Der letzte Versuch eine Star-Trek-Serie zu drehen war Enterprise. Es war kein schlechter Versuch, aber es war wohl kein besonders erfolgreicher und endete bereits 2005. Seitdem hat es niemand nochmal versucht. Die jüngsten Serien mit dem Namen im Titel sind da kein Gegenbeispiel. Discovery hat mit Star Trek so gar nichts am Hut, und auch Picard versucht etwas anderes zu sein. Eine Utopie als Grundlage? Eine Crew aus Menschen und Aliens, die zusammen das Weltall erforschen? Interessante Themen für einzelne Episoden? Nichts da: Die Sternenflotte ist korrupt und rassistisch, eine eigentliche Crew gibt es nicht und es gibt keine Episoden, sondern einen in Einzelteile zerbrochenen Film, in dem es nicht ansatzweise um die Weltraumerforschung geht.
Nicht, dass das völlig unspannend wäre. In Picard versucht Jean-Luc eine Androidin zu finden. Die wurden von der Sternenflotte nach einem Angriff eigentlich verboten. Umso verwunderlicher, dass dann doch eine vor seiner Tür steht. Es gibt eine Verbindung zu Data (der ja im letzten Star-Trek-Film Nemesis explodierte) und Picard versucht bald, die Schwester der ersten Androidin zu finden. Dafür aber muss er – krank und längst in Rente – wieder ins Weltall und sein Weingut verlassen (wer mehr über die Handlung erfahren will könnte sich eine Besprechung im Nerdzoom-Podcast mit Mario anhören). Dabei lässt sich gut mitfiebern, ob diesem sympathischen Opa seine Mission gelingt und welche Gefahren er dabei bewältigen muss.
Um überhaupt eine Chance zu haben bekommt er ein paar Begleiter zur Seite gestellt. Sie machen sehr deutlich, wie stark sich die Serie von den Vorlagen distanzieren will. Statt Sternenflottenoffizieren gibt es eine drogensüchtige Frau, die laut Serie Picard von früher kennt (kleine Schwachstelle: dem Zuschauer aber unbekannt ist), einen zwielichtigen Piloten, einen romulanischen Ninja und eine so nervös wie naive Wissenschaftlerin. Und die Androidin gibt es ja auch noch. Um den Unterschied zu früher noch mehr zu verdeutlichen ist keiner von ihnen auch nur im geringsten daran interessiert, unter Picard als Captain zu dienen. Immerhin bietet das einen starken Gegensatz zu den herzlichen Auftritten der Charaktere aus früheren Serien, wie Riker, Deanna Troi und Seven of Nine. Besonders Rikers und Trois Wiedersehen mit Picard ist toll, es ist der stärkste Moment der Serie wenn die Verbindung zwischen ihnen spürbar wird.
Picard ist eine seltsame Serie und ein seltsamer Versuch an Stark Trek. Enterprise machte ganz am Anfang eine Sache toll: Dieses Gefühl zu vermitteln, wie es wäre auf einem Science-Fiction-Raumschiff das Weltall zu erforschen. Picard versucht sich daran nichtmal im Ansatz.
Stattdessen ist es eine Actionserie mit Weltrettungsstory, aber mit einem für Action absolut nicht geeigneten zerbrechlichen 80-jährigen Hauptdarsteller. Die Serie folgt dem modernen Konzept einer episodenlosen zusammenhängenden Story, durchbricht diese aber dann mit dafür ungeeigneten Atempausen für Verweise auf die Originalserien. Diese Verweise sind dann teils auch noch falsch – Seven of Nine bekommt eine unpassende Geschichte für die Zeit nach Voyager angedichtet; zwischen Picard und Data wird eine Liebesgeschichte aufgebaut, obwohl Picard mit Data zu Zeiten von TNG kaum etwas anfangen konnte. Die Handlung spielt im Weltall und tut so als wäre sie Science-Fiction, versteht aber nichtmal grundlegende Weltall-Konzepte, wie was ein Sternensystem und was eine Supernova ist. Star Trek steht im Titel, aber was Star Trek ausmachte wird von der Serie höchstens am Ende gestreift, Konzepte wie die Sternenflotte offen verachtet.
Und doch: Patrick Stewart als Jean-Luc Picard wieder auf dem Bildschirm zu sehen ist toll, vielleicht auch gerade weil er jetzt ein so alter Mann ist. Wie kann man ihm, wie kann man der Serie die Schwächen übelnehmen. Die Gastauftritte, die Verweise auf die Originalserien, sie sind mir hochwillkommene Erinnerungen. Und wie erwähnt, was abgeliefert wird mag mit Star Trek wenig zu tun haben, aber es ist dabei nur selten langweilig. Vor allem ist es nicht eine Perversion wie Discovery, was eine riesige Erleichterung ist.
Es könnte sein, dass in der geplanten zweiten Staffel die Serie besser wird. Die erste Staffel von TNG war ja auch nicht toll. Picard hätte jetzt einen guten Startpunkt, um die Crew eine Crew werden lassen und die Autoren könnten nun das nötige Selbstbewusstsein haben, um die Distanzierung zu den Originalserien weglassen zu können – dass es eine moderne Serie sein will wurde ausreichend betont. Ich bin also immerhin gespannt was die nächste Staffel bringen wird und hoffe, dass sie wirklich erscheint. Das ist ja kein schlechtes Zeichen.