Motorolas G52 ist eines der günstigen Telefone, von denen der Konzern jedes Jahr eine ganze Reihe raushaut. Das Besondere am G52 ist die Softwareunterstützung nicht nur durch LineageOS, sondern auch durch das besonders interessante CalyxOS. Der Brauchbarkeit des Smartphones vermutlich das Genick brechen wird Motorolas legendär schlechter Softwaresupport.
Zum Kontext: Ich habe ein Moto G52 für mich selbst gekauft, gebraucht (aus Überzeugung und weil Motorolas Mutterkonzern Lenovo auf meiner schwarzen Liste steht) und vergleiche mit meinem bisherigen LG G5, das am kaputtgehen war und das auch von LineageOS keine Updates mehr bekommt.
Das Moto G52
Doch erstmal zum Gerät selbst. Das G52 ist wie fast alle regulären modernen Telefone ein langweiliges Rechteck. Ein Kameramodul mit drei Linsen und Blitzlicht ist am Rücken angebracht. Die hintere Abdeckung ist aus Plastik, so wie auch die metallisch angemalten Seiten in Wirklichkeit Plastik sind (was man mit etwas Abnutzung auch wirklich sieht). Es gibt Modelle mit 4GB und welche mit 6GB Ram, 128 GB oder 256GB Speicher, erweiterbar mit einer Speicherkarte – meines kombiniert 6GB Ram mit 128 GB Speicherplatz. Natürlich hat es einen Kopfhöreranschluss (sonst wäre es keine Option). Prozessor sei ein Snapdragon 680 mit acht Kernen, der Bildschirm nutzt AMOLED. Die Selfiekamera ist vorne in diesen Bildschirm eingelassen, die Benachrichtigungs-LED wurde leider ohne Ersatz weggelassen.
Das ist einer der großen Unterschiede zum LG G5 von 2016 und ähnlichen alten Telefonen, mit denen ich vergleiche: Dass die Ränder eben so klein sein, dass der Bildschirm fast den ganzen zur Verfügung stehenden Platz nutzt. Da ist kein dicker Rahmen mehr, der ihn oben und unten abschneidet und der vorderen Kamera Platz geboten hätte. Das macht den Bildschirm natürlich nochmal größer, als er wegen dem sowieso schon größeren Gerät sowieso wäre – 160mm Höhe, 74mm Breite passen deutlich schlechter in meine Hosentaschen. Der Bildschirm ist so ganze 6.6" groß und streckt die Auflösung von 2400x1080, die Bildwiederholrate geht bis 90 Hz hoch.
Das LG G5 als damaliges Topmodell hatte damals, wie schon das G3, einen fantastischen Bildschirm. Allerdings IPS LCD. Der Vergleich sollte also klar das Moto G52 im Vorteil sehen, gerade was Kontrast und tiefes schwarz angeht. Aber erstmal sah es für mich nur anders aus, rotstichiger (vll war aber auch das G5 blaustichig). Problematisch: Bei zwei der drei Einstellungen auf dem G52 sind mir sogar die Farbkontraste zu gering. Wenn ich die Telefone jetzt nebeneinander halte fällt aber schon auf, dass der neuere Bildschirm deutlich heller werden kann, das Bild weniger grau wirkt und die Blickwinkelstabilität besser ist. Das G5 ist auch alt, zeigt bei entsprechenden Kontrasten den vorherigen Bildschirminhalt immer noch eine Weile als Phantombild mit an. Schon deswegen ist das G52 hier klar besser.
Statt dem G52 wäre auch das G42 oder G32 in Frage gekommen. Doch die kleinere Modelle waren kaum oder gar nicht günstiger, das G32 hat keinen OLED-Bildschirm und das G42 keine Version mit mehr als 4GB Arbeitsspeicher. Daher fiel nach dem Vergleich die Wahl auf das G52.
CalyxOS
Allen drei gemeinsam wäre die Unterstützung durch CalyxOS, was ich damit zum ersten mal selbst testen konnte.
Das Alleinstellungsmerkmal des ROMs ist der Fokus auf einen bestimmten Sicherheitsbegriff, demzufolge das Projekt nur Geräte unterstützt, bei denen der Bootloader nach der Installation wieder gesperrt werden kann. Zudem muss, wenn ich das richtig sehe, der Hersteller noch Updates für die Firmware ausliefern. Das beschränkt die Auswahl massiv, bisher waren nur die letzten Modelle vom Fairphone, das SHIFT6mq und Pixeltelefone von Google mit dabei. Und seit kurzem die drei Motorolatelefone.
Die Installation samt Bootloaderverschließen war kein Problem, daher spare ich mir auch eine eigene Installationsanleitung (es gibt eine offizielle). Schade ist – aber das ist mehr ein Problem des G52 – dass ein Unlockcode von Motorolas Webseite gebraucht wird. LGs Abschaltung dessen Äquivalent zeigt, wie anfällig solche Infrastruktur ist.
Einmal installiert funktioniert CalyxOS stabil und ist umfangreich aufgestellt. Das Androidsystem wirkt sehr wie das von LineageOS, mit ein paar sinnvollen Anpassungen. So ist F-Droid in einer Basisversion (ohne ein paar sicherheitskritischen Funktionen) vorinstalliert. Signal ist auch da und wird bei jedem Anruf als sicherere Alternative beworben, was faktisch korrekt ist, auch wenn es mir mangels Signals Verbreitung im Umfeld nicht sehr nützlich ist. Ein VPN-Client ist vorinstalliert, von mir bisher ungenutzt, und eine App um Metadaten aus Bildern zu entfernen.
Vor allem aber ist microG installiert und eingerichtet. Damit funktionieren dann wesentlich mehr Anwendungen aus dem Playstore (bzw Aurora Store, ebenfalls vorinstalliert) problemlos, z.B. kamen bei einer Bankanwendung die Benachrichtigungen an. Das ist die gewünschte Balance aus Sicherheitsfokus, Datensparsamkeit und Praxistauglichkeit, die ich bei LineageOS letztes Jahr vermisst hatte. Und ja: Auch die Lokalisierung – dessen Scheitern ich LineageOS beim G5 ankreidete – funktionierte direkt, die Ortung war schnell und auch das genaue GPS-Signal war nach kurzer Wartezeit vorhanden.
Fehler gab es auch, so wurde direkt bei meinem ersten Anruf der Bildschirm nicht abgeschaltet. Ob das an der Software oder an der Hardware lag lässt sich nicht mehr herausfinden, seitdem klappte es immer.
Fantastische Akkulaufzeit
Die Kombination aus CalyxOS und Moto G52 führt zu einer hervorragenden Akkulaufzeit. Besonders gut ist der geringe Verbrauch in Ruhephasen. Da scheint alles zu stimmen, zum einen schaltet die Hardware sich wohl ordentlich in die Schlafzustände, zum anderen muss da auch das Betriebssystem geschickt Arbeit vermeiden. Möglich, dass die von microG angebundene Infrastruktur für Pushbenachrichtungen da wirklich etwas bringt und den Verbrauch von Telegram und Signal reduziert. Die genaue Laufzeit kann ich so gar nicht beziffern, aber die Verlaufsanzeige verrät beispielsweise, dass ich heute Nacht keine 5% verlor und bei einem Ladestand von 55% eine verbliebene Laufzeit von anderthalb Tagen vermutet wird. Und das ist bei meiner Nutzung nicht unrealistisch.
Unterstützt wird auch ein Ladelimit, sodass der Akku nie über beispielsweise 90% geladen wird. Das sollte seine Lebenszeit erheblich verlängern. Nicht unwichtig, gerade bei einem fest verbauten und verklebten Akku, wobei ein Auswechseln des Akkus (auch dank des Plastiks statt Glas des Rückteils) machbar aussieht.
Gemischte Audioqualität
Bei einem Testanruf wurde dem Moto G52 kein Vorteil, aber auch kein Nachteil zum LG G5 attestiert. Auf meiner Seite empfand ich die Sprachwiedergabe am LG G5 besser, wie sehr das am Lautsprecher im Ohrteil oder an einer etwaig anderen Lautstärke lag kann ich nicht klar aufdröseln.
Beim Lautsprecher sind beide Telefone nicht gleichwertig. Positiv fällt trotzdem der Vergleich zum alten Samsung Galaxy A3 aus, dessen Lautsprecher einfach zu schwach war. Beim G52 ist der Lautsprecher dagegen laut genug für den Alltag, aber etwas zu schwach für schwierige Situationen wie dem Podcasthören beim Kochen, wenn die Dunstabzugshaube übertönt werden soll. Das war auch beim LG G5 so. Dessen Soundqualität ist aber klar besser, wenn es um Musik geht. Vielleicht etwas dumpf, klingt es klar besser als die blecherne Wiedergabe des Moto G52. Ich habe eine Testaufnahme versucht, jeweils aufgenommen mit meinem Computermikrofon. Ist etwas leise geworden, aber ich denke man hört den Unterschied deutlich genug.
Das Moto G52 zuerst:
Das LG G5 zum Vergleich:
Das Original ist hier.
Schwache Fotoqualität
Mit dem neuen kleinen menschlichen Wesen im Haus war die Möglichkeit Fotos zu schießen mir natürlich wichtig, und es war ein Faktor dafür, neben den fehlenden Updates die Neustarts des G5 bei aktivierter Kamera nicht weiter hinzunehmen.
Das G52 hat eine Makro-, eine Weitwinkel- und eine reguläre Linse. Die Makrolinse empfand ich bisher als unbrauchbar, die Bilder wurden zu einem Pixelrauschen. Ein Beispiel:
Die anderen Linsen empfand ich als etwas besser. Für die Hauptkamera im folgenden ein Vergleich, das gleiche Motiv zum fast gleichen Zeitpunkt, zuerst das Moto G52 (CalyxOS) , dann das LG G5 (LineageOS), und schließlich das Xiaomi Note 8T (Herstellersoftware):
Für meine Augen ist das Bild des Moto G52 auf den ersten Blick okay, aber im Detail nicht gelungen. Und das scheint mir repräsentativ für die allgemeine Bilderqualität dieser Kamera, wenn ich so durch meine Galerie schaue. Im Thumbnail sieht es noch gut aus. Aber im verlinkten großen Bild (wenn auch auf 1920p herunterskaliert) scheint ein Schärfefilter die Details zu zersetzen oder die Farbabstimmung um den Gammawert nicht zu stimmen, was im Thumbnail kaum auffällt, im großen Bild aber schon. Im Ergebnis sind die Farben trist und manche Details, wie die hellen Pflanzenhalme, sehen unecht aus. Beim G5 und dem 8T sehe ich dagegen keine deutlichen Qualitätsunterschiede. Beide Bilder sind unterschiedlich, aber besser als das vom G52. Das Xiaomigerät überzeichnet die Farben etwas, beim G5 sind die Details nochmal klarer und die Farben lebensechter.
Allerdings: Das G5 hat die Eigenheit, den Fokus eines eigentlich klaren Bilders wieder zu verschieben, sodass manchmal Bilder mehrere Versuche brauchen. Diese Macke hat das G52 nicht, immerhin.
Trotzdem ist das etwas enttäuschend. Ich hatte angesichts des Alters keinen Qualitätsverlust zum G5 erwartet, das ja auch nicht mit der Herstellersoftware läuft. Das schlechtere Ergebnis des G52 kann damit an der Hardware liegen, aber auch fehlende oder falsche Firmware speziell in CalyxOS könnte das Problem verursachen.
Ich sah also ein paar Schwächen. Die Kamera zeigt Macken und der Lautsprecher ist nicht optimal.
Aber das G52 ist günstig und wird mit CalyxOS von einer guten Androidvariante unterstützt. Es hat einen guten Bildschirm, eine tolle Akkulaufzeit und dabei eine gute Prozessorleistung (doppelt so stark wie mein auch schon ausreichendes LG G5, im StressTest). Der nicht optimale Lautsprecher ist ausreichend für Video- und Podcastkonsum, die Bilder immer noch gut genug, um Erinnerungen ordentlich festzuhalten. Zudem stimmt mit 6 GB Ram (die Variante mit 4 wäre etwas wenig), 128 oder 256 GB Speicherplatz, microSD-Kartenslot und Kopfhöreranschluss die Ausstattung.
Als Übergangstelefon in die Zeit EU-regulierter reparierbarer Telefone könnte es daher an sich taugen. Wenn denn der Softwaresupport hält – aber genau das ist zweifelhaft. Als ich es kaufte war der dessen Dauer noch unklar, mittlerweile schätzt CalyxOS August 2025 als Supportende ein. Das wäre zu wenig. Zusammen mit den Hardwareschwächen bin ich daher nicht überzeugt davon, dass das Moto G52 ein besseres Übergangstelefon ist als es ein altes Flagschifftelefon wäre – eines in der Liga des LG G5, nur etwas neuer und mit bestehendem Support durch ein alternatives Android; wie z.B. das Samsung S10(e) oder das (etwas teurere) OnePlus 7 Pro.
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