungen anzeigen, sie vibriert dann bei Empfang leicht, man kann sie lesen und auch von dort beantworten. Dabei ist allerdings die kleine Tastatur wenig hilfreich, und sollte es nicht eine Funktion geben, mit dem Finger die Buchstaben der Worte zu malen und so komfortabler zu schreiben? Bei mir taucht diese Option nicht auf. Der Wecker wurde mir von Bernd empfohlen, und es stimmt: Den Wecker am Armgelenk zu haben ist nett und weckt andere anwesende Personen morgens weniger auf, als es ein normaler Wecker tun würde. Allerdings schien mir die Weckfunktion mit der Schlaf-App zu kollidieren, die nachts Dinge wie Wlan und das Display ausschaltet und misst wie lange man schläft. Der klingelte dann nicht, oder ich hatte mich einfach zu schnell daran gewöhnt ihn abzuschalten und weiterzuschlafen.
Was ich nicht gefunden habe ist eine vernünftige App, die Schlafphasen misst und sie berücksichtigend zu einem günstigen Zeitpunkt weckt. Auf der Apple-Seite gibt es das wohl, und es gibt bei Android Krücken, die das mit dem Smartphone im Bett versuchen, was ja wohl kaum richtig funktionieren kann. Aber eine dedizierte App für Wear OS sah ich nicht. Schade, denn das wäre vielleicht noch ganz nett.
Die ganzen Fitnessfunktionen sind nett. Ich habe mich tatsächlich vom Schrittzähler dazu bringen lassen, einen kleinen Spaziergang in meinen Arbeitsweg einzubauen, wenn ich denn nicht sowieso das Fahrrad nehme. Wobei ich schade finde, dass der Schrittzähler die Fahrradfahrt nicht berücksichtigt und entsprechend die Schrittzahl reduziert. Bei der Fahrradfahrt oder beim Joggen kann ich damit den Puls messen, was nicht verkehrt ist. Von all diesem Messen geht ein gewisser Reiz aus. Andererseits weiß ich nicht wirklich, was ich damit dann anfangen soll. Außer der anfänglichen Erkenntnis, dass ich wegen des dabei zu stark steigenden Puls langsamer den Berg hochfahren sollte, ziehe ich aus dem Blick auf die gespeicherten Fitnessdaten nichts. Für mich war das eine nur anfangs interessante Spielerei.
Auf Wear OS habe ich zwei Perspektiven.
Als Nutzer ist es hochgradig verwirrend und schlecht gemacht. Zuerst einmal regiert alles etwas zu langsam, und dabei ist dieses Modell schon so ziemlich das beste auf dem Markt. Dann passiert es immer wieder, dass die Bluetooth-Suche mein Telefon nicht findet - gut, das kann auch am Telefon liegen, ist aber so oder so nervig. Wichtiger: Die Benutzerführung ist sehr irritierend. Per oberen Knopf geht es ins Hauptmenü, alternativ kann nach einem Wisch nach rechts das Aussehen der Uhr gewechselt werden (watchface), ein Wisch nach oben führt in ein Schnellmenü. Dort aber fehlt die wichtigste Funktion: Kontrolle über das Wlan. Seit Wear 2.0 braucht das System nämlich nicht mehr zwingend ein Smartphone zur täglichen Nutzung, die Uhr kann auch selbst ins Internet gehen und komplexere Anwendungen ohne Compagnion-Apps ausführen. Aber dafür wäre es schon verdammt gut, wenn du nicht dauernd im Einstellungsmenü die Wlan-Verbindung an und ausmachen oder auch nur überprüfen müsstest.
Das allerwichtigste aber ist das fehlende Fenstermanagment, und die Zickigkeit beim Laufenlassen der Apps. Was nämlich dauernd geschieht: Du startest eine Anwendung, guckst drauf, nach ein paar Sekunden meint die Uhr sie schließen und zur Zeitanzeige zurückgehen zu müssen. Das alleine ist schon unheimlich nervig. Dann aber kommt da noch dazu, dass es keinen zuverlässig funktionierenden Weg gibt, zu der Anwendung wieder zurückzukommen. Denn es gibt ja kein richtiges Fenstermanagement. Manchmal führt ein Druck auf den Menüknopf oben rechts zurück, aber beileibe nicht immer. Android hätte hier mal wieder so viel von webOS lernen können! Und selbst wenn es zurück geht, ob durch Knopfdruck oder erneutem Aufrufen der Anwendung im Hauptmenü: Nichts hindert die Uhr daran, nach einem sich willkürlich ändernden Zeitintervall die Anwendung wieder zu schließen.
Zusatzmacke: Warum verdammt nochmal hat die Tastatur keinen Doppelpunkt?
Als Entwickler finde ich Wear OS überraschend gut und einfach. Ich bin kein Android-Entwickler und war anfangs noch weniger einer, selbst ein letzter Kontakt mit Java war schon ein paar Jahre her. Aber mit etwas Starthilfe durch einen Kollegen und zusammen mit der relativ guten Dokumentation - die gut ist, wenn sie nicht gerade veraltet ist - kam ich da sehr schnell rein, und konnte die etwas kompliziertere Anwendung, für deren Entwicklung ich die Uhr überhaupt habe, gut und sauber umsetzen. Android ist ein unheimlich ausgefuchstes System geworden. Auch wenn ich sicher nicht alles an seiner API mag, so ist sie doch mächtig und hat für die gängigen Problem gut dokumentierte saubere Lösungen parat. Selbst Android Studio ist gut, auch wenn das integrierte Buildsystem (Gradle) lahm ist. Nur Kotlin war ein Fehlstart, es war vermessen zu glauben direkt damit einsteigen zu können. Dafür war mir Android zu fremd, und zu wenige der Nachschlageorte darauf ausgerichtet.
Das Lob für die Entwicklererfahrung macht dann auch klar, warum trotz der Usability-Problem andere Smartwatches ohne Wear OS schlicht keine Option sind.
Aber insgesamt: Während ich diese Zeilen schreibe habe ich meine analoge Automatikuhr am Handgelenk. Das hat verschiedene Gründe. Vor allem finde ich sie schlicht viel hübscher als die Huawei mit ihrer Plastikoptik (die aber auf den Fotos hier im Artikel nochmal schlechter rüberkommt als in echt). Da gäbe es auch bei den Smartwatches schönere Alternativen, wie die Fossil Q, aber wenn ich mich richtig erinnere fehlten der ein paar Sensoren. Mehr noch als die Fassung wirkt bei der Optik aber auch das Display. Im Vergleich zu einer echten Uhr sind die digital gezeichneten Zeiger einfach unscharf und hässlich, sodass ich bei der Smartwatch tatsächlich die Digitalanzeige bevorzuge, was ich eigentlich grundsätzlich nicht hübsch finde.
Die Batterielaufzeit ist der nächste Grund: Es ist nervig, daran denken zu müssen. Zuhause geht das noch, da integriert sich das in den Alltag, doch auf Reisen extra für die Uhr ein Ladegerät mitzuschleppen ist komplett inakzeptabel. Und zudem bin ich in Hotels schon froh, wenn ich eine freie Steckdose für mein Telefon finde.
Der Hauptgrund aber ist der zu geringe Nutzen. Eine Uhr ist Schmuck, ja, vor allem aber Zeitanzeige. Und beides macht eine echte Uhr einfach besser. Bei den Benachrichtigungen zu vibrieren ist nett, und sie ohne das Telefon aus der Hosentasche holen zu müssen lesen zu können, das könnte mich sogar an die Smartwatch binden... wenn ich denn viele Benachrichtigungen bekommen würde. Aber ich habe ganz bewusst meine Mails nicht auf dem Telefon, und ich chatte nur mit wenigen mir nahen Leuten, sodass bei mir diese Komfortfunktion kaum genutzt wird. Selbst mobiles Internet habe ich auf dem Telefon nicht wirklich zur Verfügung. Damit bin ich wahrscheinlich schlicht nicht die Zielgruppe.
In ein paar Jahren könnte sich das ändern. Wenn die Displays besser werden, der Akku länger hält, und Wear OS seinen Kinderkrankheiten entwächst, dann könnte eine Smartwatch in einem eleganteren Design doch noch was sein. Vielleicht finden sich bis dahin auch noch ein paar Nutzungszwecke. Doch bis es soweit ist bleibe ich lieber bei meiner analogen Uhr.
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