Das 2015 etwas nach dem Release des hervorragenden Films Mad Max: Fury Road veröffentlichte Spiel zu Mad Max ging trotz positiver Tests wohl ziemlich unter, zumindest hörte man schnell nichts mehr davon. Auch kein gutes Zeichen: Der ins Hauptmenü gesetzte Menüpunkt DLC führt zu einer leeren Shopseite, die Online-Funktionen werden abgeschaltet. Also werden es viele nicht gespielt haben, und das ist ein Verlust – denn Mad Max ist richtig gut.
Szenario
Mad Max ist eigentlich eine Filmreihe, bei der bis zu Fury Road Mel Gibson die Hauptrolle spielte. Es ist wieder mal eine postapokalyptische Dystopie und ähnelt daher etwas Fallout, aber es kommt ohne dessen schwarzen Humor aus. Stattdessen ist diese Zukunftsversion viel mehr verstörend, mit zu Monstern verkommenen Menschen, lebensfeindlichen Wüstenlandschaften und aus dem verbliebenen Schrott der Zivilisation zusammengeklaubten Unterschlüpfen – und vor allem Autos. Ganz vielen Autos, mit denen sich die Überlebenden bekriegen und wobei Benzin selten ein Mangel ist. Max ist einer dieser Fahrer und auch er ist eine ziemlich beschädigte Figur, wenn auch etwas weniger auf einem wahnsinnigen Vernichtungstrip als seine üblichen Antagonisten.
Das Spiel jetzt setzt die Handlung in die Nähe des letzten Films, der wiederum keine klare Kontinuität mit den vorherigen Filmen hatte. Es ist immer noch so in etwa die gleiche Welt und die gleiche Figur, aber es gibt selten eindeutigen Verweise auf was vorher passiert. Im Spiel sind ein paar mehr als im Film war, so wird die Donnerkuppel zitiert (Two men enter; one man leaves!). Und es gibt klare Verweise auf den Film, der Bösewicht ist gebaut wie einer der Verbündeten des Film-Bösen.
Die Handlung ist ansonsten simpel: Zu Beginn verliert Max im Kampf gegen Scrotus sein Auto. Doch er trifft auf den buckeligen Mechaniker Chumbucket, der ihm ein neues bauen kann. Allerdings reicht der verbaute V6-Motor Max nicht, er will einen V8. Den könnte er in Gastown gewinnen. Aber dort muss er erstmal hinkommen, eine in der Haupthandlung zu überwindende Mauer und viele Gegner wie Nebenmissionen trennen ihn von der auch im Film erwähnten Stadt.
Viel zu tun in der offene Welt
Das Spiel ist ein Actionspiel mit RPG-Elementen in einer offenen Welt und daher vom Genre in der gleichen Kategorie wie ein Assassin's Creed oder Far Cry. Und als dystopische Version dieser Spiele könnte man es auch treffend beschreiben. Allerdings gibt es ein sehr viel wichtigeres aufrüstbares Auto, dafür weniger reguläre Waffen, und funktioniert das Spielkonzept wirklich gut.
In der Spielwelt sind eine Reihe von Feinden und Orte verteilt, die unterschiedlich viel Aufmerksamkeit und Zeit beanspruchen.
Zuerst fährt natürlich nicht nur der Spieler in der Gegend herum. Sondern auch eine ganze Menge an Feinden, meist die Warboys von Scrotus, die mit ihren Autos direkt den Wagen des Spielers angreifen werden. Wer nicht flieht steckt immer wieder in Autokämpfen, bei denen die Fähigkeiten des Wagens wie die Harpune oder Maxs Schrotflinte zum Einsatz kommen werden.
Zivilisten gibt es auch, sie teilen Informationen oder Schrott, beteiligen sich ansonsten aber nicht an den Kämpfen.
Bei den Orten stolpert man zunächst über die Scarecrows, aus Metall und Leichen zusammengehaltene Feuertürme. Max kann sie mit seiner Harpune niederreißen, was den Gefährdungsfaktor des Sektors etwas senkt und sammelbaren Schrott hinterlässt.
Ähnlich funktionieren die Scharfschützentürme, nur schießen die halt zurück und ist der Lohn nicht Schrott, sondern Munition und von einem Ort weniger beschossen zu werden.
Schrott, Munition und manchmal Erinnerungsstücke der Zivilisation finden sich an den gelb markierten neutralen Orten, bei denen aber auch immer ein paar Banditen sich aufhalten und was aufs Maul wollen.
Das gilt meistens auch für die Aussichtsorte. Bei ihnen gibt es aber noch einen Heißluftballon, mit dem man aufsteigt und so die Umgebung erkunden kann. Das Pendant zum Erklimmen von Türmen in anderen Open-World-Spielen samt Markierung anderer Orte auf der Karte. Einmal erkundet dienen diese Orte dann noch als Schnellreisepunkt und bleiben feindeslos.
Aber es sind die Festungen der Verbündeten, die eher als gute Rückzugsorte dienen. Sie alle sind Teil der Haupthandlung. Da ist zum Beispiel die Mannschaft eines riesiges Schiffs, das mitten in der Wüste auf einem Hügel festsitzt, wobei die Bewohner auf die Rückkehr des Ozeans warten. In diesen Festungen gibt es immer ein paar Nebenmissionen und wer an den anderen Orten die richtigen Kisten findet kann in ihnen Stationen aufbauen. Danach bekommt man bei jedem Besuch der Festung z.B. den Wasserkanister aufgefüllt.
Und natürlich haben auch die Feinde Basen. Die sind oft ebenfalls fantastisch in die kaputte Welt integriert. Es gibt dabei verschiedene Arten von feindlichen Festungen, bei der einen muss beispielsweise der Ölförderturm in die Luft gejagt, bei einer anderen alle Gegner besiegt werden. Diese Orte werden einmal befreit von Alliierten in Besitz genommen und bringen regelmäßige Schrotteinnahmen.
Ein Auto-RPG, ein Survivalgame?
Mit dem Schrott und wenn die Gebiete der Verbündeten ausreichend befriedigt wurden schalten sich immer weitere Upgrade frei, die den eigentlichen Star des Spiels verbessern: Das Magnum Opus getaufte Auto. So wird es schneller, bekommt einen Flammenwerfer, bessere Panzerung und einiges mehr. Manche der Upgrades sind auch ans Bewältigen von Haupt- oder Nebenmissionen gebunden, wie der erwähnte V8-Motor. Tatsächlich machen die Verbesserungen ordentlich was aus, gerade wenn die Autos der Gegner anfangen gepanzert zu werden ist nach etwas investiertem Schrott der Unterschied im Kampf deutlich spürbar.
Und auch Max bekommt Upgrades, die verbessern ihn dann in den Faustkämpfen, die er immer wieder zu erledigen hat wenn er zu Fuß unterwegs ist. Das ist ähnlich wie in den Batmanspielen: Linksklicken zum Angreifen, langer Klick für einen stärkeren langsamen Angriff, wenn ein Gegner angreift muss mit rechter Maustaste gekontert werden. Dazu kommt die Schrotflinte, kurzzeitig verwendbare Nahkampfwaffen und ein paar andere Kampffähigkeiten wie Shims oder später freischaltbare Zusatzfähigkeiten. Außerdem gibt es für Errungenschaften (wie den Zornzustand durch gute Kampfkombinationen in wenigen Sekunden zu erreichen) Punkte, die bei einem Schamanen in weitere Boni umgewandelt werden können.
Max kann nur wenig Munition mit sich rumschleppen. Er heilt sich über das Wasser im Kanister, das nicht gerade viel ist. Und selbst das Benzin im Auto geht mit der Zeit aus. Anfangs wirkt Mad Max daher wie ein Survivalspiel, bei dem knappe Ressourcen sorgsam verwaltet werden sollen. Doch das ändert sich schnell: Überall liegt alles rum was Max braucht, Benzin z.B. gibt es im Überschuss und regeneriert auch noch. Dazu sind die meisten Schamanenupgrades solche, die den Ressourcenmangel entgegenwirken, sodass z.B. mehr Schrott und Wasser gefunden wird. Wenn dann noch ein paar Stationen in den Festungen gebaut wurden ist der Ressourcenmangel komplett vorbei. Immerhin bleibt der Munitionsmangel ein Thema, weil eben nur wenig mitgenommen werden kann, wodurch die Kämpfe interessant bleiben und beim Spielen eben doch etwas rationiert werden muss.
Schnell, hübsch und gutklingend
Positiv überrascht war ich von der Technik des Spiels. Gut, es ist nicht ganz neu, aber das ist mein PC ja auch nicht. Ich hatte absolut stabile 75 FPS, das bei meinem Monitor durch FreeSync gegebene Maximum. So wirken die Fahrten viel besser als wenn es geruckelt hätte. Dabei sieht Mad Max stellenweise toll aus, die diversen Wüstenlandschaften insbesondere. Auch die düstere Umgebung von Gastown ist klasse gemacht und die Autos sind genau so faszinierend gepanzerte coole Schrottkisten wie in den Filmvorbildern. Die in tolle Explosionen aufgehen, wobei auch Feuer und Rauch stark wirken.
Mit gutklingend meine ich besonders die Motoren. Die Musik steht nicht stark im Vordergrund. Und obwohl die Sprecher ausnahmslos gut waren: Es ist der V8-Motor, der genau so klingt wie er klingen soll und generell die Autokämpfe, die eine tolle Soundkulisse schaffen.
Vereinzelte Bugs und die verschwundene Linuxversion
Anders als die Psyche von Mad Max ist das Spiel Mad Max sehr stabil. Ich sah nur vereinzelte Bugs. So blieb in einem Gespräch mit einem Zivilisten der Sound weg, ein anderes endete mit einem schwarzen Bildschirm, nachdem währenddessen ein kleiner Wirbelsturm die Spielfigur in die Höhe riss. Fragwürdiger ist da die Linuxversion. Mad Max wurde eigentlich von Feral portiert und diese Version auch per Steam verteilt. Mittlerweile aber wird sie nicht mehr auf der Steamseite erwähnt und tatsächlich startete sie bei mir nicht (wobei Feral-Portierungen auf meinem System generell seltenst funktionierten), die Windowsversion mit Proton-5.21-GE1 lief dann auch unter Linux einwandfrei.
Die Mischung machts
Ich habe bisher im Grunde nur aufgezählt was im Spiel drin ist und bin dabei noch nicht mal fertig. Es gibt zudem noch Rennen, Stürme, von Zivilisten vergebene Missionen, die Basen haben Verteidigungsmechanismen und Sammelitems gibt es auch noch. Mad Max ist prall gefüllt. Aber das macht ein Spiel noch nicht gut. Andere Open-World-Spiele sind eher abschreckend, wenn es an jeder Ecke etwas anderes zu tun gibt.
Das besondere an Mad Max ist wie gut die Elemente zusammenpassen. Da ist erstmal das Szenario, das vollumfänglich ausgenutzt wird um absurde Charaktere wie Chumbucket mit seiner religiösen Verehrung des Automobils zu platzieren oder auch schillernde Gegenfiguren wie die Kurtisane Hope. Die Hauptmissionen führen in die Festungen, die mit ihren Upgrades und Nebenmissionen Motivation geben die Spielwelt zu erkunden. Das wiederum schafft Bedarf für die Upgrades von Max und dem Magnum Opus, was ebenfalls durch das Erkunden der Spielwelt bedient werden kann. Und dann funktioniert es eben wenn in der Spielwelt einiges los ist, es überall Scarecrows umzustürzen und feindliche Basen zu erobern gibt, ohne dass die Aktivitäten sich zu sehr unterscheiden als dass es verwirren würde. Es hilft auch, dass es mit dem Metallschrott nur eine einzige Sammelressource gibt. Und dass das Spiel auch deutlich macht: Du musst das alles nicht tun, da drüben ist der grüne Punkt der zur nächsten Hauptmission führt. Etwas 40 Stunden habe ich so im Spiel verbracht, was für ein Einzelspieler-Actionspiel sehr ordentlich ist.
Außerdem ist es endlich mal ein gutes Spiel zu einem guten Film. Auch wenn Max im Spiel nicht aussieht wie Max im Film, ist es doch klar die gleiche Welt, bedient sich Film wie Spiel der gleichen Elemente und Atmosphäre und baut dabei das Computerspiel dieses Universum ein bisschen weiter aus als ein Film es könnte. Erhalten bleibt auch der Fokus auf das Auto und auf Autoschlachten, was größtenteils durchaus Spaß macht.
Nur stellenweise wird das etwas zum Manko, wenn später die gegnerischen Wagen ziemlich viel aushalten und man eigentlich keine Lust mehr hat, schon wieder Minuten darein zu investieren sie kaputtzurammen. Dann aber hat man meist auch andere Optionen wie den Flammenwerfer, man muss sich nur überwinden deren Munition auch einzusetzen.
Ein paar der Sammelelemente hätten auch nicht sein müssen. So kann man Convoys vernichten und dadurch Trophäen für das Magnum Opus sammeln, welche die Werte verbessern. Die Kämpfe sind nett, nur dass die Upgrades sich wiederholen und jeder Bonus der gleichen Kategorie so stark ist wie der andere. Die findbaren Zivilisationsartefakte sind okay wenn Max einen Kommentar abgibt, aber sie zu sammeln gibt das Spiel außer einer Prozentanzeige keinen Grund. Und warum man feindliche Wagen kapern und in die eigene Garage stellen sollte bleibt auch unklar, ist der Magnum Opus doch schneller, stärker, besser zu steuern – und wiegt durch die anderen Wagen erstmal von Gegnern ignoriert zu werden das nicht auf.
Aber das sind sind kleine Macken in einem ansonsten tollen Spiel, das mit Story, Grafik, Spielmechaniken und vor allem dem Szenario super ansprechend ist. Wer ein bisschen was übrig hat für diese Art von Open-World-Actionspielen sollte es nicht weiter ignorieren.
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