Deathloop ist ein Shooter von den Arkane Studios, die auch Dishonored gemacht haben, was ich sehr mochte. Aber Deathloop macht nochmal ein paar Sachen besser und hat eine ganz andere, aber auch nette Rahmenhandlung.
And again, and again, and again…
Denn es geht um eine Zeitschleife. Man spielt Colt Vahn, der morgens am Strand aufwacht und sich an nichts erinnert. Doch erscheinende Nachrichten und Besuche von anderen Varianten seiner selbst erklären dann schnell, dass es eine Gruppe gibt, die sich Visionäre nennen und die diese Zeitschleifen beherrschen. Um sie zu brechen und sich so zu befreien müsse er die übrigens mit magischen Kräften bewehrten Visionäre alle töten. Was nicht so einfach ist, sind sie am nächsten Morgen doch wieder lebendig.
So oder so muss er zu vier Tageszeiten jeweils einen der vier Schauplätze besuchen, beim Verlassen schreitet die Zeit voran. Doch reicht die Zeit anfangs keinesfalls zur Erledigung der Aufgabe, bzw schließen sich die Missionen gegenseitig aus, und ist auch die Ausrüstung ziemlich schwach. Zum Glück bleiben Beobachtungen als Erinnerungen im Spielmenü und – nach einer kurzen Weile – auch (gegen eine Gebühr einer sammelbaren Ressource) Ausrüstungsgegenstände erhalten; darunter Waffen, magische Fähigkeiten und passive Upgrades. Diese Erinnerungen taugen dann dazu, langsam die Geschehnisse in der Zeitschleife zu manipulieren und die Visionäre irgendwann vielleicht doch alle erwischen zu können. Was auch die Wiederholungen minimiert, wozu auch das Kürzen von den wenigen immergleichen Sequenzen (wie der Aufwachsszene) beiträgt.
Es ähnelt Dishonored, ist aber nicht das gleiche
Das hat Ähnlichkeiten mit Dishonored, wo ja auch immer wieder Zielpersonen ausgeschaltet werden mussten und die eigene Figur übernatürliche Kräfte hatte. Und in beiden Spielen besteht die Möglichkeit des Schleichens, ist es meist sogar sinnvoll nicht zuviel Lärm zu verursachen.
Aber da ist auch ein großer Unterschied, wichtiger noch als die nur in Deathloop vorhandenen modernen Waffen: Dishonored hat über ein Karmasystem den Spieler für das Töten von Gegnern bestraft. Das machte einen großen Teil der Fähigkeiten und Waffen des Spiels nutzlos, konnte man sie doch praktisch nie einsetzen. Deathloop kennt keine solchen Einschränkungen. Töten ist okay, und auch lautes Vorgehen ist kein Problem, es führt nur zum Herbeirennen (und Teleportieren) von mehr Gegnern, was bei entsprechender Übermacht des Spielers (mit guter Ausrüstung und Ortskenntnis) die Missionen nicht blockiert.
Und so ein ausgelöster Alarm beeinflusst auch nicht die ganze Karte, sondern nur die nähere Umgebung.
Das entschärft ein weiteres Problem von Dishonored und Schleichspielen allgemein: Scheitert das lautlose Vorgehen einmal, ist der Übergang zum Schießen nun kein Scheitern mehr. In vielen anderen Spielen würde ich dann neu laden. Nicht so hier, wobei Deathloop auch gar kein freies Speichern unterstützt, sondern nur zwischen den Tagesabschnitten (und damit den Kartenwechseln) automatisch speichert. Das sorgt für einen gute Spielfluss, der beide Spielarten kombiniert, das leise und das laute Vorgehen.
Missionen in der Zeitschleife
Nun ist es so, dass anfangs sehr unklar bleibt wie Colts Zeitschleife und damit das Spiel gelöst werden kann. Doch gibt es von Anfang an im Menü auswählbare Missionen, die dann markieren an welchem der vier Orte zum jeweiligen Tagesabschnitt etwas erreicht werden kann. Diese Missionen setzen auch Markierungen in die Spielwelt, wodurch Zielorte schneller gefunden werden können. So kommt dann doch schnell etwas Fortschritt zustande, wobei die Missionen nicht immer alles kleinteilig führen – sondern manchmal auch nur das Zielhaus, nicht aber den dort liegenden Zielgegenstand markieren, was ich aber gut fand. Auch im großen gilt das, wenn am Ende eben nicht Zielmarker eine perfekte Tageskombination vorgeben, sondern das Spiel zumindest teilweise auf das Erinnerungsvermögen des Spielers vertraut.
Mir gefiel auch, dass es keine Minimap gibt. Die einzelnen Orte der Insel Blackreef, auf der die Handlung spielt, sind gar nicht groß. Aber anfangs wirken sie groß, denn sie sind wunderbar verwinkelt und ausgebaut, mit Höhenunterschieden und Außen- sowie Innenarealen. So braucht es immer etwas, bis man sich dort zurechtfindet. Und dann sind die Orte auch noch manchmal sehr anders, wenn man sie zu unterschiedlichen Tageszeiten besucht. Manchmal durch vorgegebenes, wie Schneefall. Anderes ist interaktiver, dazu ein Beispiel: In dem Stadtgebiet Udaam gibt es einen Laden mit einem Generator, der morgens mit vielen Stromleitungen das naheliegende Büchereigebäude versorgt. Mittags ist der Laden dann abgebrannt, der Generator wurde überlastet, wie man Gesprächen der herumlaufenden Gegner entnehmen kann. Aber das lässt sich verhindern: Zerstört Colt morgens die Stromkästen, mit denen der Generator verbunden ist, kann da nichts überlasten und der Laden brennt eben nicht ab, was bei einer Mission hilfreich ist.
Auf jeden Fall ist es angenehm, diese Orte und Handlungsmöglichkeiten zu entdecken. Und es ist genau richtig, nicht von einer Minimap da durchgeführt zu werden, denn sie würde das Kennenlernen der Orte verhindern, weil man als Spieler zu oft nur auf sie achtet. Übrigens etwas, was bei Cyberpunk 2077 in der Standardeinstellung schlechter gelöst wird; die dort vorhandene Minimap blendete ich aus genau der beobachteten fehlenden eigenen Orientierungsfähigkeit später aus.
Manchmal aber geht diese Freiheit schief. So gibt es auf allen Karten Händlerautomaten, mit denen Gegenstände transportiert werden können, sagt ihre Werbung. Nur wie man das machen kann erklärt das Spiel nicht, und habe ich tatsächlich nicht herausbekommen. Ich hätte es im Internet suchen können, klar, aber ich hatte mich bewusst gegen eine solche Beeinflussung entschieden. Das war am Ende nicht spielentscheidend, aber überraschend unzugänglich.
Von Waffen und Upgrades
Zu dem Entdecken passt, wie die Ausrüstung funktioniert. Denn sie lässt sich durch sammelbares stark an die eigenen Bedürfnisse anpassen.
Da gibt es zuerst einmal eine ganze Reihe von Waffen. Das meiste davon ist klassisch, Pistolen, Maschinengewehr, Schrotflinte usw, eine Laserkanone kommt dazu. Aber die unterscheiden sich untereinander dann doch angenehm, haben ihre Vor- und Nachteile und passen zu unterschiedlichen Spielstilen. Verstärkt wird das durch Bonuseffekte, die manche der farbig markierten besseren Varianten haben. Wobei die nicht perfekt ausbalanciert sind, so ist eine früh findbare lautlose Maschinenpistole meiner Meinung nach die praktischste Waffe im Spiel, obwohl sie keine der komplizierter zu findenden goldenen Arsenalwaffen ist (getoppt wird sie im offenen Kampf nur von späteren Varianten eines Jagdgewehrs mit explodierenden Kugeln, auch keine der goldenen Spezialwaffen). Zusätzlich können die Waffen jeweils drei Verbesserungen bekommen, von denen sehr viele im Spielverlauf gefunden werden, sodass sie dann beispielsweise sehr viel schneller nachladen oder mehr Munition im Magazin fassen. Sehr wirkungsvoll.
Dazu kommen die praktisch magischen Fähigkeiten, die Colt von den anderen Visionären erbeuten kann. Darunter der für Dishonored typische Teleport, aber auch Unsichtbarkeit oder ein Machtstoß. Nur zwei davon können ausgewählt werden, das ist nochmal eine Anpassung an den eigenen Spielstil. Und es sind diese Fähigkeiten, die Deathloop einen sehr eigenen Charakter geben, im Vergleich zu regulären Shootern.
Die passiven Upgrades machen das ganze dann noch individualisierbarer. Vier davon können ausgerüstet werden. So können dann beispielsweise die automatischen Geschütztürme schneller gehackt werden, oder heilen eigene Nahkamfpangriffe plötzlich Colt, oder hält er einfach mehr Schaden aus. Die Suche nach den besseren Upgrades ist auch nochmal wirklich motivierend.
Die Invasionen als Mehrspielermodus
Es gibt für das spätere Spielen noch einen Mehrspielermodus, der das mit der Motivation auch nicht schlecht löst. Die Orte im Spiel werden im regulären Spiel manchmal von Colts Gegenspielerin besucht, mit der er sonst nur unterhaltsame Funksprüche austauscht, woraufhin er sie ausschalten muss. Im deaktivierbaren Multiplayermodus kann diese Julianna dann auch von einem Spieler gesteuert werde, was sonst eine KI übernimmt. Colt hat gegen Julianna allerdings den Vorteil, dass er drei Leben hat, sie nur eines. Dafür ist sie mit den regulären Gegnern verbündet, was den Vorteil etwas entschärft.
Es gibt abseits des Kampfes keine direkten Interaktionen mit dem Gegenspieler und mir gefällt diese Einbindung ins Spiel, die von Dark Souls vorgemacht wurde.
In meinem ersten Entwurf für diesen Abschnitt hatte ich den Mehrspielermodus nun heftigst kritisiert – meine ersten Spiele waren wenig spaßig, Colt zu überlegen, kamen Spiele nicht zustande oder laggte es ziemlich. Doch auch Niederlagen geben Belohnungen und ich spielte noch ein paar Spiele mehr. Mit der besseren Ausrüstung und wohl etwas mehr Würfelglück (oder auch besserem Matchmaking?) waren diese Folgespiele viel besser. Einerseits, weil ich nach der Erfahrung im Hauptspiel doch durchaus gewinnen konnte. Und andererseits, weil selbst Niederlagen verkraftbar waren, weil sie meist durch geschicktes Spiel der Colts zustandekamen. Zwischendurch hatte ich richtig Freude an dem Kräftemessen.
Ich wunderte mich allerdings darüber, dass Julianna keine Möglichkeit mitbringt Colts vage Position zu sehen, außer der macht Lärm. Die KI-Variante wusste nämlich auch so ziemlich genau, wo ich als Colt war. Spielt man sie selbst gibt es keine solche Ortung. Das macht die Invasionen gegen gut schleichende Gegner manchmal zäh. Aber gut, der Fokus liegt eben auf der Spielerfahrung der Colt-Spieler und belohnt ihr gutes Vorgehen, was okay ist. Aber richtig schlecht ist, dass offensichtlich keine wirksame Kontrolle der Verbindung durchgeführt wird. Dadurch werden manche Matches wegen der schlechten Verbindung mancher Colt-Spieler furchtbar von Lag geplagt.
Schlimmer noch, aber passend zu den Lags der wohl eingesetzten P2P-Architektur, es gibt auch Cheater – für mich tauchten sie an einem Tag gleich reihenweise auf. Vielleicht wurde da ein neues Cheattool veröffentlicht? Die Missgeburten machen sich komplett unverwundbar und haben unendlich Munition. Leider hat das Spiel nicht die nötigen Mechanismen, Cheater im Spiel zu melden oder auch nur für zukünftige Matches zu blocken. Und die Spielerzahl ist mittlerweile so niedrig, dass man jedem einzelnen Cheater mehrfach begegnet. Damit wird der Multiplayer während sie aktiv sind unspielbar.
Technik und Bugs
Grafisch sieht das alles toll aus. Und nicht nur wegen einer guten Technik, sondern weil der Grafikstil gelungen ist. Mit gelegentlich viel Farbe, erinnert das in Teilen an Designsprache der 60er oder 70er. Dieser Designfokus geht sogar über die Grafik hinaus, so sind die Visionäre entsprechend ausgestaltete Charaktere, mit jeweils klaren Eigenheiten. Das gilt auch für Colt, der ein überraschend schlichtes Gemüt präsentiert und am liebsten alles mit roher Waffengewalt lösen würde (ich fühlte mich glatt an den Duke erinnert).
Trotzdem ist es technisch nicht perfekt. Denn zumindest unter Proton dauert es erstaunlich lange, bis das Spiel wirklich startet. Und sind auch die Ladezeiten ziemlich lang. Einmal, gegen Ende der Kampagne, wollte das Spiel meinen Spielstand auch mal gar nicht laden – das behob aber ein Neustart des PCs. Zum Glück, denn da es nur einen Spielstand gibt wäre sein Kaputtgehen katastrophal gewesen.
Es gab gelegentliche andere Bugs, wie gegen Mauern laufende Gegner. Und manchmal flogen die Gegner von Kugeln getroffen sehr seltsam weg, als ob sie ein LKW umgehauen hätte. Aber nichts schlimmeres.
Deathloop hat mir sehr gefallen. Es ist einfach toll zu sehen, wie hier konsequent Macken im Spieldesign von Dishonored ausgebügelt wurden, um ein auf dieser Ebene klar besseres Spiel zu machen – selbst wenn zusätzlich das Genre in Richtung Shooter verschoben wurde, was nicht jedem gefallen muss. Doch trotzdem bleibt dieser Reiz erhalten, dass man das Gefühl hat, in der Spielwelt mit der eigenen Intelligenz Taktiken wählen zu können und die Fähigkeiten – die eigenen wie der Spielfigur – geschickt einsetzen zu können. Nichtmal meine sonst gesetzte Abneigung von Zeitreisegeschichten kam hier zum Tragen, zu gut und ohne störende Logiklücken war der Handlungsrahmen eingesetzt.
Deathloops Multiplayer aber ist auf der einen Seite gut ins Spiel eingebunden und motiviert durch die selbst beim Scheitern vergebenen Belohnungen (darunter Skins für Colt und Julianna, also auch für den Einzelspielermodus). Andererseits gelingen zu viele Matches nicht, hat vor allem die technische Umsetzung Probleme. Initial schien es mir eine nette Dreingabe, die ich noch einige male gespielt habe, was die Spielzeit nach dem Ende der Kampagne deutlich erhöht hat. Aber teils durch die Lagprobleme, vor allem aber durch die Cheaterproblematik, kann ich den Modus trotz seiner Spaßigkeit nicht wirklich empfehlen.
Meine Kritikpunkte am wichtigeren Einzelspielermodus beschränken sich auf diese zwei: Zum einen sind manche Aspekte des Spiels etwas arg versteckt, wird manchmal zu viel Entdeckungswillen vorausgesetzt, wie bei den oben erwähnten Transportautomaten. Zum anderen hätte ich mir mehr Abwechslung bei den vier Orten gewünscht. Zwei sich sehr ähnelnde Stadtorte, zwei offenere Landschaften mit Bunkern; da wäre mehr gegangen – auch wenn die Ausgestaltung im Detail auch jetzt schon unterschiedlich genug ist. Und, wenn man unbedingt will: Die Waffen hätten etwas mehr Abwechslung vom Genrestandard vertragen können (und etwas mehr Wumms).
Trotzdem insgesamt ein wirklich tolles Spiel. Flott, hübsch, spaßig, intelligent.