Und warum du es meiner Meinung nach auch nicht machen solltest.
Mit Gendern meine ich, statt klassischem Deutsch zu schreiben oder zu sprechen bei Bezeichnungen eine inklusive Form zu wählen. Egal, welche Form das annimmt: Ob Student*in, Studierende statt Studenten zu schreiben oder StudentInnen am besten noch zu sprechen, also dieses Innen nach einer kurzen Pause anzuhängen. Nichts davon wird von mir gemacht werden.
Mir ist es zuerst instinktiv unsympathisch. In meinen Augen wirkt es leider wie eine Überlegenheitsbekundung. Wer so spricht und schreibt, der wirkt oft so, als meine er besser zu sein als all die gewöhnlichen Menschen um ihn herum. Doch wenig ist mir ferner als solch eine Haltung zu seiner Umgebung zu haben, geschweige denn sie auszudrücken.
Doch das ist erstmal nur eine Interpretation von meiner Seite. Manchmal mag die sogar stimmen. Doch wird sie natürlich nicht für alle Menschen gelten. Einige glauben wirklich, dass Sprache die Welt formt und wollen ohne überzogene Eitelkeit ihren Beitrag zu einer weniger ungleichen leisten. Das ist im ersten Moment zuerst komplett sympathisch. Doch schaden sie dadurch der Sache: Eben weil diese künstliche Sprachänderung für viele unsympathisch ist und einer großen Masse so gegen den Strich geht, macht die versuchte Umformung der Sprache auch valide Bemühungen zur Chancengleichheit zunichte. Denn Menschen hassen nichts mehr als wenn zu ihnen hinabgesprochen wird, aber genau so wirkt das – was effektiv linke Mehrheiten bei allen gesellschaftspolitischen Positionen verhindert, was extrem unglücklich ist.
Außerdem steckt hinter diesem Beharren auf unterschiedliche Ansprache absurderweise ja ein Beharren auf dem Betonen der Unterschiede. Als wäre es undenkbar, dass eine Frau ein Arzt sein könnte, wenn man das nicht extra ausspricht. Dieser vermeintliche Progressivismus steckt in seiner Egalitätsperspektive also weit hinter dem, was für viele andere schon völlig normal war. Das meint insbesondere: Die existierende Ungleichheit und Diskriminierung war eben nicht an der Sprache festmachbar.
Nun wird aus der neuen Sprache ja problematischerweise mehr als eine eigene Wahl, sondern sie wird von manchen Leuten als Pflicht gesehen. Das grenzt dann an Sprachpolizei und offenbart eigene problematische Denkweisen – wenn die Unterschiede so extrem betont werden sollen, weil Gleichheit unerträglich wäre. Mit alarmistischen und ausgrenzenden Sprachrichtlinien wird schlimmstenfalls im Lagerdenken Bekenntnis und Gehorsam gefordert, ohne dass es der Sache etwas bringen würde.
Ist das nicht ein ähnliches Hinausschießen über das Ziel , wie wenn man das Tragen von Stilen "fremder" Kulturen als Verbrechen sieht (als kulturelle Aneignung, wie hier)? Was über einen anderen Begründungsweg doch exakte Naziposition ist, dass Kulturen sich nicht mischen sollen. Nein, das macht die Problematisierer "kultureller Aneignung" nicht automatisch zu Nazis, aber an der gleichen Kulturtrennung anzugelangen offenbart doch das Problem. Damit will ich gerade als Linker nichts zu tun haben… Aber ich komme vom Thema ab, zurück zum Gendern.
Neben diesen politischen Überlegungen: Ich empfinde es schlicht als hässlich. Als jemand, der regelmäßig Texte produziert, habe ich an ihre Ästhetik zumindest einen minimalen Anspruch. Deswegen schreibe ich entsprechend – und weigere mich durchaus auch mal, jemanden zu konsumieren, der das nicht ebenfalls tut.
Es gibt also meiner Überzeugung nach keinen validen Grund, künstlich geschlechtsneutral zu schreiben. Es macht Texte nicht schöner, denn es verschandelt Texte ästhetisch. Es bringt aber wichtiger noch auch die Chancengleichheit nicht weiter, weil es im Gegenteil ein ungewinnbares Nebenschlachtfeld aufmacht, das echte Chancengleichheitsmaßnahmen über die gesellschaftliche Konterbewegung teuer bezahlen werden.
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