Die erste Folge der neuen Netflix-Realverfilmung von Cowboy Bebop ist ein Desaster.
Zwar bin ich kein großer Anime-Fan, aber als ich kürzlich die Serie aus den Neunzigern nachgeholt habe gefiel sie mir sehr. Ja, ein paar sehr typische Anime-Elemente sind drin, aber sie sieht toll aus, die Figuren und die Geschichte hat was und dabei vor allem: Einen tollen Rhythmus. Die kurzen Episoden haben oft einen sehr kontrollierten Flow, bis dann für die eine Szene das Tempo wechselt und dann z.B. der Raumschiffkampf mit toller Musik untermalt loslegt.
Dass die Neuverfilmung damit ein Problem haben wird kann man schon beim Intro erahnen. Beide Versionen sind hier nebeneinandergelegt:
Während die animierten Figuren ihre Animationen verzerrt abspielen, sodass es perfekt zur Musik passt, ist das neue Intro zwar optisch sehr ähnlich, genau diese Anpassung gibt es aber nicht. Selbst nicht bei den drei Pistolen, die im Takt hintereinander abgeschossen werden. Zur Musik passen so nur die groben Wechsel.
Wenn dann die erste Folge einfach zwei Originalfolgen zusammenschneidet, aber mit eigenen Mitteln umsetzt, scheitert das katastrophal. Nehmen wir den Tijuana-Abschnitt. Hier wie dort gibt es einen Warteabschnitt, in dem Jet und Spike Einwohner nach der Zielperson befragen. Gibt es am Ende einen Kampf, bei der treibende Musik spielt. Und kurz darauf eine tragische Szene, in der bedächtige Musik spielt. Doch während im Anime in der letzten Szene die Musik im Vordergrund ist, die dann aussetzt und ganz zum Schluss eine Mundharmonika (-> Cowboy Bebop) überleitet, redet in der Realverfilmung erst Spike über die bedächtige Musik und wird die Musik dann lauter. Und setzt in der Szene mit der toten Frau im Weltall die Musik eben nicht aus, obwohl genau die Stille die Szene so wirkmächtig machte. Die Mundharmonika danach wird auch vergessen.
Und das sind ja nicht die einzigen Änderungen. Die Charaktere reden anders, handeln anders, es gibt eine neue Hintergrundhandlung, die grob in die Folge hineingeschnitten wurde.
Im Ergebnis fühlt sich alles falsch an.
Außerdem sieht es falsch aus. Wahrscheinlich weil Netflix sein Colormixing vorgegeben hat, vielleicht weil beim Abmischen etwas falsch lief, ist das Bild ein kontrastloser Matsch und weit weg von der Klarheit der Vorlage. Furchtbar hässlich, vor allem aber sieht dadurch noch mehr jede Person wie ein Schauspieler in einem Kostüm aus, gerade die Nebendarsteller in der ersten Folge sind unfassbar unecht.
Dazu wirken manche der Actionszenen wie eine billigste Fernsehserie, Kameraführung und Kameratechnik sind in manchen völlig daneben, es stimmt etwas mit der Framerate nicht. Ich würde das wie bei den Farben Netflix anlasten, aber die Witcherserie (bei der die Farben ähnlich schlecht sind, aber besser passen) hat diese Probleme nicht. Es sind wohl handwerkliche Fehler der Serienmacher selbst.
Doch trotz solcher Widrigkeiten wird der Rest der Serie deutlich besser. Die weiteren Folgen profitieren extrem davon, keine Billigkopien der Originalfolgen zu sein, sondern an sie angelehnt eigene Geschichten zu erzählen. Ich sage sie profitieren davon, aber sie leiden auch darunter: Viel davon was die Originalserie ausmachte geht verloren. Wo das japanische Manga philosophisch wird, setzt die Netflix-Serie auf Action. Wenn vorher der Ton der Serie oft eine japanisch anmutende und in meinen Augen für Anime nicht untypische Scifi-Melancholie hatte, ist die neue Serie sehr viel haudraufiger, amerikanischer.
Völlig schlecht ist das nicht, denn Cowboy Bebop ist so eine unterhaltsame Actionserie in einem seltsamen Universum mit schrägen Charakteren.
Aber es bietet einem Fan des Originals nicht viel von dem, was ihn früher angesprochen haben muss. Besonders auffällig: Was der Neuverfilmung auch in den eigenen Folgen dann nie wieder gelingt, ist den tollen Rhythmus des Originals umzusetzen – das Verharren am Anfang, die langsamen Gespräche, was dann in meist der einen Szene der Folge unter Jazzmusik umgedreht wurde und in einem perfekt getakteten Actionspektakel explodiert. Das schafft die Netflix-Serie trotz einzelner ruhigeren Folgen kein einziges mal.
Die Vicious-Julia-Spike-Geschichte zur Klammer der Serie aufzubauschen halte ich noch dazu für ungünstig, der Aspekt der Story war schon im Original nicht besonders toll und wurde durch seine Vagheit eher verbessert. Naja.
Insgesamt stimmt also weder Ton noch Rhythmus, aber der neue Song tut wenigstens nur selten in den Ohren weh.