Vor drei Monaten habe ich mir ein gebrauchtes LG G3 zugelegt und LineageOS 16.0 installiert. Auslöser war eine längere Überlegung, ob Linuxalternativen auf dem Telefon schon weit genug sind, welche Alternativen es zu Google-Android gibt. Letzten Endes erschien mir ein freies Android ohne Google-Apps als die derzeit beste Option. Ein OS-Update später ist genug Zeit verstrichen für ein Review: Wie bin ich damit bisher gefahren?
Die Hardware: Das G3
Ich bin zwiegespalten, ob meine Wahl die beste war. Das G3 ist ziemlich toll für sein Alter, hat aber auch einige Probleme, teilweise sind das Serienprobleme.
Positives
Es war eines der ersten Telefone mit einer 1440p-Auflösung. Zusammen mit den guten Farben und der Blickwinkelstabilität sieht das Bild gut und ziemlich modern aus. Bei günstigen oder älteren Telefonen ist der Bildschirm oft nicht okay, wirken die Farben matt oder sind Details pixelig.
Gut brauchbar ist auch die Kamera. Ich habe da jetzt einige Entwicklungen mitgemacht, von Telefonen ohne Kamera zu unbrauchbar kleinen Bildern, dann qualitativ schlechten, danach waren sie bei bestimmten Lichtverhältnissen und wenn der Zufallsgenerator wollte akzeptabel, zuletzt beim Wileyfox waren sie meist annehmbar. Aber die vom G3 sind gut. Die Fotografin im Haus hat eine etwas bessere Kamera, mit der sie die Fotos für mein Monitorreview auf pc-kombo gemacht hat. Die Fotos für die Vorstellung in diesem Blog dagegen kamen vom G3. Da ist ein Qualitätsunterschied. Doch sind die Fotos vom G3 für mich deutlich im gut-genug-Bereich. Man beachte die Farben der Katze.
Leistungsmäßig funktioniert alles wie es soll. 1080p-Youtubevideos, kompliziertere Webseiten. Das reguläre Reddit ist auf schwachen Telefonen zum Beispiel unbenutzbar, mit dem G3 ist es immer noch eine aufgeblähte Seite, aber wenn man aus Versehen von der guten i.*- oder old.*-Variante der Seite auf die neue kommt ist das kein großes Problem mehr. Auch bei anderen Apps habe ich keine Verzögerungen bemerkt. Ich habe immer noch nicht mit dem Telefon gespielt, sicher wird ein massiver Unterschied zu aktuellen Modellen bestehen wenn der Prozessor richtig gefordert wird – wie Franz Kommentar zum Benchmark auch zeigt. Aber ich rannte nunmal nicht in eine Situation, in der das Auswirkungen gehabt hätte.
Klarer Pluspunkt ist der Preis. Es wurde oft verkauft und es ist alt. Eine gute Kombination für einen niedrigen Preis. 40€ kostete meines, für den Preis findet es sich auch jetzt gerade bei ebay-kleinanzeigen. Ich glaube, das ist unschlagbar, Alternativen würden mehr kosten.
Negatives
Aber da sind auch Macken, die einen Griff zu anderen Modellen selbst für einen etwas höheren Preis überlegenswert machen.
Erst mal eine Kleinigkeit: Mein G3 hat einen unscharfen roten Punkt im Bildschirm oben links. Ähnlich wie ein Pixelfehler, allerdings mit unscharfem Rand und besser im Bild verschwindend. Das Risiko hat man bei Gebrauchtkäufen eben, es ist zum Glück nicht störend.
Die schwache Batterie wäre das, wenn ich nicht gerade im Quarantänemodus wäre. Im Urlaub beispielsweise. Nun ist es ein großer Pluspunkt des G3, dass die Batterie wechselbar ist. Was nebenbei auch dabei hilft, wenn man das Telefon fallenlässt, die Aufprallenergie kann in den Deckel gehen. Aber es sind doch nochmal Zusatzkosten, die bei einem so alten Telefon unvermeidbar sind und bei einem neueren Modell vielleicht nicht direkt auftreten würden.
Das Fallenlassen kommt wegen der glatten Oberfläche. Das glatte Plastik gibt wenig Halt, mir fiel das G3 gerade anfangs deswegen mehrmals herunter. Das ist schlechtes Design und ich sah keine normalen besseren Deckel zum Nachkaufen, nur einen, der mit einer größeren und dickeren Batterie daherkommt. Würde immerhin zwei Problem auf einmal lösen.
Jetzt aber die echten Probleme. Es finden sich einige Problemberichte und Reparaturanleitungen zu flackernden Bildschirmen. Das Problem traf mein G3 (noch?) nicht, scheint aber generell mit schlechter Kühlung zusammenzuhängen. Und die hatte ich ja bei meinem ersten G3 auch bemerkt und diesmal im Lasttest gemessen. Ich wollte da nachbessern, aber die Schraubendreher stecken beim Zoll, eventuell dazu später mehr.
Der zweite bekannte Seriendefekt betrifft leider auch mein G3: Die Simkarte wird nicht immer erkannt. Man sieht das auch bei den Anzeigen, da nicht wenige G3 deswegen als defekt verkauft werden. Es ist wohl ein Chip, der nicht richtig funktioniert. Die Reparatur (replace, reball or reflow in service shop) übersteigt meine Fähigkeiten bzw. wäre unangemessen teuer. Mehrfach neustarten und nicht ausgehen lassen ist momentan meine Lösung.
Alternativen?
Daher mein Zögern, ob das G3 generell die beste Wahl ist. Mit LineageOS werden interessante Alternativen unterstützt. Mit 17.1 neu hinzugekommen ist das LG G5, das wohl auch ein paar Probleme hat, aber immerhin etwas neuer ist. Das Oppo Find 7 hat ebenfalls einen auswechselbaren Akku und einen guten Bildschirm, war aber ein unterlegener Konkurrent zum G3 und ist in Deutschland selten. Wileyfox Swift und Wingtech Redmi 2 sind zwei andere Optionen auf der Liste, die sehe ich in Deutschland aber gar nicht. Interessanter und durchaus günstig zu finden: Das Samsung Galaxy S5 Neo (die anderen S5 haben bisher nicht das Update auf 17.1 erhalten).
Ansonsten könnten sich auf der Liste noch Telefone mit nicht direkt auswechselbarem Akku verbergen, bei denen ein Akkutausch aber durchaus machbar ist.
Das G3 bleibt eine gute und besonders günstige Option, ich bin mir jetzt aber seiner Schwachstellen mehr bewusst.
Die Software: LineageOS (und F-Droid)
Über die Softwareseite habe ich weniger zu schreiben. Ich bin mit der Lösung fast komplett zufrieden.
LineageOS funktioniert. Es ist toll, dass das G3 das Update auf 17.1 erhalten hat und damit immer noch schnell ist. Ich habe keine Instabilitäten bemerkt, auch Anrufen brachen nicht ab und die Sprachqualität ist gut. Die enthaltene Android-10-Gestensteuerung finde ich immer noch hervorragend. Negativ ist, dass die Standortbestimmung weiterhin nicht funktioniert. Mir ist nicht klar, ob das generall am G3, nur an meinem G3 oder generell nicht ohne weitere Änderungen an LineageOS funktioniert, wie von Nerd78@ erwähnt z.B. per Magisk und microG. Davon abgesehen ist LineageOS eine stabile Basis für die Anwendungen und bedient sich gut.
Die Anwendungen kamen fast alle per F-Droid auf das Gerät. Eine Bankanwendung und den derzeit ungebrauchten Bahnnavigator hatte ich über Aurorastore geladen. Und Firefox Preview aus dem inoffiziellen Mozilla-Repo über Aurora Droid, der da aber leider nicht mehr drin ist. Firefox Beta hat mittlerweile intern die Technik von Firefox Preview, ist aber leider als inkompatibel markiert. Derzeit kein Problem, weil ich die Preview noch habe, aber das ist unschön.
Es ist mein einziger Negativpunkt, denn ansonsten bin ich von der per F-Droid verfügbaren Softwareauswahl ziemlich beeindruckt. Ich werde die Auflistung in einen eigenen Artikel packen, fand aber bisher für fast alles eine gute Alternative.
Fazit: Eine gelungene Aktion
Im Nachhinein betrachtet hat das gut funktioniert. Mit minimalem Geld- und vernünftig geringem Zeitaufwand (wenn man von Blogartikeln wie diesem absieht) konnte ich von einem Android ohne Sicherheitsupdates und samt Googlediensten auf ein freies und aktuelles Android wechseln, ohne die Wegwerfindustrie zu unterstützen. Die Lösung – günstiges Telefon mit wechselbarem Akku plus Custom Rom wie LineageOS – funktioniert gut genug, dass ich sie generell empfehlen kann.
Ich werde wahrscheinlich ab jetzt nicht mehr viel darüber schreiben. Wie Linux auf dem Desktop ist das freie Android bereits Alltag geworden und wird damit zum Nicht-Thema. Das nächste große Lineage-Update ist auch bestimmt weit weg.
Angedacht ist nur noch eine Vorstellung meiner gewählten Android-Anwendungen und falls die Schraubendreher ankommen versuche ich mich vielleicht an der Verbesserung der Kühlung des G3, was ich dann noch hier dokumentieren würde. Vielleicht folgt irgendwann ein Vergleich mit einem anderen Telefon, wenn hier im Haushalt etwas aufschlägt.
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