Sören kritisiert in seinem Blog LibreWolf, eine dieser alternativen Firefoxkonfigurationen. Er hat nicht völlig unrecht mit seiner Kritik, ich möchte aber zweien seiner Argumente dagegenhalten.
Das fehlende Projektimpressum
Sören schreibt:
Nun wirbt also ein Projekt um Vertrauen, welches nicht einmal ein Impressum auf der eigenen Website hat. Die Argumentation, dass im Land des Betreibers ggfs. keine gesetzliche Impressumspflicht besteht, könnte zu kurz greifen, da hier ein Produkt auch innerhalb der Europäischen Union angeboten wird. Letztlich schafft es aber auch vollkommen unabhängig von der rechtlichen Perspektive nicht unbedingt Vertrauen, wenn darauf verzichtet wird. Denn auch wenn es sich hier um ein Community-Projekt handelt, so muss es am Ende des Tages eine Person geben, welche gesamtverantwortlich für den Browser sowie Inhalte der Website ist.
Er verkennt hier in welcher Softwarewelt wir uns bewegen. Jeder von uns benutzt täglich Software, dessen Autor wir nicht kennen. Ist das tatsächlich mal anders, benutzen trotzdem die Entwickler der Software Abhängigkeiten deren Autor sie nicht kennen. Die FOSS-Welt ist auf eine andere Basis aufgestellt als die einer Internet-Impressumspflicht, einer rein deutschen Erfindung deutscher Weltregulierungsbürokraten. Schon bei Webseiten ist diese lächerlich, bei FOSS-Softwareprojekten völlig unbekannt. Klar, viele große Softwareprojekte lassen sich einzelnen Firmen oder speziell für sie gegründeten Vereinigungen zuordnen, die Regel ist das aber nicht.
Dementsprechend ist es keinesfalls so, dass für Browser oder Webseite des Projekts eine einzelne Person gesamtverantwortlich sein muss. Selbst wenn gewisse Juristen und Politiker das gerne so hätten.
Nebenbei, eine gesetzliche Impressumspflicht für solch eine private Hobbyseite besteht auch in Deutschland nicht. Edit: Diese meine Auffassung wird in den Kommentaren von fachkundiger Seite allerdings bestritten. Ich bleibe dabei, dass ein Projekt an solchen juristisch-bürokratischen Maßstäben zu messen keine gewinnende Strategie ist.
Das harmlose DRM
Sören schreibt:
Interessant ist auch die Begründung, mit der LibreWolf standardmäßig Digital Rights Management (DRM) abgeschaltet hat: Dies sei eine Limitierung der Nutzer-Freiheit. Das ist natürlich völliger Quatsch, denn im Gegenteil erlaubt DRM dem Nutzer den Konsum von Filmen, Serien und Sportveranstaltungen, sowohl kostenlos als auch kostenpflichtig, die anders überhaupt nicht angeboten werden könnten und was für den Nutzer auch überhaupt keinen Nachteil besitzt, während es das LibreWolf-Projekt ist, welches sich hier eine standardmäßige Einschränkung seiner Nutzer anmaßt – wohlgemerkt während gleichzeitig groß mit Freiheit geworben wird.
Die Aktivierung von DRM (Digital Restriction Management) in Browsern wie Firefox ist keinesfalls ohne Nachteile für die Nutzer, denn es propagiert die Nutzung dieser Technologie. Mit DRM aber kontrollieren Firmen, was die Menschen mit ihren Rechnern machen können. Dann werden Bücher aus der Ferne gelöscht, das Abspielen auf dem gewünschten Anzeigegerät verboten, das Anfertigen von Screenshots für Kritiken verhindert, das völlig legale Verleihen unterbunden; Kurz: Jedwede nicht komplett vorgesehene Nutzung der Inhalte wird verhindert. Als Firefox damals DRM aktivierte war es eine Niederlage für die Freiheitsrechte von uns allen, es in einem relevanten Browser nicht aktivieren zu können wirkte vorher gegen die weitere Verbreitung.
Natürlich kann jeder für sich abwägen, ob in einem bestimmten Kontext wie z.B. für Netflix das DRM nicht doch akzeptabel ist. Aber das sollte definitiv ein Opt-In und nicht standardmäßig an sein und ist wie ausgeführt nicht grundsätzlich eine nachteilslose Geschichte.
Das waren nur die zwei Argumente, die bei mir den größten Widerspruch provozierten. Mit den anderen Argumenten haben ich weniger Probleme, aber die Gesamtkritik findet mein Gefallen nicht.
Denn ich denke zwar insgesamt auch, dass ein Projekt wie LibreWolf natürlich Nachteile hat. Gerade Updates etwas später zu erhalten ist nicht ideal. Dazu laufen solche Projekte tatsächlich in die Gefahr, Sachen zu deaktivieren, die im Großen und Ganzen positiv sind. In diese Richtung geht der Großteil Sörens Kritik. Aber sie ist mir zu negativ, zu einseitig, das Projekt wegen seiner vermeintlichen Gefährlichkeit sogar nicht zu Verlinken empfinde ich als überzogen und wirkt auf mich kindisch. Denn erstmal ist es doch eine gute Sache, wenn alternative Konfigurationen von Firefox ausprobiert werden, wenn es ein Korrektiv für Mozillas teils eben durchaus fragwürdige Entscheidungen gibt.
Das ist immerhin die Firma, die bei der Überarbeitung der Androidversion Erweiterungen unter großem Protest deaktivierte und forkverhindernd ihre rasche Wiedereinführung versprach, was mittlerweile jahrelanges Verschleppen als Lüge entlarvt hat und nichtmal den eigenen Entwicklern erklärt wird. Besonders bei einem solchen Akteur ist Diversität eine Stärke, so ist auch LibreWolfs Existenz zu begrüßen. Ich vermute daher auch, dass die heftige Kritik weniger gegen das Projekt geht als gegen das durch das Projekt durchscheinende negative Bild von Mozilla – ob dem Autor das jetzt bewusst ist oder nicht.
onli blogging am : Ein kurzer Blogrückblick auf 2022
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