Ich beschrieb kürzlich Phantom Doctrine als ein Spiel, das XCOM-Elemente aufgriff und mit viel Bedacht um das Kalte-Krieg-Geheimagentenszenario herumformte. Chimera Squad ist zwar auch an die großen XCOM-Spiele angelehnt, aber es wählt einen völlig anderen Weg als Phantom Doctrine. Der Ableger formt nicht um, er reduziert. Aufs Wesentliche?
Kampf um eine Stadt
In Chimera Squad kontrolliert der Spieler die namensgebende Einheit, die nach einem Anschlag den Frieden in einer Stadt wahren soll. Das spielt nach den Ereignissen der Hauptspiele, daher leben in der Stadt auch Aliens. Gleichzeitig sind die Psi-Kräfte verbreitet, was viele Gegnertypen nutzen. Glücklicherweise ist auch der Spieler nicht auf menschliche Söldner beschränkt, sondern startet direkt mit zwei Aliens auf der eigenen Seite. Weitere können später dazukommen.
Drei Fraktionen könnten den Anschlag durchgeführt haben, alle drei sind Fanatiker. Eine waffenschmuggelnde Mutantengruppe, eine Schar von Soldaten mit Psikräften und eine Horde Roboter-Hybriden. Das Spiel ist in die Untersuchungen dieser Gruppen eingeteilt, die Reihenfolge ist frei auswählbar. Resultat ist, dass es andere Missionen mit den passenden Gegnern gibt. Bis aber die lila Hauptmissionen auf der Karte erscheinen müssen ein paar Tage vergehen, in denen jeweils eine Nebenmission bzw teils ohne Kampf ablaufende Situationen bestritten werden können.
Die Missionen erscheinen immer auf einem der Stadtteile. Fast immer ist mehr als eine zur Auswahl. Eine Mission aber nicht zu lösen erhöht die Unruhe im Stadtteil. Ist sie auf dem Maximum erhöht sich am nächsten Tag die Unruhe der Stadt, wird die zu hoch ist das Spiel vorbei. Welche Mission gewählt wird hat also eine über die Belohnungsauswahl hinausgehende strategische Komponente. Die Unruhe steigt unweigerlich, kann aber mit gegen Intel rekrutierbaren Feldteams oder durch Spezialaufträge reduziert werden, wobei der dazu abgestellte Soldat währenddessen nicht an Kämpfen teilnehmen kann.
Stürmen statt Laufen
Die Kämpfe laufen anders ab als in den beiden regulären XCOMs. Anstatt auf einer größeren Karte die Gegner entdecken zu müssen beginnen alle Missionen direkt im Kampf. Es gibt immer eine erste Stürmungsphase, in der die Soldaten meist auf verschiedene Zugriffspunkte aufgeteilt werden können. Auf Knopfdruck geht es los, dann kann jeder einen Schuss absetzen – meist lohnt es sich da, auf die nicht überraschten aggressiven Feinde zu zielen, weil die nach dieser Anfangsphase auf die Angreifer schießen.
Danach wechselt das Spiel in ein reguläres Rundenkampfssystem. Da alles nah beisammen steht und die Zugreihenfolge prominent angezeigt wird geht es mehr darum, die demnächst ziehenden Gegner auszuschalten. Die Missionen sind oft in mehrere dieser Begegnungen eingeteilt, wobei dann wieder gestürmt wird und die Missionsart sich ändern kann. Denn nur manchmal reicht das Besiegen aller Gegner zum Gewinnen. Oft muss muss stattdessen eine Einrichtung zerstört, ein VIP beschützt oder getötet/gefangengenommen oder ein Bereich erreicht werden. In solchen Missionen rückt dann – tatsächlich eine Ähnlichkeit mit Phantom Doctrine – unendlich viel Verstärkung an, sodass der Spieler bei jeder Aktion zwischen dem schnellen Erreichen des Missionsziels und dem Ausschalten der auf dem Feld stehenden Gegner abwägen muss. Chimera Squad findet da meist eine ganz gute Mischung zwischen Stress und spannender Herausforderung.
Mehr Einzigartigkeit
Thema gute Änderung: Der andere Umgang mit den Soldaten hat mir auch gefallen. Sie sind nicht mehr generische Rookies, die vom Spieler angepasst und frei geformt werden können. Sondern sie sind vertonte einzigartige Charaktere, von denen eine feste Anzahl im Laufe der Mission freigeschaltet wird und zwischen denen dann ausgewählt werden muss. Statt dutzenden generischen Söldnern hat das Squad also nur 8 individuelle Soldaten. Die dann auch nicht einfach eine Klasse haben, sondern bei Rangaufstieg ihre eigenen Spezialfähigkeiten freischalten.
Ähnlich reduziert ist die Basisverwaltung. Es gibt immer noch Upgrades und kaufbare Ausrüstung, aber keinen Basisbau. Die Basis ist einfach bereits komplett, nur Zusatzslots für die einzelnen Bereiche können freigeschaltet werden. Die Soldaten die nicht an den Missionen teilnehmen können diese füllen, dann forscht es sich schneller oder werden die Soldaten im Training verstärkt. Es müssen also auch keine separaten Wissenschaftler und Ingenieure verwaltet werden. Ressourcen gibt es noch, aber verdient wird Geld, Elerium und Intel nur noch durch Missionsbelohnungen und am Wochenende automatisch durch die in der Stadt platzierten Feldteams.
Miese Bugs
Bei all diesen Reduktionen ist es umso überraschender, dass Chimera Squad einige üble Bugs hat. Dass die Animationen manchmal durchdrehen ist da noch harmlos, dann dreht sich ein Soldat nach hinten um auf einen Gegner vor ihn zu schießen. Aber einmal wurde einer meiner Soldaten nicht auf das neue Begegnungsgebiet versetzt, war aber durch die Wand hindurch angreifbar, was schon schwerwiegender war.
Doch richtig mies war dieser Bug: Da konnte in der Anfangsphase einer der Soldaten keinem Zugriffspunkt zugewiesen werden, "Required value not met". Aber ohne Zuweisen aller Soldaten kann die Mission nicht gestartet werden. Und im von mir gewählten Ironmanmodus kann die Mission an dieser Stelle auch nicht abgebrochen werden und gibt es keinen älteren Spielstand. Nur durch Cheats und dank diesem Redditthread war das kein kompletter Blocker – -allowconsole
den Startparametern hinzufügen, dann in die per `
geöffnete Konsole endbattle xcomwins
eingeben und die Mission war gewonnen. Zum Glück nur eine Nebenmission, aber was wenn das in einer Hauptmission passiert wäre? Ein Spiel außerhalb der Beta darf einen solchen schweren Bug nicht haben, erst recht nicht wenn er im Internet so oft beschrieben wurde.
Fazit: Klein und gut
Trotz der Bugs fand ich Chimera Squad gut. Mir gefällt diese Reduktion aufs wesentliche, auf die Kämpfe. Und da ist noch genug an Upgrades, Strategie und Story herumgestrickt dass es nicht eintönig wird. Die individuellen Soldaten finde ich sogar klar besser als das System der Hauptspiele mit ihren im Grunde generischen Söldnern.
Ich kann aber nachvollziehen, dass dieses XCOM eine Enttäuschung sein muss wenn man ein Spiel im Umfang der Hauptspiele erwartet. Es ist nur ein kleiner Ableger, der aber auch weniger kostet und weniger Zeit frisst. Nach nur 20 Stunden war ich durch, XCOM 2 ohne Addons dauerte doppelt so lang und hätte mehr Wiederspielwert. Dazu kommt der Ton: Chimera Squad will mit den Sprüchen der Soldaten flott und lustig sein, das geht manchmal daneben. So wie auch die Vertonung, so hat das rekrutierbare Schlangenalien Torque schlicht die Stimme einer jungen Frau. Da hat jemand geschlafen.
Schon da ist also etwas verschenktes Potential. Mehr kommt dazu: Wie wenig die Soldaten dann doch kommentieren, wie wenig sie miteinander interagieren, wie simpel die Geschichte in Zeichnungen erzählt wird. Ein Chimera Squad 2 könnte gerade hier deutlich stärker werden. Aber der Kern des Spiels müsste nicht groß verändert werden, der macht Spaß.