Als in Perilous Times ein Ritter Camelots aufersteht, um Britannien wieder mal vor dem Desaster zu retten, ist die Bedrohung ungewohnt diffus. Doch die schlechte Luft und sterbende Natur zeigt Kay dann bald doch den vorher unsichtbaren Feind: Dass dieses mal die Klimaerwärmung seine alte Heimat bedroht. Doch wie soll ein Ritter gegen diese vorgehen? Nur gut, dass dann schnell doch auch ein Drache sein Haupt hebt und besiegt werden will und Kay zudem eine Ökoterroristin kennenlernt, die vielleicht den Weg zu einer Lösung weisen kann.
Fantasy und Treibhauseffekt
Da sind zwei Ebenen zu diesem Roman. Auf der ersten ist es eine Mischung aus Fantasy und Endzeitdystopie, aus unserer nahen Zukunft. Diese Vermischung ist gelungen, denn schon das Szenario ist großartig. Wie Kay als absolut Fremder durch diese Welt zieht ist faszinierend. Die Vermischung fantastischer Element mit der Klimakrise ist es auch, gerade samt den vielen Elementen der Artussaga, vor allem wenn man Die Nebel von Avalon oder andere Literatur in der Richtung gelesen hat. Anders als bei Neil Gaiman in American Gods ist hier auch nichts von einer Handbremse zu spüren, Lee scheint Zurückhaltung als literarisches Konzept nichtmal zu kennen. So taucht hier alles aus der Saga auf, was man sich vorstellen kann. Und was macht ein Ritter wenn er britischen Nazis begegnet, gerade wenn er in der Vergangenheit gegen Hitler kämpfte? Er zieht sein Schwert und metzelt sie nieder. Das ist großartig und der Roman hier brillant.
Parodie oder Propaganda?
Gleichzeitig ist mit den Themen Klimawandel und Brexit die Geschichte zwingend eine politische. Und hier fällt Lee das vorher erfrischende Fehlen jedweder Zurückhaltung übelst auf die Nase. Die Stoßrichtung ist eindeutig: Die angeblich damals ganz normalen schwarzen Ritter (Kay ist schwarz), das They-Pronomen für eine Fee, natürlich ist in der Gruppe der Ökoterroristinnen eine Transfrau (was Kay auch nicht stört, im Mittelalter ganz normal wird behauptet), die weißen mächtigen und natürlich hässlischen alten Männer sind nicht nur Ursache allen Übels, sondern sie verspüren auch noch laut Erzähler in einer Endszene schon deswegen Angst, weil nun eine junge Frau Macht in ihren Händen habe – eine schwarze Muslime natürlich. Genauso ungebremst und dadurch affig wirkend ist die dedizierte politische Botschaft, wenn gegen Ende fünfzigmal wörtlich wiederholt wird, dass eine Lösung der Krise nicht durch Helden kommen könne und schon gar nicht von weißen Männern (außer sinnlos zu kämpfen könnten die gar nichts, wird mehrfach ausgearbeitet). Gleichzeitig wird die platzierte Hauptfigur der Handlung sehr wohl als singuläre Heldin aufgebaut, der Widerspruch scheint unbeabsichtigt.
Diese platzierte rassistische und sexistische Propaganda würde dem Thema nicht gerecht. Sie wirkt wie die Verblendung eines im Akademiebetrieb gehirngewaschenen; Lee macht laut seiner Webseite gerade einen PhD in queer interpretations of the Arthurian mythos.
Oder vielleicht ist das ein Irrtum. Es ist auch möglich, dass diese Anhäufung eine Parodie sein sollte. Eine ungebrochene, nie durch ein Augenzwinkern aufgelöste, beziehungsweise wären dann eben die besonders dummen Propagandasprüche wie die Angst vor der mächtigen jungen Frau das Zwinkern gewesen. Problem mit dieser Interpretation: Das wäre dann zwar ideologisch faszinierend, aber immer noch komplett unlustig. Und Lee gibt darauf in Interviews zu dem Buch keinen Hinweis. Dass diese Theorie aber ernsthaft unterhalten werden muss wäre bezeichnend, würde er diese Inhalte ernst meinen.
Ungeachtet ob Parodie oder nicht ist die lanzierte Dekonstruktion Camelots verträglich, weil sie zum einen primär als intellektuelles Spiel mit dem Quellenmaterial und den Erwartungen des Lesers durchgeht, zum anderen die Umdeutung von Artus zum psychopathischen Idioten auch schlicht interessant ist – und interessantes ist immer erlaubt. Auch die Ausarbeitung der Erderwärmung und die Umsetzung in ein auswegloses Szenario ist bedrückend gelungen und in vielen Aspekten schlicht realistisch, samt einer teils hervorragenden Kapitalismuskritik. Das macht die plumpe Propaganda umso bedauerlicher.
Neben manchen Aspekten der enthaltenen Politik stieß ich mich an einzelnen Sprachfehlern, wie around about als roundabout zu schreiben – ist das nicht pures Denglisch, was jedes Lektorat erkannt hätte? Wie kann sowas einem studierten Autor passieren, noch dazu einem, der in England studiert hat?
Trotz aller Kritik, naiv als Fantasyroman gelesen ist Perilous Times toll. Wer die Ideologie überlesen, teilen oder als misslungene Parodie abstempeln kann wird nur noch mehr Spaß an dieser wilden Mischung haben.