King's Bounty: Warriors of the North erschien mir erst wie ein tolles Spiel, das höchstens etwas altbacken war. Nach 30 Stunden dachte ich das immer noch. Aber erst nach 70 Stunden war es zuende; bis dahin hatte ich mich mehr als sattgespielt.
Rundenstrategie und RPG
King's Bounty ist keine neue Serie, aber sie ging bisher an mir vorbei. Wem es ähnlich geht: Es ist ein Heroes of Might & Magic ohne KI-Spieler. Der Spieler befehligt als Prinz Olaf (anfangs) einen Trupp Vikinger auf einer Inselkarte. Begegnet er einer feindlichen Einheit, wechselt das Spiel über in eine Hexfeldarena, in der die beiden Einheitenstacks Runde für Runde gegeneinander kämpfen. Jede Einheit zieht je nach Initiative, kann sich dann bewegen und einmal angreifen. Die meisten Einheiten schlagen einmal pro Runde zurück wenn sie angegriffen werden und haben Zusatzfähigkeiten, natürlich sind sie alle unterschiedlich stark; manche Einheiten sind besonders stark gegen andere, sodass die Kämpfe relativ komplex sein können. Zusätzlich kann der Spieler mit Zorn-Fähigkeiten oder Zaubersprüchen in die Kämpfe eingreifen, auch die seltenen gegnerische Helden machen das.
Auch abgesehen von den Kämpfen gibt es Begegnungen auf den Inselkarten. Diese NPCs vergeben dann meist Quests oder bieten Gegenstände und Einheitennachschub an. Die Quests erzählen viele irrelevante Nebengeschichten (manchmal mit Entscheidungen) und eine Hauptstory um einfallende Horden von Untoten, die der Prinz aufhalten soll. Quests wie Kämpfe belohnen mit Erfahrung, bei Levelaufstiegen gibt es zum einen mehr Führungsstärke für größere Einheitenstacks, zum anderen (auch findbare) Runen, mit denen Fähigkeiten gekauft werden.
Diese Fähigkeiten sind nicht die gleichen wie die Zorn-Fähigkeiten, sondern mehr passive Boni. Die Zorn-Fähigkeiten werden dagegen im Spielverlauf freigeschaltet. Aktionen im Kampf füllen die Zornpunkte auf, mit ihnen können die Fähigkeiten ausgelöst werden – beispielsweise kann später ein Feuergolem beschworen werden. Die Zaubersprüche funktionieren ähnlich, sie werden als Schriftrollen gesammelt und können mit auf den Inseln herumliegenden Kristallen in das Zauberbuch übertragen und so permanent verfügbar gemacht werden. Zaubersprüche verbrauchen Mana, das sich mit der Zeit von selbst auffüllt.
Stärken: Kämpfe, Ausrüstung, Story
Diese Mischung aus Strategie und Rollenspielelementen ist angenehm. Gerade zu Anfang ist sie sehr motivierend: Der Held und seine Gruppe wird langsam stärker, aber das gleiche gilt für die Gegnergruppen auf den Inseln. Die sind anfangs mit leicht zu verstehenden Gegnertypen gefüllt, fangen dann aber langsam an zu variieren, sodass nach und nach neue Gegenstrategien gefunden werden müssen. So lernt man auch als Spieler dazu und Kämpfe, die vorher schwierig schienen, werden plötzlich lösbar.
Der Held wird stärker durch die Erfahrung aus gewonnen Kämpfen, was einen klaren Grund gibt die vielen Gegnergruppen zu besiegen. Gleichzeitig will man die Verluste gering halten – zwar gibt es genug Gold, aber schlicht nicht unbegrenzt Nachschubeinheiten. Überall auf den Inseln liegen Ressourcen herum, wie die Magiekristalle oder Banner zum Erhöhen der eigenen Führungsstärke, zudem Ausrüstungsgegenstände mit hübschen Boni. Es gibt also gute Gründe, gründlich jede Insel durchzukämmen, alle Gegner zu besiegen und alle Quests zu erledigen.
Dabei packte mich anfangs auch die Story: Die Untoten besiegen zu wollen ist zwar so simpel wie ein Szenario nur sein kann, aber hat auf den ersten Inseln mit einem Bruderrivale, den Vikingerkönigen und den Walküren genug reizvolle Element. Man fragt sich wie es weitergeht und will das Ende erreichen, also erfüllt sie ihren Zweck.
Schwächen: Kämpfe, Ausrüstung, Story
Doch irgendwann kippt diese Motivationsspirale. Und ich kann ziemlich genau den Moment benennen, muss dafür aber in diesem Absatz ein bisschen spoilern, doch eigentlich ist der Handlungsverlauf vorhersehbar (was ein weiteres Problem ist): Man trifft nach ein paar Inseln auf einen Menschenkönig, der gegen die Untoten vorzugehen verspricht. Dafür brauche er nur drei mächtige Artefakte, die Olaf besorgen soll. Dass es ein Trick ist ist überdeutlich, aber es gibt keinen Weg, das Spiel weiterzuspielen ohne diese Hauptmission entsprechend zu erledigen. Mit den Artefakten in der Hand gibt er sich als der Böse hinter der Untoteninvasion zu erkennen und es gilt, Verbündete gegen ihn zu gewinnen.
Und wäre es das jetzt, wäre das gut gewesen. Noch zwei-drei Inseln besuchen, mit den Königen von vorher reden (bei denen dann auch Elfen und Dämonen dabei gewesen sind), zur finalen Schlacht ziehen, dann wäre das Spiel nach ungefähr 30 unterhaltsamen Stunden gelungen beendet.
Stattdessen ist zu dem Zeitpunkt das Spiel nichtmal halb fertig. Die vorgesehenen Verbündeten wollen erst nicht oder müssen gar noch gefunden werden. Das dauert, ihre Questreihe ist jeweils lang und führt zu neuen Inseln mit vielen starken Monstern. Aber die besiegen zu lernen motiviert nicht mehr, weil die eigene Gruppe schon optimiert ist und kaum neue Gegnertypen hinzukommen. Es ist nur mehr vom gleichen. Die Kämpfe leiden jetzt auch sehr darunter, viel zu häufig und oft zu leicht zu sein - klar schwächere Gegnergruppen sollen zwar kampflos fliehen, in der Praxis sind aber auch vermeintlich gleichwertige Gegnergruppen zu diesem Zeitpunkt hoffnungslos unterlegen. Selbst wenn es nicht so wäre (der Schwierigkeitsgrad ist wählbar): Dass es mangels neuer Gegnertypen keine Variation mehr gibt macht die nun folgenden Kämpfe witzlos, abgesehen von drei Bosskämpfen.
Darauf zu reagieren, indem man das Spiel anders spielt, fällt schwer. Die Kämpfe einfach nicht optimal oder mit der Automatik zu spielen scheidet aus, da es nicht unbegrenzt Nachschub für die gewählte Einheitenkombination gibt (und zudem eine andere Kombination, die z.B. in meinem Fall dann ohne Wiederbelebungspaladine hätte auskommen müssen, die Kämpfe möglicherweise noch langwieriger machen würde). Nebenquests zu ignorieren wird durch die immer weiter zunehmende Stärke der Gegnergruppen verbaut, der die Questbelohnungen wie Zusatzrunen entgegenwirken. Das gleiche macht es auch schwierig, vor Gegnergruppen wegzurennen, denn dann fehlt die Erfahrung später.
Motiviert denn noch die Ausrüstung sowie das Aufleveln? Nein, denn da tut sich nicht mehr viel – denn die neuen Items sind nicht zwingend besser, wenn doch, fühlt sich durch sie leicht stärker zu werden angesichts der meist unterlegenen Gegner nicht mehr gut an. Gleiches gilt für den sich nun füllenden Fähigkeitsbaum.
Es gab aber auch vorher schon Schwächen, die bis dahin nur nicht überwogen. So ist die Grafik nicht gerade hübsch, die Musik trägt nicht die gesamte Spielzeit. Die Kamera ist furchtbar – sie ist frei drehbar, wodurch man ständig die Orientierung verliert, gleichzeitig stimmt dauernd der Kamerawinkel nicht und sie muss gedreht werden. Rollenspiel ist trotz Rollenspielmechaniken nicht vorgesehen: Olaf soll in der Story wohl ein Halbidiot sein und es gibt keine Möglichkeit ihn anders zu spielen, was bei der Begegnung mit dem Oberbösen nur ultimativ nervig ist, auch vorher stört das schon. Zudem ist die Geschichte schwach inszeniert (sprich: außer Textboxen gar nicht) und ihr Ton stört mit unpassendem Humor.
Fazit: Schlicht zu lang
Anfangs war ich sehr glücklich mit diesem mir empfohlenem Spiel – was für eine schöne Mischung dachte ich, motivierend und fordernd, aber gleichzeitig unstressig. Das Fortschrittsgefühl ist anfangs echt gut, die Rollenspielmechaniken zusammen mit dem immer größer werdenden Einheitenvorrat motivieren. Aber dann hört Warriors of the North einfach nicht auf, obwohl es schon alles gezeigt hat was es drauf hat, obwohl alle Fragen der Geschichte gelüftet sind, obwohl direkt nach der Halbzeit das Finale einzuleiten so supernaheliegend gewesen wäre.
Es ist wirklich schade. Denn es erscheint nicht fair, ein Spiel für mehr Inhalt schlechter zu finden. Es ist aber nunmal ein Problem, wenn dieser Mehrinhalt keinen zusätzlichen Spielspaß bietet, sondern im Gegenteil die Motivationsspirale nicht weiterzudrehen vermag. So wurde das Beenden dieses King's Bounty zu einer schwierig zu verneinenden Fleißaufgabe, da ein vorher so gelungenes Spiel ohne Erreichen des Ende wegzulegen auch unbefriedigend erschien. In diesem Extrem kann ich mich an kein Spiel erinnern, bei dem die Halbierung der Spielzeit so sehr geholfen hätte. Empfehlen kann ich Warriors of the North daher nicht, auch wenn ich anfangs viel Spaß hatte.
onli blogging am : Phantom Doctrine, ein XCOM ohne Aliens
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