Den Tod von Epstein nutzt die Zeit, um gegen Verschwörungstheorien zu wettern. Der Autor Skudlarek vergisst dabei jedoch, dass es manchmal einfach angemessen ist, einen Verdacht zu hegen und eine Missachtung des regulären Ablaufs anzunehmen.
Um das erst einmal klarzumachen: Wer jetzt ohne weitere Fakten brüllt "Der da hat Epstein deswegen ermordet" ist ein Verschwörungsheoretiker, und ein besonders blöder noch dazu. So wie Trump. Und doch: Sich auf die Grundannahme zu stellen, dass da doch höchstwahrscheinlich etwas nicht mit rechten Dingen abgelaufen ist, das ist richtig.
Epstein war nunmal suizidgefährdet und sollte unter Beobachtung stehen. Das schließt mit ein, in einer Zelle zu sein in der Selbstmord sehr schwierig ist, dazu kommen regelmäßige Kontrollgänge, ein halbstündiges in die Zelle schauen. So berichtet auch die Zeit und das verlinkt Skudlarek sogar. Und das passt einfach nicht zusammen mit seinem Tod. Entweder hat da jemand geschlampt, oder jemand hat dafür gesorgt das geschlampt wird, oder jemand hat Epstein direkt umgebracht. Wir wissen es schlichtweg nicht. Aber wir können uns durchaus überlegen, was hier wahrscheinlich ist, wovon wir ausgehen, welchen Informationen wir in dieser Situation vertrauen sollten. Da spielen dann Überlegungen wie "Wer hatte welches Interesse an diesem Geschehen" einfach rein. Das ist auf einer gewissen Ebene vielleicht Spekulation, aber andererseits ist es genau das was jeder immer machen muss um Informationen zu bewerten.
Und das ist berechtigt. Das ist richtig. Es ist überlebensnotwendig. Wir machen es die ganze Zeit: Wenn jemand etwas vielleicht nur deswegen vertritt, um sich selbst zu schützen, ziehen wir seine Aussage erstmal in Zweifel. Und prüfen doppelt. Wenn eine Partei über ihre Regierungsbilanz berichtet orientieren wir uns lieber an Experten, um die tatsächliche Situation einschätzen zu können. Wenn Michael Roth Waffenlieferungen nach Mexiko verteidigt und offensichlich keine Ahnung hat von der politischen Situation in dem Land, dann glauben wir ihm seine Argumente nicht. Das ist dann nicht der kritische Geist eines Verschwörungstheoretikers, sondern einfach nur tatsächlich kritisches Denken. Das ganz normale Abwägen von Informationen.
Und genau so läuft es auch bei Epstein. Fast jedem der sich die Sache anschaut wird klar: Es ist wahrscheinlich, dass einflussreiche Leute an Epsteins Tod Interesse hatten. Das ist die simple Grundlage der dann weitergehenden, absurden Verschwörungstheorien. Aber diese Grundlage ist eben da. Sie nicht wahrzunehmen und zu sagen "Lass das mal die US-Ermittlungsbehörden machen, denen glauben wir dann vorbehaltlos" – das ist genauso eine Verschwörungstheorie. Die völlig unberechtigte Theorie – bar jeder Grundlage, wider dem was wir über die USA wissen – dass man diesem Regime vertrauen könne aufgrund des Wirkens irgendwelcher höheren Mächte. Dass in dieser gescheiterten Demokratie solch eine Situation glaubwürdig aufgeklärt werden würde.
Warum sollte diese Position in irgendeiner Form intelligenter sein als sich einen Schuldigen zu überlegen und sich darauf festzulegen? Es ist es nicht, beides ist bescheuert. Nur dass Skudlarek nicht merkt, dass genauso wie die Verschwörungstheoretiker von Fakten nicht erreicht werden können, das Ausschalten des eigenen Denkens anfällig zum Falschwahrnehmen der Realität macht.
Es gibt in jeder Situation eine Grundannahme eines jeden. Bei mir in dieser: Der wurde ermordet. Das weiß ich natürlich nicht mit irgendeiner Form von Gewissheit, aber gegeben was über den Fall bekannt ist halte ich es für am wahrscheinlichsten. Jetzt werden die Folgeberichte und was die Ermittlungsbehörden verlauten lassen mich entweder von dieser Position abbringen oder nicht. Aber erstmal stehe ich hier.
Und bin damit kein Spinner – sondern Skudlarek und die Zeit ist unberechtigt unkritisch.