Die Bundestagswahlergebnisse sind erschreckend. Es gibt zwar einige wenige Hoffnungsschimmer, aber die Wahl bedeutet für mich eine unsichere Zukunft.
28,5% für die CDU und damit der Wahlgewinn ist nach dem Auseinanderbrechen der Ampel nicht überraschend. Auf dem Papier. Andererseits ist mir dieses Untertansdenken ein Rätsel, das Wähler der CDU nötig haben, dieses mal besonders. Wie sonst könnte man mit Merz einen Lügner und neoliberalen, in jeder Hinsicht ungeeigneten Kandidaten unterstützen?
20,8% für die AFD sind eine Zäsur. Jeder fünfte wählt damit eine Partei, die links rechtsextrem und rechts nazistisch ist. Es deckt sich nicht mit meiner Lebenswirklichkeit – ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass so viele Deutsche ausländerfeindlich sind. Aber das hält zu viele nicht davon ab, trotzdem eine extrem rechte Partei zu wählen. Für mich bedeutet das abwarten: Wenn sich ihr Ergebnis verstetigt oder verschlimmert müssen wir – da ich nicht alleine nach Deutschland zurückgekehrt bin – dieses Land verlassen. Noch kann ich hoffen, dass die demokratische Mehrheit die AFD ausgrenzt. Aber es ist eine naive Hoffnung, haben doch selbst die Grünen sich bereits von diesen Menschenfeinden beeinflussen lassen und entsprechende politische Positionen bezogen.
16,4% für die SPD sind ein schlechtes Ergebnis für die Sozialdemokraten, was ich nicht schlimm finden kann. Die zögerliche Unterstützung für die Ukraine durch Scholz, sich mit der FDP von einer korrupten Spaßpartei herumschubsen zu lassen, bei einem Bürgergeld als echte Sozialversicherung anzufangen und dann zu einem Umbenennen von Hartz 4 umzufallen… Gerade letzteres ist die ewige Konstante der SPD seit ich wählen darf, seit der Merkelsteuer. War ihr Ergebnis aus solchen Gründen, wäre es verdient.
Bei den 11,6% der Grünen freue ich mich, dass der Verlust so gering war. Die Grünen sind die einzige progressive Partei im Parlament und ihre Kernwählerschaft bewahrt zu haben gibt mir Hoffnung, dass – zusammen mit der Kraft des Faktischen, wie dem günstigen Preis von Solarstrom – die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen doch umgesetzt werden könnten. Und ich finde es angemessen, dass eine Partei, die weder Klimageld noch Geschwindigkeitslimit durchzusetzen die Kraft hatte, nicht dafür belohnt wird.
8,8% für die Linke sind einerseits toll, weil es so viel besser ist als beim letzten mal. Und das, nachdem gerade erst mit dem Wagenknechtflügel die Sabotierer der Partei ausgetreten sind, wovon viel Schaden erwartet worden war. Eine starke Linke ist gut, weil es die einzige Partei war, die sich dem Diktat der Nazis hinsichtlich der Migrationspolitik konsequent verweigert hat und weil nur die Linke soziale Themen wie eine würdige Sozialversicherung und bezahlbaren Wohnraum angeht. Anderseits: Unter 10% für die einzige Partei mit diesen Themen ist erbarmungswürdig schlecht für eine Sozialdemokratie. Das objektiv schlechte Abschneiden solcher Positionen bei der Wahl zeigt mir, was für ein kaltes Land diese Republik weiterhin ist.
Die BSW hat mit 4,97% wohl gerade so den Einzug ins Parlament verpasst. Gut, wenn dadurch uns eine stalinistische Führerpartei erspart wurde. Die FDP hat ihren hinterhältigen Verrat an der Koalition mit 4,3% ordentlich quittiert bekommen. Da bin ich ausnahmsweise zwiegespalten: Einerseits ist die Verfehlung der Fünfprozenthürde verdient und gut für das Land, andererseits trauere ich immer wieder um die liberalen Ideale, die eine echte liberale Partei vertreten könnte.
Es ist kein Automatismus, dass der rechte Rand immer stärker wird. Das hat die Coronazeit bewiesen. Ein Gedanke, an den man sich nach einer solchen Wahl festhalten muss. Das ist der Hoffnungsschimmer, zusammen mit dem Zugewinn der Linken und dem geringen Verlust der Grünen. Trotzdem ist das Wahlergebnis insgesamt miserabel. Und bedeutet für mich, dass ich in meiner eigenen Heimat etwas weniger heimisch bin.