Inzwischen habe ich einige Kilometer mit dem elektrischen Kickroller zurückgelegt. Mein Eindruck ist immer noch ziemlich positiv, aber ich sehe nun auch ein paar Schwachstellen.
Als der Roller ankam war ich etwas irritiert: Die Anweisungen auf der Box passten nicht zur Art, wie die Einzelteile verpackt waren. Ihn aus den Karton zu heben war dadurch gar nicht so einfach, auch die wenigen nötigen Handgriffe beim Zusammenbau eher kompliziert. Vertrauenerweckend war das nicht.
Der M365 ist einmal ausgepackt dann aber doch eine ziemlich gut designte Konstruktion. Das Zusammenklappen ist besonders gut gelöst: Zwei Metallspangen lösen, dann kann der Lenker nach hinten geklappt werden, wo dann ein Teil der Klingel in eine Lasche am Hinterradrahmen geklemmt wird. Das reicht, schon sitzt das fest, und er kann mit einer Hand getragen werden. Allerdings muss man das bei langen Strecken erstmal hinkriegen, der Roller ist doch ziemlich schwer.
Gut so, denn wäre er zu leicht wäre er unsicherer. Das empfinde ich schon derzeit als seinen großen Nachteil: Auf einem Fahrrad lege ich sogar bergab eine Vollbremsung hin und fühle mich dabei fast immer sicher. Auf dem M365 bedeutet eine starke Bremsung immer auch einen Ruck nach vorne, was sich unangenehm stark so anfühlt als würde man gleich mit dem Gesicht auf der Straße landen. Vielleicht wird das bei mir dadurch verstärkt, dass er für mich etwas zu klein ist. In Wirklichkeit bin ich keinmal mit ihm hingefallen und durch sein Gewicht steht man auf ihm doch ziemlich stabil. Und die Bremse ist klasse, effektiv und doch nicht zu hart, es wird geschickt die Bremskraft verteilt. Aber so sicher wie mit einem Fahrrad fühle ich mich nicht, besonders nicht bergab.
Bergauf dagegen ist der Xiaomi-Roller eine Wohltat. Anfangs war ich nicht sicher, ob er die Steigung auf meiner Zielstrecke bewältigen würde; er schafft sie dann problemlos und ist dabei schneller als ich sie normalerweise (schweißvermeidend) mit dem Fahrrad angehe. Wobei dies dann doch der Moment ist, vom Eco-Modus in den regulären umzuschalten und so etwas mehr Leistung zu erhalten.
Der Eco-Modus begrenzt die Maximalgeschwindigkeit und die Beschleunigung. Letzteres ist eigentlich angenehm, denn der Gaskippschalter hat ziemlich wenig Spiel, gerade anfangs beschleunigte der normale Modus zu hart bei leichten Daumenbewegungen. Auf einer ruhigen geraden Strecke ist die geringere Maximalgeschwindigkeit dann aber nervig: Mit dem Fahrrad würde ich da in die Pedalen treten, mit dem Eco-Modus fühlt sich der Roller an solchen Stellen zu langsam an. Die höhere Geschwindigkeit des normalen Modus ist da Gold wert, sie ist näher an meiner Fahrradgeschwindigkeit. Aber wie oben erwähnt: Eine Vollbremsung bei Maximalgeschwindigkeit wirkt nicht erstrebenswert, dafür wird er zu schnell, also fahre ich entsprechend defensiv und oft genug langsamer als technisch möglich wäre.
Gemessen haben wir 23 km/h im normalen Modus, der Eco-Modus müsste bei 18 landen, wobei dann auch die Beschleunigung reduziert ist. Bei der Reichweite sind die in der Anleitung erwähnten 35 Kilometer eher unrealistisch. Aber nach 8 km Wegstrecke ist der Akku noch bei 3 von 4 Strichen, also ist die maximale Reichweite vielleicht doch nicht viel kürzer, 20 Kilometer sind definitiv drin.
Bisher habe ich zwei Konstruktionsfehler entdeckt: Beim Scharnier des Ständers und beim Bremslichtkabel.
Beim Scharnier schabt Metall auf Metall, was natürlich die Lackierung(?) kaputtmacht und unschön aussieht. Dort entwickle sich zudem auch zuviel Spiel, sagen Youtuber, es wird sich mit der Zeit zeigen.
Zweitens wird das Bremslichtkabel ohne Abdeckung im Außenrahmen des Hinterrads zum Rücklicht geleitet, was wohl zu gelegentlichen Kontakten mit dem Reifen führt.
Beide Probleme sind bekannt und es gibt 3D-druckbare Lösungen, die bekommen ihren eigenen Artikel wenn ich sie angebracht habe.
Überrascht hat mich die stark positive Reaktion meiner Mitmenschen. Wirklich viele Leute haben mich auf den Roller angesprochen, verglichen ihn mit ihren Elektrorädern oder waren beeindruckt, wenn ich den Preis verriet. Statt mahnender Worte oder spöttischen Kommentaren wurde mir beispielsweise erzählt, dass die 75-jährige Mutter des Handwerkers sich auch einen elektrischen Kickroller gekauft habe und damit herumdüse, ihrer aber nicht so gut sei wie der hier. Wer wollte durfte testen, und wirklich jeder kam sofort zurecht und empfand die Testfahrt als spaßig. Ich glaube, solche Roller füllen eine echte Lücke und könnten sich hierzulande sehr gut verkaufen, wenn die Politik ihre Blockadehaltung gegen diese Form der doch angeblich generell gewünschten Elektro-Mobilität beendet und die Rechtslage endlich zu ihren Gunsten angepasst wird. Es gibt doch außer der korrupten Autoindustrieförderung überhaupt keinen Grund, warum ein batterieunterstützes 25 km/h schnelles Fahrrad legal sein soll, ein genauso gut mit Lichtern und Bremsen ausgestatteter 23 km/h schneller Kickroller aber nicht.
Nicht nur den anderen, auch mir gefällt der Xiaomi M365 immer noch gut. Es macht Spaß, mit ihm anzukommen ohne ins Schwitzen geraten zu sein – wobei mir das Pedalentreten überraschend stark fehlt, wenn es nicht gerade bergauf geht. Er ist deswegen für das Fahrrad noch weniger ein vollwertiger Ersatz als ich vorher dachte. Zumindest sehe ich das bisher so, möglich natürlich, dass ich mich noch mehr an den Roller gewöhne und später weniger häufig zum Fahrrad greife.
Aber er ist in jedem Fall eine gute zusätzliche Option, besonders da so ein Roller viel einfacher als ein Fahrrad in den Bus oder Zug mitgenommen werden kann und da durch den Motor eine Steigung nicht in schweißtreibende Arbeit ausartet. Für viele Arbeitswege ist er an regenfreien Tagen dadurch ein super Transportmittel, bei längeren eine gute Ergänzung um zum Beispiel von der letzten Bushaltestelle aus zum Ziel zu fahren, bei kürzeren auch alleine eine Alternative zum Fahrrad.
onli blogging am : Die erste Reparatur des Xiaomi M365 war ein Riesenaufwand
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onli blogging am : Koalition will Elektro-Kickroller verbieten. Wehrt euch!
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