Mein Eindruck von Baldur's Gate: Siege of Dragonspear
Monday, 5. December 2022
Siege of Dragonspear ist eine Erweiterung, die in der Enhanced Edition des ersten Baldur's Gate die Storylücke zwischen Teil eins und zwei füllen soll. Sie hinterließ bei mir einen schließlich doch negativen Eindruck.
Gelungener Anfang
Auf der einen Seite ist die Ausgangslage nicht schlecht. Nach den Geschehnissen im Hauptspiel erklärt die Stadt Baldur's Gate den Spielercharakter zu ihrem geschätzten Helden. Ein nicht uninteressanter erster Dungeon führt in diese Rolle ein, beschreibt dabei direkt Imoens Weg zur Magierin (sie war ja in BG1 ein Dieb, in BG2 dann eine Doppelklasse Dieb/Magierin) und ein Zerfallen der alten Heldengruppe durch Wegfall ihrer alten Existenzberechtigung. Kaum zurück bedroht ein Kreuzzeug die Stadt, dem eine eigene Armee entgegengeschickt werden soll – begleitet von der eiligst wieder zusammengerufenen Heldentruppe des Spielers.
Schon bei diesen Anfangsszenen wird klar, dass sich die Erweiterung ein paar Freiheiten vom Grundspiel nehmen und es übertrumpfen will. Teils schlicht, indem Techniklimitierungen aufgelöst wurden. Die Karten sind nun nicht immer gleich (über-)groß, sondern oft kleiner, sodass sie zu durchsuchen weniger nervig wird. Doch auch wenn klein, sind sie manchmal beeindruckend übervoll mit NPCs. In den Städten sind das zumeist Statisten, mit denen man nicht interagieren kann. Später sind es Verbündete und Gegner, was zu echten Massenschlachten führt, eine wirkliche Neuerung selbst zu Teil 2.
Einige andere Modernisierungen helfen dem alten Spielkonzept zusätzlich: Dass abgelehnte Begleiter im Lager auf eine neue Rekrutierung warten, dass es für überschüssige Gegenstände eine sichere Schatztruhe gibt. Die ganzen Interaktionen mit den Story-NPCs in der Stadt und während dem Kreuzzug wirken freier, wirkmächtiger als die im ersten Teil noch sehr begrenzten und immer auf die Abenteurerrolle beschränkten Interaktionen. Schnell wirkt Siege of Dragonspear so insgesamt deutlich moderner als Teil eins, gar stärker noch als Teil zwei.
Die Gefahren des Übertrumpfens
Doch andererseits sind manchmal solche Steigerungen kombiniert mit echten Macken.
So ist die Hauptgeschichte übertrieben bombastisch. Sie passt nicht zur kompakten Story des ersten Teils, passt nicht zum langsamen Beginn des zweiten, führt die Gruppe in Gebiete in denen sie nicht verloren hat. Der Kampf geht dabei gegen Gegner, gegen die keine Chance bestünde, wären sie universumsgetreu skaliert.
Treue zum Quellmaterial ist sowieso ein Problem: Wohl im Versuch, die Erweiterung dichter zu machen und mit dem zweiten Teil zu verknüpfen, werden in Begegnungen mit Irenicus (die schon alleine zwecks Konsistenz mit BG2 nie hätten stattfinden dürfen!) Geschehnisse um den Bhaal-Hintergrund eingeführt, die der Geschichte des Nachfolgers widersprechen. Mindestens aber Spoiler sind.
Die Massenschlachten sind cool, aber sie sind auch frustrierend, weil zielgerichtetes Handeln – und als Konsequenz, zu gewinnen – in ihnen nicht einfach ist. Bei der ersten Massenschlacht kann sogar ein nicht vom Spieler gesteuerter potentieller Begleiter einfach sterben, je nach vorheriger Entscheidung weitab vom Bildausschnitt des Spielers, was ich erst durch seine herumliegende Ausrüstung bemerkte.
Genauso führt wohl dieser Drang, die alten Spiele zu übertrumpfen, das Spiel dazu einen mächtigen Drachen als optionalen Gegner zu präsentieren – aber der ist unbesiegbar für jede Gruppe, selbst bei erreichter momentaner Maximalstärke. Daher gibt es einen Trick, mit dem der Drache doch getötet werden kann, der wird aber im Spiel nie auch nur angedeutet und muss online nachgelesen werden. Wenn der Trick nötig ist, warum wird er dann nicht verraten? Wenn er nicht nötig ist, warum ist er dann im Spiel? Wenn man solche Fragen stellen muss, warum ist dann der ganze Drache da?
Handwerkliche Fehler
Kombiniert ist das mit handwerklichen Fehlern, die weder das Hauptspiel noch der Nachfolger so je gemacht hätten. Die haben dann nichts mehr mit übertrumpfen zu tun, sondern wären in jedem Kontext verkehrt.
Besonders auffällig: Die Hauptstory ist eine Idiotengeschichte – würden sie sich einmal hinsetzen und über das Problem reden wäre das Problem gelöst, aber das darf nicht geschehen, daher hört künstlich niemand zu. Wichtige Storytreiber verhalten sich wie Idioten, daher der Name. BG1 hatte in der Richtung auch ein paar Tendenzen mit der Handhabung der Doppelgänger, aber die Grundstory war solide. Bei BG2 ist sie über jeden solche Zweifel erhaben, die Handlungen und die Motivation von Irenicus sind klar und konsistent, genauso der allgemeine Verlauf der Geschichte.
Es gibt bei der Geschichte wieder einen Endgegner. In allen anderen Baldur's Gate ist davor ein ruhiger Moment, in der gespeichert und die Gruppe mit Tränken und Zaubern gestärkt werden kann. Nicht so hier, vor dem Endkampf gibt es andere Kämpfe und eine fremdgesteuerte Fahrt auf einem Aufzug, also ein Zeitlimit. So könnten Spieler in Sackgassen rennen.
Auch in anderen Aspekten läuft das Spiel wie auf Schienen. Die Story gaukelt einige Entscheidungen vor – ich durfte aber dem Gamestar-Test entnehmen, dass sie nicht echt sind. So wird über die Auslieferung des Spielercharakters entschieden, wobei man der Idee zustimmen oder ihr widersprechen kann, den Ausgang der Entscheidung beeinflusse das nicht. Dass die Haupthandlung linear ist: Geschenkt, das war bei Baldur's Gate immer so, auch wenn dort das Zurückreisen möglich war, aber gut. Aber solche Einflussmöglichkeiten anbieten, aber nicht umsetzen? Das geht nicht.
Manche der Gespräche und Begegnungen sind besser gelungen. Ich fand zum Beispiel die Goblinschamanin und ihre Interaktionen nicht verkehrt. Andere sind unverzeihlich fehl am Platz, wie eine Trans-Priesterin als NPC, die nach einem Quest diese ihre darauf basierende Lebensgeschichte der Spielergruppe erzählt und die dann klatschen darf. Das in einer Welt der Götter und Magie, in der ein verfluchter Geschlechtswechsel-Gürtel einer der ersten findbaren magischen Gegenstände ist, ein Geschlechtswechsel komplett normal ist. Es hier zu etwas anderem zu machen ist peinlich und störend.
Und klar, auch die Originale haben diese Lücke gelassen, aber Thema peinlich: Wenn man schon ein Spiel um eine Handlungslücke strickt, wäre es dann nicht gut sie auszufüllen? SoD macht das nicht, stattdessen ist die Gefangennahme wieder ein unerklärt gelungener Überfall im Wald. Welch krasser Gegensatz zur Stärke der Gruppe im ersten Teil das schon war, wie noch unpassender es zu den Geschehnissen in dieser Erweiterung wirkt!
Ein zu negatives Bild?
Auch wenn das jetzt viel negatives war, so ganz verkehrt ist Siege of Dragonspear doch nicht.
Es ist zum einen schlicht neues Material in der alten Engine und dem alten Universum, was sich oft toll anfühlt, weil es Spaß macht zwischen all den vertrauten Elementen neues zu entdecken. Dabei sind die Quests und Kämpfe qualitativ deutlich über dem, was früher von Moddern für Baldur's Gate abgeliefert wurde. Und man merkt ja auch die Experimentierfreude, auch, dass hier eine Verneigung vor dem Grundspiel geschaffen werden sollte. Nur doof, dass ein in Teilen das Grundspiel übertrumpfendes (bei den Massenschlachten z.B.), storytechnisch komplett verwirrtes und mit handwerklichen Fehlern gespicktes Spiel so gar nicht in die anvisierte Lücke passt, ausgerechnet in der Rolle als Mittler zwischen BG1 und BG2 arg fehlplatziert ist. Das Gegenteil hätte es gebraucht: Eine dezente, konservative, mit einem Maximum auf Konsistenz in Ton und Handlung bedachte und handwerklich perfekte Erweiterung, die mit einem geschickten Dreh das Original mit seinem Nachfolger verbindet.
Siege of Dragonspear ist von diesem Ideal leider zu weit entfernt.
onli blogging am : Baldur's Gate 2 Enhanced Edition
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