Far Cry 2 war tatsächlich voller Macken
Monday, 7. March 2022
Dem Titel zum Trotz sind viele Elemente von Far Cry 2 ziemlich toll. Aber sie sind nicht zu einem guten Spiel zusammengepackt. Das Ergebnis ist frustrierend.
Ein Beginn als Auftragsmörder
In FC2 wählt der Spieler anfangs einen Charakter aus, was aber später ziemlich bedeutungslos ist. Dann geht es auch schon los: Gerade in einem afrikanischen Land angekommen um den Waffenhändler Jackal zu ermorden, kippt der Charakter um und ist fortan mit Malaria erkrankt. Ein Gespräch vom Krankenbett mit dem Jackal später kippt der Charakter nochmal um, diesmal aufgrund einer Schießerei zwischen verfeindeten Fraktionen mit ihm in der Mitte. Eine davon rettet ihn, woraufhin der Spieler den Rest des Spiels über verschiedene Missionen für die beiden Fraktionen erledigen wird.
Diese Missionen sind fast alle spielerisch sehr ähnlich. FC2 spielt auf zwei großen Karten, in denen es verschiedene Afrikabiotope wie Dschungel und Wüsten gibt. In der Mitte ist eine Stadt, dort herrscht nach dem Gefecht aus dem Intro Waffenstillstand, beide Fraktionen haben da einen Hauptsitz. Als Spieler betritt man eines der beiden Häuser, lauscht einem Gespräch, nimmt die Mission und ein paar Diamanten als Bezahlung entgegen. Dann gilt es sich ein Auto zu schnappen und zum Zielort zu fahren. Am Zielort gibt es immer einige Gegner und meist muss eine Zielperson getötet oder etwas zerstört werden.
Statt die Aufträge wie beschrieben zu erledigen kann man auch der Alternativmission folgen. Es gibt noch andere Akteure, ein paar davon sieht man regelmäßig. Auf beiden Karten ruft immer einer der beiden Kameraden nach dem Missionsstart an und schlägt eine alternative Lösung vor. Ein Beispiel: Statt einen Waffenhändler auf einem Schiff anzugreifen, fahre zu einem Stützpunkt und hole einen Zünder, mit dem und einer Bombe kann dann eine Brücke über dem Schiff gesprengt und der Händler so getötet werden. Dann gibt es zur Belohnung auch noch Upgrades der Spielerunterschlüpfe, wie fortan dort verfügbare Munition. Die anderen Kameraden haben weniger Missionen, helfen aber im Spielverlauf: Hat man durch eine Nebenmission ihre Zuneigung, wirken sie als Extraleben. Geht der Spielercharakter im Bleihagel zu Boden, erscheinen sie aus dem Nichts, beleben ihn wieder und helfen beim Feuergefecht.
Richtig schlecht sieht das Spiel dabei nie aus. Klar, es ist angestaubt, aber ignoriert man ein paar Grafikfehler ist die Engine für seine Zeit echt hübsch. Wobei die Farben arg matt sind, selbst am Tag ist das Spiel meist braun, in der Nacht dunkelgrau. Das stört aber nach einer Weile weniger und wäre durch Mods reparierbar.
FC2 ist dabei spielerisch ein Egoshooter, wenn man nicht gerade in einem Auto sitzt, wobei die meisten davon ebenfalls Waffen haben. Machete, Kleinwaffe, Primärwaffe und eine Spezialwaffe schleppt der Spielercharakter mit sich herum. Die Waffen können ausgewechselt werden, einmal mit der Ausrüstung der Gegner, besser mit für Diamanten gekauften Alternativen (die dauerhaft freigeschaltet bleiben). Die Waffen aus dem Shop sind besser, denn neue Waffen haben erstmal keine Fehlfunktionen, die umständlich durch Drücken des Nachladenknopfes repariert werden müssen und die mitten im Gefecht natürlich oft tödlich sind.
Unfassbare Macken
Funktionieren die Waffen liefern sie gute Gefechte gegen die Soldaten. Die Soldaten sind in den regulären Gefechten nicht allzu blöd, sie flanken den Spieler und beharken ihn auch mal aus der Ferne mit einem Scharfschützengewehr. Sie halten viel weniger aus als er, aber gegen sie zu sterben ist durchaus möglich. Dazu sind die Waffen hübsch variiert und teils sehr gut gemacht, sodass beispielsweise die Schrotflinte eben nicht nur für kürzeste Entfernungen zu gebrauchen ist. Wo also ist das Problem?
Das Problem ist: Alles außer den Autos und den konkreten Schusswechseln ist bei Far Cry 2 komplett gestört. FC2 ist kein Topspiel, kein würdiger Nachfolger des (in der ersten Hälfte) großartigen ersten Teils. Es spielt sich wie ein nie fertiggestellter Early-Access-Titel.
Sobald man die Stadt mit ihrem Waffenstillstand verlässt greift jeder Charakter den Spieler sofort an. Es gibt außer den Kameraden und ein paar Statisten in speziellen Missionen keine Freunde in diesem Land, nur feindliche Soldaten. Selbst die Mitglieder der eigenen Fraktion (wobei deren Mitglieder nicht unterscheidbar sind) – also der, für die man gerade eine Mission erledigt – eröffnen sofort das Feuer. Das wird richtig lächerlich, wenn man in einem Jeep mit Maschinengewehrturm sitzt, ein Schrottwagen ankommt und da gemächlich ein einzelner feindlicher Soldat aussteigt und das Gewehr anlegt. Im nächsten Moment ist dieser Gegner dann auch schon vom Spieler umgenietet worden, der Wechsel vom Steuer zum Maschinengewehr braucht nur einen kurzen Moment, aber die Verblüffung über dieses absurde Spieldesign hält länger an.
Diese unbegrenzte Feindseligkeit bedeutet, dass die überall auf der Karte verteilten Straßenblockaden jedes mal von feindlichen Soldaten geräumt werden müssen. Ja, man kann versuchen da einfach durchzufahren, aber erstens tut das Gegnergewehrfeuer ziemlich weh, zweitens steigen die Soldaten immer in alle verfügbare Autos und verfolgen den Spieler, sodass man sie dann aus den Wagen schießen muss. Was meist kein Problem ist, aber Zeit frisst. Wäre es nur das eine mal, dann ginge das ja noch – aber die Gegner respawnen direkt wieder. Ist direkt vor der Mission eine gegnerische Station, sind dort auf dem Hinweg Gegner und auf dem Rückweg direkt wieder, selbst wenn nur zwei Minuten vergangen sind. Bitte richtig verstehen: Das ist nicht an die Mission gebunden. Sobald man einen Ort gesäubert hat und einen Moment nicht dort war, werden bei der Rückkehr wieder neue Gegner da sein.
Eine echte Schnellreisefunktion würde dieses Problem entschärfen, die hat FC2 aber nicht. Stattdessen gibt es wenige Busstationen. Tatsächlich helfen die etwas, weil sich mit ihnen ein paar Fahrten vermeiden lassen. Komplett stumpfsinnig bleiben die Respawngegner aber trotzdem.
Als wären das nicht genug Nervfaktor gewesen, wirft das Spiel noch mehr nervige Beschäftigungstherapie in den Mix. Die regelmäßig benötigten Malariamedikamente muss der Spieler sich in einem immergleichen Missionstyp verdienen, bei dem er erst an einem Ort Reisedokumente abholen muss, dann zu einem anderen fahren (-> Gegner auf Weg erledigen), dort ein paar Gegner töten und dann die Dokumente übergeben muss. Zusätzlich könnte man noch für die Waffenhändler einen Konvoi zerstören, was mehr Waffen früher freischaltet, oder an einem Antennenmast für ein paar Diamanten einen Auftragsmord annehmen.
Die Hauptmissionen sind etwas besser, aber auch sie folgen meist dem gleichen Schema, wie oben beschrieben. Zudem ist das Handeln der Hauptfigur völlig unverständlich. Warum genau mordet er für die beiden (komplett identischen) Fraktionen?
Nichtmal das im Menü aufrufbare Tagebuch hat Erklärungsansätze zur Hand, was man sich zusammenreimen könnte ist nicht überzeugend und wird es immer weniger, je bösartiger die Missionen werden. Das Ermorden (nach Erledigen der Wachen) hilfloser Personen, das Sabotieren von Medikamenten, dem Trinkwasser – warum macht der Spielercharakter das völlig grundlos mit? Klar, das ist vom Spiel als Storyelement gedacht, aber das reicht doch als Erzählmodell nicht.
Das Ergebnis ist nur ein verstörendes, in seiner Kaputtheit surreal wirkendes Spiel, dessen Handlung null Sinn ergibt. Nichts davon fördert den Spielspaß.
Interessante Elemente
Und das ist schade, weil FC2 auch gute Elemente hat. Tolle Elemente sogar, innovative, die einen guten Shooter hätten ergeben können.
So hat das Spiel viele Ansätze von Realismus. Einige davon sind allein betrachtet nervig, wie die blockierenden Waffen. Zusammengenommen haben sie aber einen immersiven Effekt. Wenn man erst zum Waffenlager fahren muss, um frische Waffen zu holen, damit auf der nächsten Mission alles klar geht. Dabei die Gegner nicht auf einer Minikarte zu sehen sind, sondern im (nicht zu dichten) Dschungel versteckt erledigt werden müssen. Eine Karte hat der Spieler, muss sie aber statt einer Waffe zur Hand nehmen und dann auf sie herunterschauen – das ganze HUD ist sehr dezent, die wenigen Elemente tauchen nur bei Bedarf auf.
Genial die Idee, an allen Kreuzungen für den Spieler personalisierte Straßenschilder anzubringen, die dann auch noch während Missionen in der Missionsfarbe eingefärbt sind und so den Weg weisen.
Am Zielort sollte man überlegen, ob nicht mit einer schallgedämpften Waffe schleichend vorzugehen besser ist, als mit dem Grantatenwerfer des Schützentransporters die Wachen direkt anzugreifen. Das ist alles zusammen eine interessante Mischung, die Afrikalandschaft für sie eine gute Umgebung.
Gut, dann kommt zum hundertsten mal wieder ein Wagen angefahren und hält direkt vor dem Lauf des Maschinengewehrs, weil der Fahrer einen Todeswunsch hat. Aber wenn einen solcher Unsinn nicht gerade rausreißt machen die Gefechte Spaß. Auch, weil mehr passiert als Gegner zu erledigen, die wie panische Hühner herumlaufen. In manchen Situationen funktioniert ihre KI ziemlich gut.
Dazu kommen die Effekte, alles mögliche explodiert, Feuer kann sich besser ausbreiten als in modernen Titeln, die Dschungelpflanzen gehe unter Beschuss kaputt und geben so den Blick auf verschanzte Gegner frei, einige Materialien sind nicht kugelsicher und die Gegner schießen auch mal durch Holzlatten auf den Spieler. Klasse.
Die Kameraden sind ein dadrin gut eingebundenes Spielelement. Weil sie in den Gefechten helfen, damit dem Kern des Spiels. Sicher noch wichtiger auf den Konsolen, bei denen kein Schnellspeichern möglich war.
Superungewöhnlich ist, dass die Kameraden dauerhaft sterben können: Gehen sie nach zu viel Feindbeschuss zu Boden, kann der Spieler sie wiederbeleben oder ermorden. Es gibt für letzteres keinen Grund, außer evtl keine Heilungsspritzen mehr zur Verfügung zu haben. Was motiviert, mit ihnen hauszuhalten. Dass sie bei Friendly Fire dauerhaft sterben ist ebenfalls ungewöhnlich und soll wohl in Richtung Realismus gehen, das positiv zu bewerten fällt mir aber schwerer. Es passiert zu leicht versehentlich.
Doch selbst der Story lässt sich positives abgewinnen. Zum einem wieder über die Kameraden, die für ihre Alternativmissionen sehr wohl eine bessere Motivation haben und die auch erklären – wobei das mehr für den zweiten Akt gilt. Ihnen zu helfen ist daher angenehm. Aber zum anderen wäre es bei besserer Ausgestaltung der Idee toll gewesen, mal keinen Held zu spielen. Ein widerliches Arschloch, das sich rücksichtslos durch ein Kriegsgebiet mordet ist ja mal was anderes.
Und der Versuch war offensichtlich, mit dem philosophisch schwurbelnden Jackal einen interessanten Antagonisten und insgesamt eine kriegskritische Geschichte zu schaffen, die Verweise auf Apocalypse Now sind überdeutlich. Nur hätte es für solch einen Ansatz mehr nachvollziehbare Handlungsmotivation, vielleicht auch Handlungsalternativen gebraucht, und im Idealfall keinen stummen Hauptcharakter mit selbst im Tagebuch minimaler Selbstreflexion.
Fazit: Unfertiges Ideengrab
Far Cry 2 zu spielen macht schon etwas Spaß, denn die guten Ideen darin zu sehen ist interessant und im Kern steckt im Spiel ein guter Shooter. Darauf kann man versuchen sich zu konzentrieren, dass das möglich sein würde hatte ich trotz der gemischten Rezensionen gehofft. Wegen der Kaputtheit des Spiels überwiegt aber das nervige. Doppelt frustrierend, weil das Potential für ein tolles Spiel dagewesen wäre: Wenn nur jede Fraktionen etwas besser ausgestaltet, nicht jeder NPC auf der Karte ein feindlicher Soldat wäre und wenn wenigstens bei den verdammten Straßensperren keine neuen Gegner erscheinen würden, dann wäre FC2 ganz gut geworden. So aber war es ein vermurkster Versuch, den auch knapp 15 Jahre später kein Mod von seinen wohl zu tief sitzenden Macken befreien konnte.