Der DT 770 PRO wird von beyerdynamic als professioneller Kopfhörer vermarktet. Mit einer geschlossene Bauform hat er etwas passive Isolierung, ist "Made in Germany" und für die Reparierbarkeit gibt es im scheinbaren Kontrast zum fest angebrachten Kabel viele verfügbare Ersatzteile, was gut zu seiner extrem stabil wirkenden Konstruktion passt. Im Vergleich mit dem ATH-M50x kommt er gut weg.
Ich hatte mich schon auf den M50x eingeschossen und dann später bemerkt, dass ich die beiden ja völlig legitim vergleichen könnte. Was mir auch deswegen gefiel, weil die Entscheidung zwischen den beiden von Anfang an sehr uneindeutig war, beide wirkten wie sehr gute Optionen in meiner Auswahl. Da ich von mehreren Seiten die Einschätzung hörte, dass der DT die bessere Wahl sei, wollte ich dem nun doch eine Chance im Test auf meinem Kopf geben.
Wenn das eingebaute Kabel ein nicht so wichtiger Faktor ist wie ich ursprünglich dachte, ist der Kopfhörer wirklich der bessere? Eine eindeutige Einschätzung kann ich nicht liefern, dafür sind beide zu gut. Aber ich habe jetzt ein paar mehr eigene Erfahrungen.
Aussehen und Konstruktion
Der DT 770 PRO macht einen sehr stabilen und hochklassigen Eindruck. Der Kopfbügel besteht ersichtlich aus Metall, das unten zu den Plastikohrschalen führt, und oben mit einem aufknöpfbaren Polsterband ummantelt ist. Zusammen mit dessen sichtbaren silbermetallenen Knöpfen und dem lose zu den Ohrschalen geführten Verbindungskabel schreit das Gerät "industrielles Produktdesign", was keine schlechte Sache sein muss.
Aber gerade das Metall des Rahmens mit seinen nichtmal stark abgerundeten Kanten sieht nicht gerade komfortabel aus. Zum Glück wirken da die mit grauem Velour sehr weich gepolsterten Ohrmuscheln gegen. Denn mit denen will man den DT 770 PRO doch direkt aufsetzen, und schon im ersten Moment fühlen sich die Ohrmuscheln auch so angenehm an wie sie aussehen. Auch bei etwas längerem Gebrauch wird das Material nicht unangenehm. Ich weiß nicht, wie es bei 40° im Schatten wäre – der Sommer derzeit verdient hier kaum den Namen. Aber bisher schwitzen die Ohren unter den Polstern viel weniger als man vielleicht glaubt, nämlich praktisch gar nicht.
Allerdings sind diese sehr großen Ohrenschalen auch für mich sehr ungewohnt gewesen. Und der Druck, den sie verteilen, ist nicht unbedingt gering. Es ist kein direktes festes Pressen, aber zumindest jetzt in der Anfangsphase durchaus spürbar. So sitzt der Kopfhörer zwar gut, aber ganz aus der Wahrnehmung verschwand er mir bisher nicht. Dass ich direkt am ersten Testtag fürchterliche Kopfschmerzen bekommen habe könnte damit zusammenhängen, kann aber natürlich auch Zufall gewesen sein. Immerhin wiederholte sich das nicht.
Das Kabel ist fest eingebaut. Welches Kabel es ist hängt von der Version ab. Bei der mit 250 Ohm – die mit meinem Sharkoon DAC Pro S V2 übrigens problemlos und weit ohne ans Limit zu gehen funktioniert – ist es ein Spiralkabel. Da wusste ich vom M50x, dass es für meinen Arbeitsplatz eine gute Lösung ist. Das 1,60m lange gerade Kabel der 32-Ohm-Version hätte auch funktioniert, aber das 3m-Kabel der 80-Ohm-Version wäre hier unpraktisch.
Tatsächlich gab es mit dem Kabel keine echten Probleme, wobei ich wegen des Kabelanschluss an der linken Seite langfristig den DAC auf die andere Seite das Schreibtischs kleben müsste.
Klang und Isolation
Mit seiner geschlossenen Bauform isoliert der DT 770 Pro doch einiges vom Umgebungslärm weg oder macht ihn zumindest weniger störend laut. Ohne Musik sind normale Umgebungsgeräusche immer noch gedämpft da. Sobald Musik in normaler Lautstärke läuft ist von der Umgebung wenig mitzukriegen. Klingel wie Anruf hätte ich verpasst, hätte die Büronachbarin nicht extra drauf hingewiesen, was ich auch nur gerade so mitbekam.
Den Klang empfand ich wieder als sehr gut. Was ich auch abspielte, es passte. Weder war der Bass überbetont, noch fehlten mir Höhen, noch wirkte er dumpf. Der Bass ist auch nicht schwachbrüstig – bei entsprechenden Liedern. Die kurz nach Beginn einsetzende Trommel bei Effect and Cause der White Stripes hat mich beispielsweise fast geschockt. Das abseits von Musik Sprecher in Videos problemlos zu verstehen sind ist auch klar.
Ich werde unten mehr im direkten Vergleich zum M50x sagen. Im Vergleich zum Logitech UE 6000 gilt aber, was schon beim M50x galt: Der Klang ist näher bei dessen aktiven als bei seinem dumpferen passiven Modus, aber ohne seinen überbetonten Tiefen zu reproduzieren, die mir z.B. beim Album Tempel von Colour Haze unangenehm wurden.
Was anderes als sehr guten Klang hatte ich bei all seinen positiven Kritiken aber auch nicht erwartet.
Andererseits überträgt das Kabel bei Berührung mehr Geräusche als ich erwartet hatte. Das ist nicht perfekt, kannte ich so nicht, und gerade deswegen erwähnenswert, weil das Kabel ja nicht auswechselbar ist. Der dadurch entstehende Lärm ist nicht unangenehm laut, aber wahrnehmbar. Zum Joggen wäre er ungeeignet, wenn dabei das Kabel über die Kleidung reiben würde.
Die Hauptunterschiede zum M50x
Wenn man den DT 770 PRO neben den M50x hält wirkt der letztere mehr wie ein Spielzeug. Dessen Plastikkonstruktion wirkte von Anfang an nicht sehr beeindruckend, der Klappmechanismus mehr wie eine moderne Spielerei. Und von moderner Spielerei hat der Konkurrent von beyerdynamic so gar nichts. Wie man das findet muss man selber sehen. Ich könnte verstehen, wenn das industrielle des DT 770 Pro etwas abschreckend wirkt. Andererseits wirkt es nunmal auch stabil, und wenn man dann weiß, dass Ersatzteile verfügbar sind, macht es den Kopfhörer und seine funktionale Konstruktion sehr sympathisch.
Andererseits schaut man sich dann das Kabel an, wo die Funktionalität eines wechselbaren Kabels klar dem M50x zugute kommt. Das zwar proprietär sein mag, aber dafür liegen dem Gerät gleich drei bei und damit alle Längen die man brauchen könnte, außerdem gibt es nicht zu teure Adapter. Und obwohl beide meine Vergleichskopfhörer ein Spiralkabel benutzen, ist Klangübertragung bei Reibung beim M50x kein Thema. Das muss an der Art des Kabels oder der Verbindung im Kopfhörer liegen. Und schon schaue ich etwas weniger wohlwollend auf das Gerät aus Deutschland.
Der große Unterschied sind die Ohrschalen und die Polsterung. Die vom DT 770 PRO sind sehr weich und angenehm gepolstert. Aber die Schalen sind auch sehr groß, was ungewohnt ist. Zumindest ohne ausreichend lange Gewöhnungsphase ist das zusammen mit dem höheren Druck vielleicht sogar etwas unangenehm.
Die vom M50x sind erstmal das Gegenteil: Nicht sehr weich gepolstert und eher klein. Beides zusammen macht sie im ersten Moment deutlich unbequemer. Aber an die kleinere Form bin ich eher gewohnt, dem kann ich durchaus etwas abgewinnen. Und ich hatte bei ihm – in der allerdings kurzen Zeit – weniger den Eindruck, dass beim längeren Tragen er wegen des Drucks auf den Kopf jetzt abgesetzt gehört.
Jedoch: Der DT 770 PRO gewinnt wohl den Kampf, wenn es um Komfort geht. Zumindest ist er eher den Versuch wert, ob die großen Ohrschalen als angenehm oder unangenehm empfunden werden. Insgesamt sind aber beide so gebaut, dass ich sie als unangenehmer als meinen bisherigen Logitech-Kopfhörer empfinde. Das könnte sich mit der Zeit natürlich ändern. Aber es könnte auch schlicht damit zu tun haben, dass diese beiden Kopfhörer mit Studioansprüchen da andere Prioritäten als das leichte Plastik-Consumer-Gerät mit dem Memoryschaum-Ohrpolstern haben. Egal woran es liegt, beim Komfort dürfte es stärkere Alternativen geben.
Isolieren tun beide ähnlich gut, aber der DT 770 PRO reduziert den Außenlärm etwas mehr als es der M50x schafft. Sobald Musik abgespielt wird sollten sie sich nichts nehmen, höchstens vielleicht in einem extrem lauten Großraumbüro, im Flugzeug oder im Bus. Aber in solchen Szenarien ist ein Kopfhörer mit aktiver Lärmfilterung sowieso die bessere Wahl.
Klangvergleich
Ich sollte hier noch den Klang vergleichen, finde den Vergleich aber unheimlich schwer. Es ist bei Kopfhörern sowieso schon schwierig etwas sinnvolles zu sagen, wenn nicht wie bei manchen sehr günstigen Modellen klare Macken wie ein Verzerren auftreten. Dann verhalten sich die beiden hier auch noch sehr unterschiedlich bei der Lautstärke, was sicher an der jeweiligen Nennimpedanz liegt. Mit dem Sharkoon-DAC als Treiber muss ich beim DT 770 PRO ordentlich aufdrehen, da steht der Regler schonmal bei 30% oder höher, wobei ab 20% jede Erhöhung nur noch mehr Details freizuschalten scheint anstatt simpel die Lautstärke zu erhöhen. Beim M50x stellt sich dagegen die Frage, ob 7% oder 11% die Standardlautstärke sein sollte, und die Details regelt der Softwareregler der jeweiligen Anwendung. Ein wahrscheinliches Detail des DACs: Der M50x hat mit ihm ein minimales Grundrauschen, das bei absoluter Stille wahrzunehmen ist. Der DT 770 Pro hat das nicht. Ich sehe das nicht als Faktor.
Aber das lauter besser klingt ist einer, wenn man das nicht geeicht bekommt bringt ein Hörvergleich objektiv wenig.
Nach der Vorwarnung, ich habe es trotzdem versucht. Ich hatte beim ersten Anhören beim M50x den Eindruck, dass der Klang sehr klar ist. Und das trägt sich hier weiter. Wieder ist Tempel von Colour Haze mein Vergleichspunkt, weil es das Album aller Alben ist, das ich am besten kenne. Wenn ich die beiden vergleiche meine ich auch wieder, mit dem M50x sehr viele Details wahrzunehmen. Das Album webt einen ziemlichen Klangteppich, den der M50x sehr gut rüberbringt. Es klingt immer noch so, wie ich es von meinen alten Kopfhörern gewohnt bin, nur dass ein paar Details mehr da sind, und dieses Hallen der Instrumente in seinen Extremen weniger verzerrt. Der M50x klingt hier einfach von Anfang an klasse.
Beim DT 770 PRO hatte ich da etwas mehr Mühen. Wobei der DT aber keinesfalls schlecht klingt, auch er bringt all die in diesem Album verpackten Details sehr deutlich rüber. Aber bei ihm muss ich die Lautstärke etwas mehr aufdrehen als es mir gleichwertig erscheint, bis der Klang da genauso brilliert und der Hall richtig ist, wobei der Bass dann etwas betonter ist. Als ob die großen Ohrenschalen erstmal gefüllt werden müssen. Sind sie das, dann klingt dieses großartige Album in seiner Variante sehr angenehm. Und ich meine angenehm, denn ich weiß nicht, ob es weicher wirklich trifft - zumindest ist inexakt damit nicht gemeint. Druckvoller? Egal wie man es beschreibt, subjektiv klingt auch er sehr gut.
Was passt, denn beides sollen gelungene neutral abgestimmte Kopfhörer sein. Riesenunterschiede bei Bass und Höhen wären sehr überraschend, für von mir wahrnehmbare Probleme beim Auftrennen vom Klängen sind sie zu gut, und um riesige Unterschiede bei der gehörten Größe der Bühne zu haben eignet sich die geschlossene Bauform wohl wenig. Klar, wenn man es drauf anlegt ist da schon ein deutlicher Unterschied, die Positionierung beim DT 770 PRO geht weiter vom Zentrum weg.
Doch insgesamt: Würde ich einen der beiden wegen seines Klangs klar vorziehen? Nein. Während die Zweittesterin eine klare Vorliebe für den M50x hat, schwanke ich sogar bei der Entscheidung welcher mir auch nur ein bisschen besser gefällt. Anfangs hatte ich auch eine Tendenz zum M50x, wegen seiner Klarheit. Gerade denke ich, dass der DT doch sehr angenehm ist. Hilfreich ist das nicht.
Fazit
Den DT 770 PRO doch noch anzugucken sollte mir eine klare Entscheidung verschaffen. Das Ziel erscheint mir jetzt nur noch schwerer erreichbar. Denn der Kopfhörer klingt wirklich gut, seine Konstruktion scheint mir super stabil, das Kopfpolster einfach aufknöpfbar und damit auswechselbar zu machen ist genial. Die weichen Ohrpolster verschaffen dann den nötigen Komfort. Andererseits bin ich unsicher, ob diese weichen Ohrpolster nicht mit etwas zu viel Druck auf meinen Kopf gepresst werden. Davon merkt man anfänglich nichts, aber in den ersten Tagen wurde ihn zu tragen mir schnell plötzlich unangenehm. Es brauchte zumindest etwas Gewöhnung. Diesen Effekt hatte der M50x auch anfangs nicht, dafür sind seine Polster generell unbequemer und er bleibt daher auf dem Kopf präsenter, was ein Nachteil ist.
Das nicht wechselbare Kabel des DT 770 PRO stört mich schon, dass es Berührungen mehr transportiert als der M50x hilft da nicht. Andererseits ist letzteres in der Praxis nicht störend gewesen, selbst beim Tippen dieses Artikels (wobei die Hand manchmal das Kabel streift) mit Musik im Hintergrund.
Wenn auch keine einfache Entscheidung, so brachte der Test doch eine Erkenntnis: Der Vergleich macht deutlich, dass ich mit den begrenzten Komfort der Ohrpolster des M50x nicht eingebildet habe. Wenn ich den behalte würde ich die wohl tatsächlich auswechseln. Vielleicht wäre das eine gute Route vorwärts. Und wenn der M50x mir dann irgendwann kaputtginge, dann könnte ich den DT 770 PRO nochmal kaufen. Selbst wenn ich ihn am liebsten direkt hierbehalten würde. Das ist völlig unvernünftig, aber ja: So gut finde ich ihn.
Vom Preis nehmen die beiden sich nicht viel. Direkt vom Hersteller kostet auch dieser Kopfhörer 129€, wobei die Webseite direkt einen 10%-Begrüßungscoupon anbietet, das reduziert ihn auf 116€. Garantiezeit ist dann nur zwei statt wie bei Thomann drei Jahre, dafür ist der Rückgabezeitraum mit 60 Tagen doppelt so lang.