Braves Suchmaschine ist von der geschlossenen in die offene Beta gewandert. Ich war in der geschlossenen Beta und mein Eindruck von Brave Search ist positiv. Du solltest es testen.
Cliqz war eine gute Grundlage
Die Suchmaschine, die Brave jetzt vorgestellt hat, ist keine vollständige Eigenentwicklung. Stattdessen ist sie das Überbleibsel von Cliqz, einer in Deutschland entwickelten Software. Das bedeutet zum einen, dass da viele Entwicklungsjahre drinstecken und viel Geld investiert wurde. Es bedeutet zum anderen, dass die Suchergebnisse erstaunlich gut sind.
Denn das war schon bei Cliqz so, wie ich kurz vor der Abschaltung feststellen durfte. Daher fand ich sie durchaus bedauerlich. Es gibt natürlich Alternativen, aber sie sind alle nicht wirklich gut.
Die große Alternative ist offensichtlich Google. Doch Google als Organisation ist mittlerweile viel zu groß und daher kritisch zu sehen. Gleichzeitig ist die Firma Alphabet/Google so dysfunktional, dass es auf die Qualität der Suchergebnisse durchschlägt. Okay, vielleicht hat es mit den Problemen des Unternehmens nichtmal etwas zu tun und es ist nur der Dauerbeschuss durch SEO, der die Ergebnislisten schwer zu ertragen macht. Aber andererseits ist da eben auch AMP, die Verweigerung Suchwörter dumpf zu suchen anstatt zu interpretieren bzw kompliziertere Suchoperationen ausführen zu dürfen, die wegen des Trackings notwendigen Einwilligungspopups – nein, es liegt auch an Google selbst.
Es gibt dann eine Reihe von Webseiten, die Google in vermeintlich erträglicherer Form wiederverpacken, wie Startpage. Das ändert wenig an den grundlegenden Problemen.
Bekannteste Alternative zu Google ist bisher immer duckduckgo gewesen. Mit dem Fokus auf Datenschutz und positioniert als Kleiner unter den Großen durchaus sympathisch und nach der Cliqz-Abschaltung (und bevor ich drüber stolperte, neben Qwant) auch meine Wahl, ist ddg aber leider immer noch größtenteils ein neuverpacktes Bing. Erstens ist es damit Microsoft, was jetzt zu Google vom Sympathielevel nicht gerade eine große Verbesserung ist. Zweitens sind die Suchergebnisse auch jetzt noch nur gerade so gut genug, dass nicht jede Suche zusätzlich per !g zu Google geleitet werden muss. Sondern nur jede zweite (ich übertreibe etwas). Besonders bei lokalen Suchen nimmt die Ente ihren Namen zu ernst und ist eine lahme.
Andere echt-unabhängige Suchmaschinen wie mojeek konnten mich bisher auch nicht überzeugen. Die Suchergebnisse funktionierten bei meinen damaligen Tests zu oft einfach gar nicht.
Mit Cliqz hatte ich dieses Problem nicht und auch Brave in der Beta funktionierte gut. Schau dir doch mit mir ein paar Suchergebnisse an:
Praxisbeispiele
Ich suchte eben für diesen Artikel nach Startpage. Ich fand Startpage:
Ubuntu findet was es soll, die Linuxdistribution, dann die Erklärung der Philosophie auf Wikipedia, dazu News und Hintergrundinfoseiten wie distrowatch.
Die Suche nach pc-kombo findet sogar pc-kombo (so furchtbar klein kann der Index also nicht sein):
Etwas praxisnäheres vielleicht als nächstes. Auch bei mir sind Suchmaschinen oft Fragenbeantworter, beim Programmieren besonders, Googles Ansatz als Antwortversorger ist da ja gar nicht verkehrt. Wenn ich vergessen hätte wie ich in Bash ein Array erstelle, wären aber auch bei Brave die gefundenen Antworten hilfreich. Google findet bei den Top-Ergebnisse ähnliche Seiten, in anderer Reihenfolge:
Bei den lokalen Suchergebnissen findet "Bonn Bügeramt" als Beispiel eine hilfreiche Stadtverwaltungsseite (auch wenn das Umlenken auf Buergeramt sehr seltsam ist):
Dass onli-blogging nicht zu diesem Blog führt kränkt allerdings meinen Stolz. Die präsentierten Ergebnisse sind allesamt Müll:
Aber da zu scheitern dürfte die wenigsten Benutzer betreffen.
Sind das alles Ergebnisse aus Braves eigenem Index? Mir ist das derzeit etwas unklar. Grundsätzlich gibt es wohl (im Brave-Browser?) die Funktion, automatisch Googles Suchergebnisse mit in der Ergebnisliste anzeigen zu lassen wenn Braves Index ungenügend ist. Und manche der Funktionen auf der Seite seien nur API-Aufrufe. Anderseits ist die Prozentzahl bei der Suchunabhängigkeit in der Seitenleiste bei 88% (global: 87%), wenn das nicht gelogen ist stemmt der eigene Index den Großteil der Arbeit.
Nun könnten man diese Prozentzahl leicht erreichen, wenn nur die Treffer auf der ersten Seite von Google übernommen würden und nur die generell ignorierten Folgeseiten aus dem eigenen Index kommen. Ich kann eine solche Trickserei nicht völlig ausschließen. Man kann versuchen mit Google zu vergleichen, aber da Google personalisiert sagen selbst dann Abweichungen im eigenen Browser erstmal nicht viel. Bei mir sehe ich in der Seitenleiste keine Funktion zum Aktivieren bzw. Deaktivieren einer solchen Funktion, vielleicht beschränkt sie sich also wirklich auf den Brave-Browser. Und dass schon Cliqz gute Ergebnisse geliefert hat macht die von Brave glaubwürdiger.
So oder so: Immerhin formuliert die Erklärungsseite klar das Ziel der Unabhängigkeit von anderen Anbietern. Das ist etwas, was ich z.B. bei duckduckgo vermisse – da schien es anfangs ein Ziel zu sein, wird mittlerweile aber nicht mehr für mich wahrnehmbar angestrebt.
Brave ist keine völlig verkehrte Organisation
Doch während ich hier eine gut funktionierende unabhängige Suchmaschine sehe, ist für andere Herkunft und derzeitige Heimatorganisation problematisch. Superexemplarisch bei den Kommentaren zum Artikel von Linuxnews zu sehen, wo erst Brave als nicht vertrauenswürdig eingeschätzt und kurz darauf gegen Burda geschossen wird, was der Hauptinvestor von Cliqz war.
Nun ist Burda schon als Leistungsschutzverfechter und Zensurfilterbefürworter wirklich keine sympathische Firma. Aber schon am Produkt Cliqz hinterließ das keine sichtbaren Spuren. Außerdem ist die Suchmaschine an Brave verkauft worden, von einer tieferen Beziehung habe ich nichts gelesen. Die wären demnach raus und die Technik kann erstmal nichts dafür, wo sie herkommt.
Bei Brave selbst würde ich dafür werben, der Firma eine Chance zu geben und sie nicht überkritisch zu bewerten. Denn ich glaube, viel von der Kritik kommt eigentlich aus einer Ecke, mit der ein vernünftiger Mensch nichts zu tun haben will. So entzündete sie sich meine Wahrnehmung nach hauptsächlich am integrierten Werbefilter. Als ob das Internet heutzutage ohne noch zu ertragen wäre, als ob auch nur eine Person mit minimalem technischen Wissen keinen nachinstallieren würde. Die Kritik dran kommt von Werbefirmen mit ihren Profilen und Trackern, denen schulden wir keine Sympathie.
Dass der Brave-Browser Werbung (mittlerweile indirekt) mit eigener ersetzt und dafür Crytogeld (BAT) ausschüttet, was dann an Nutzer und potentiell an Seitenbetreiber gehen kann, wird natürlich auch aus dieser Ecke kritisiert. Ich bin da zwar auch im ersten Moment skeptisch, weil es viel Macht an einer Stelle bündelt. Aber außerhalb eines Monopols könnte es schon ein guter Kompromiss sein, wenn so trackende und unzulässig aufmerksamkeitsheischende Werbung durch datenschutzrespektierende und weniger nervige Benachrichtigungen ersetzt wird. Ich schüttel mich wegen den dahintersitzenden Crypto-Coins, aber wenn hier Crypto als Anwendungsfall halbwegs passt, das System funktioniert und Seitenbetreiber die in echtes Geld umwandeln können (und das klappt wohl) ist es eigentlich kein Beinbruch.
Es ist kein Beinbruch, aber er passt zu einem diffusen negativen Bild. So wie Chromium statt Firefox als Grundlage zu nehmen, das ist mir unsympathisch. Dass Brandon Eich Geld an homophobe Organisationen spenden musste geht mir gewaltig gegen den Strich. Das negative Bild von Cryptotokens mit all den Scams und Energieverschwendung anderer Varianten, mit Chromium die nicht perfekte Browserwahl, eine verwerfliche, aber doch private und nicht direkt relevante politische Überzeugung – all das beeinflusst das Bild, aber es sollte es nicht beherrschen. Sie sind für sich betrachtet alle verteidigbar: Chromium als pragmatisch, Cryptocoins als hier ausnahmsweise praktische Lösung, Eichs politische Sicht als Privatmeinung, wobei vor allem ein einzelner Mann nicht eine Organisation definieren muss.
Wer will könnte sich von diesem negativen Eindruck befreien. Es gibt genug Platz daneben, um die positiven Werte der Brave-Organisation wie Datenschutz und Unabhängkeit von den Technologiekonzernen sowie den scheinbar existierenden Erfolg der Bemühungen wertzuschätzen.
Ich sehe insgesamt nicht, was so schlecht und dominierend an Brave als Organisation ist, dass sie unmöglich eine technisch gute und ethisch vertretbare Suchmaschine betreiben könnte. Zumindest wäre sie ein positiveres Gegengewicht zu Google und Microsoft. Egal, ob die Seite werbefinanziert bleibt oder ob es wirklich eine Bezahloption geben wird.
Brave Search hat eine Chance verdient
Alles in allem: Teste doch bitte die Suchmaschine. Setz sie als Standard im Browser, idealerweise Firefox, und prüfe für dich ob sie taugt. Ein Gegengewicht zu Google zu haben wäre wichtig, die Alternativen die wir bisher hatten sind noch nicht gut genug.
Es ist zwar ziemlich schwer die Qualität von Suchergebnissen objektiv zu bewerten. Aber zumindest mein Eindruck bisher war positiv, der Rückgriff auf Google erschien mir selten nötig. Wenn das auf Dauer so bleibt wäre das großartig.
Dirks Logbuch am : Web-Suchmaschinen
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