Endless Space, ein modernes und doch klassisches 4X-Spiel
Monday, 8. March 2021
Auch wenn Endless Space von 2012 und damit aus diesem Jahrtausend ist: Der 4X-Vertreter ähnelt trotz modernen Ansätzen mehr den Klassikern des Genres, wie Master of Orion und Ascendancy, als neueren Varianten wie Stellaris. Das gibt ihm anfangs den gleichen Reiz, aber macht das Endspiel auch ähnlich ermüdend.
Kolonisieren mit Aliens
Doch zuerst beginnt man mit einer Stärke des Spiels, der Rassenauswahl. Es gibt zwar wie üblich mit den Menschen eine wenig aufregende Standardzivilisation, aber die anderen sind interessanter. So spielte ich meine Hauptpartie mit den Amöben, zur Weltraumzivilisation hochentwickelten diplomatisch begabten Einzellern. Ich hätte auch eine Rasse von narzisstischen Klonen oder weltenfressenden Insekten wählen können. Einerseits sind die detailreichen Beschreibungen nach Spielstart weg, selbst Beschreibungstexte gibt es kaum. Andererseits geben sie spielverändernde Modifikatoren und Spielmechaniken vor, wenn zum Beispiel eine Rasse permanent mit allen anderen im Kriegszustand ist und von Planet zu Planet ziehen muss.
Daher bleibt es auch nicht bei dem einen Startplaneten. Die Sternensysteme sind verbunden, in jedem können mehrere Planeten sein, die mit der richtigen Technologie alle kolonisiert werden können. Je nach Planetenklasse werden dann pro Siedler vier Ressourcen produziert (Nahrung, Industrie, Forschung und Dust, die Währung). Gewichtigen Einfluss haben neben der Planetenklasse auch noch die Anomalien; Eine Wasserwerwelt mit einem unglücklich machenden schwerem magnetischen Feld ist gleich weniger attraktiv, der eigentlich komplizierte Lavaplanet kann dagegen ein tolles Ziel abgeben, wenn dort vor Urzeiten ein Relikt der Endless errichtet wurde.
Einzelne Gebäude und Zuordnung der Einheiten zu diesen Gebäuden gibt es nicht, nur eine generelle Spezialisierung pro Planet. Dafür können sternensystemweite Verbesserungen gebaut werden, die teils massiv die Produktion verbessern oder die Verteidigung erhöhen. Alternativ können in jedem System Schiffe gebaut werden, die in einem Schiffsdesigner selbst zusammengestellt werden. Die Elemente dafür muss jedoch erst die Forschung freigeschalten.
Forschen
Jede Rasse hat einen leicht abgewandelten Forschungsbaum. Die meisten Technologien sind gleich. Aber die Starttechnologie ändert sich und es gibt Spezialtechnologien, die der Ausrichtung entsprechen. So haben meine Amöben mit ihrem Schwerpunkt auf Diplomatie passende Technologien, wie durch Kooperationsabkommen einen großen Zufriedenheitsbonus auf allen Systemen zu bekommen.
Der Forschungsbaum ist dabei in vier Kategorien aufgeteilt. Völlige Spezialisierung ist praktisch nicht möglich – der rechte Forschungsbaum schaltet z.B. Ressourcen frei, die bei den oberen Militärtechnologien gebraucht werden. Aber ein Fokus lässt sich schon setzen.
Die durch die freigeschalteten Technologien immer breiter werdenden Möglichkeiten machen Spaß, dann kommen manchmal noch Zufallsereignisse mit Entscheidungen dazu.
Kriege
Die Möglichkeiten werden irgendwann wahrscheinlich in einen Krieg münden. Irgendwann ist jedes freie System besiedelt, die nahen Grenzen verärgern die Nachbarn. Oder – das passierte mir – man schließt eine Allianz, worauf eine andere Alienrasse sich bedroht fühlt und den Krieg erklärt. Dann kommen die Schiffe zum Einsatz.
Die Schiffe können zu relativ kleinen Flotten zusammengefasst werden, wobei immer eine Flotte gegen eine andere kämpft. Klar, hier spielt wieder die Forschung rein, der Technologiefortschritt bestimmt wie groß die Flotte sein kann. Neben Schiffen mit normalen Waffen und Panzerung für den Schiffskampf gibt es auch Belagerungsausrüstung wie Bodentruppen, mit denen die Planeten der Feinde übernommen werden.
Kämpfe zwischen den Flotten werden entweder berechnet oder in einer 3D-Ansicht angezeigt, wobei auch dann der Kampf automatisch abläuft. Es gibt drei kurze Phasen, in denen die Schiffe aufeinander einschießen, für jede Phase kann per Karte eine Strategie ausgewählt werden.
Diese Karten kommen teilweise auch von den Helden, das sind dann Spezialvarianten mit entsprechenden Boni. Jede Zivilisation hat nur wenige Helden. Sie können auf Planeten dienen und steigern dort dann teils massiv die Produktion, oder sie wirken als Flottenkapitän in Schlachten mit. Bei Aktionen sammeln sie Erfahrung, dann kannst du ihnen neue Fähigkeiten geben. Ein nettes Rollenspielelement.
Aber bei den Kämpfe selbst ist der Spieler notgedrungen sehr passiv. Ähnlich wie in Stellaris geht es im Grunde nur darum, genug Schiffe an die richtige Stelle zu packen. Ausgerechnet hier fehlt die Orientierung an die Klassiker, wo doch in Ascendancy noch Schiffe einzeln in Echtzeit gesteuert und in Master of Orion tolle Rundenkämpfe ausgetragen wurden. Immerhin, die Begrenzung auf viele kleine Flotten macht das System etwas taktischer als bei Stellaris, aber ideal ist es nicht.
Spielbarkeits- und Interfaceprobleme
Einschränkungen bei den Kämpfen hin oder her, die Spielelemente greifen wie im Genre üblich gut zusammen. Das Errichten eines erst kleinen, dann langsam größeren Sternenimperium ist supermotivierend, die immer wieder dazukommenden Technologien halten das Spiel lange frisch. Aber irgendwann kippt es, und teils hängt das schlicht an der Bedienung.
Ein großes Imperium zu verwalten artet in Arbeit aus. Gleichzeitig will ich meine Planeten nicht von der KI verwalten lassen, weil ich der keine genauen Bauvorgaben machen kann und viele Planeten mit guten Upgrades zu haben im Grunde das Spielziel ist. Hier könnten moderne Komfortfunktionen helfen, aber dafür ist wohl die Anlehnung an die Genreklassiker zu stark, oder sie sind zu versteckt.
Zwei Probleme potenzieren sich:
Ersten, das Bauen der Sternensystemupgrades läuft via fuzzelig kleinen Icons, die aus einer immer länger werdenden Liste ausgewählt werden. Das ist extrem unkomfortabel, vor allem wenn man es bei einer längeren Partie bei zig Sternensystemen machen muss. Und nicht vergessen: Dazu kommen die Planeten, auf denen auch mehrere Upgrades ausgewählt werden müssen.
Zweitens, Systeme können auch nichts tun und das Spiel warnt dann nicht. Es gibt jede Runde eine Benachrichtigung wenn eine Konstruktion fertig ist, in ihr sieht man wenn keine weitere vorgesehen ist. Verpasst man diese Chance aber, dann muss man selbst in der Sternenkarte auf das System klicken oder in der immerhin vorhandenen Übersicht das inaktive System entdecken. So muss im Grunde regelmäßig die Konstruktion überprüft werden.
Das Interfaceproblem wird noch verschlimmert, weil Systeme ohne bessere Option auch einen Teil ihrer Industrieproduktion in Forschung oder Dust umwandeln können. Sie produzieren dann ein unendliches Upgrade im Konstruktionsslot. So verpasst man aber natürlich die Chance, neu freigeschaltete Upgrades bauen zu lassen wenn die vorherigen fertig sind, das gerade gebaute wird ja nie fertig. So wird jeder entsprechende Forschungserfolg zu einem Anlass, wieder durch die Sternensystem durchgehen zu müssen...
Fazit: Ein klassischer Genrevertreter
Mit den Steuerungsproblemen wird das ansonsten gute Endless Space weit weniger spaßig. Damit ist es aber in bester Gesellschaft, die wenigsten 4X-Spiele schaffen es große Imperien angenehm kontrollierbar zu machen. Fast alle schwächeln daher am Ende, obwohl dann die vielen Handlungsmöglichkeiten erst so richtig zur Geltung kommen. Stellaris hatte das Problem damals erkannt und mit den Zwangs-KI-Gouverneuren gegengesteuert, was aber auch keine tolle Lösung war, vor allem weil die KI in verschiedenen Patchversionen immer wieder versagte. Endless Space lässt die KI-Unterstützung offen, aber eigentlich sind es Interfaceverbesserungen und Komfortfunktionen die ich mir wünschen würde – die unendliche Produktionsumwidmung hätte nicht sein müssen, Sternensysteme mit neuen Upgradeoptionen bräuchten ihre eigene Benachrichtigungsliste, und insgesamt müsste das Interface schlicht größere Bedienelemente haben. Denn auch wenn ein Spiel von 2012 nicht neu ist, ist es doch kein DOS-Klassiker und braucht sich gerade in der Bedienung nicht so geben.
Aber der obere Absatz klingt negativer, als ich das Spiel eigentlich empfand. Die Rassen mit ihren unrerschiedlichen Spielstilen machen einen erneuten Durchgang reizvoll, die Kolonisierungsphase war klasse, insgesamt greifen die Spielmechaniken bis kurz vor Ende wunderbar ineinander. Es hat schon seinen Grund, warum dieses Genre trotz der typischen Macken immer wieder aufgegriffen wird. Gerade dass Endless Space so klassisch angelegt ist sorgt eben auch dafür, dass es zwischendurch ähnlich fasziniert wie die Spiele, die das Genre in den Neunzigern geformt haben. Und dabei hat es ja schon ein paar moderne Elemente und eigene Ideen. Anspielen lohnt sich daher – es ist derzeit sogar kostenlos, wenn man sich auf der Herstellerseite registriert und einen Steam-Account verbindet.