Gelegentlich bin ich auf Reisen. Manchmal erreicht mich auf diesen Reisen Arbeit, zum Beispiel war kürzlich einer meiner Server neuzustarten. Oder im Dezember fragte ein Kunde eine Webseitenmodifikation an, als ich außer Lande war und aus guten Gründen sollte das nicht bis Januar warten. Gleichzeitig sind die Reisen nicht allzu häufig und daheim würde das Gerät kaum benutzt werden. Es braucht also nur etwas ausreichend gutes, was so leicht wie möglich und auch günstig sein sollte. Natürlich muss Linux drauf laufen.
Vor einer kurzen Weile war eine solche Reise länger und mit extrem wenig Vorlauf. Mein PineTab, das die Aufgabe bisher so halbwegs übernommen hatte, ging nach einem Update nicht mehr an. Ich kaufte auf die Schnelle ein gebrauchtes Surface Pro 3. Das PineTab funktioniert inzwischen wieder und das Surface Pro 3 war nicht verkehrt, aber beide sind keine idealen Optionen: Beim PineTab ist der Linuxsupport inzwischen richtig schlecht und ich sehe es nach dem Vorfall nicht mehr als verlässliche Option; das Surface Pro 3 war dann gar nicht so klein oder leicht, der Prozessor doch etwas alt (wenn auch viel stärker als der des PineTab) und sowieso fand es in der Familie einen besseren Einsatzzweck.
Ich freute mich zuerst darauf eine Alternative zu wählen, aber fand dann lange nichts wirklich überzeugendes.
Anforderungen
Nochmal in kurz meine Anforderungen:
- Klein und leicht (unter den 12" und 1,3 kg [Transportgewicht samt Tastatur und Ladegerät] des Surface Pro 3)
- Linuxsupport
- Guter Bildschirm und angenehme Tastatur
- Ausreichend Leistung um Full-HD-Videos auf Youtube zu schauen – wenn das Gerät schon dabei ist soll es auch zum zurückzuziehen taugen. Außerdem reicht es dann auch für viele Programmierarbeiten.
- Angemessen günstig für die geplante seltene Nutzung
Da sollte sich doch etwas finden lassen.
Geräte
Im Folgenden meine gesammelte Liste an Optionen.
Alte Netbooks
Ziemlich früh dachte ich an ein altes Netbook. War doch der ganze Daseinszweck der verstorbenen Gerätekategorie, kleine Reisebegleiter zu sein.
Diese Option überhaupt in Betracht gezogen zu haben verrät kundigeren Lesern wahrscheinlich, dass ich nie ein Netbook besaß. Ein Blick in die Reviews von damals machte nämlich sehr schnell klar, warum die heute keine Option sind. Sie hatten alle TN-Panel und damit sehr schlechte Blickwinkelstabilität, der Atom-Prozessor der ersten Netbookgeneration war furchtbar schwach und wurden nur noch von dem Nachfolgeprozessor getoppt, dem Atom N550, bei dem Intel den Videodekodierer eingespart hatte. Laut Reviews konnte man froh sein, wenn Youtube mit 480p funktionierte. Dazu kommt, dass die Geräte heute wie ziemliche Klötze wirkten – und tatsächlich wiegt der Eee 701, ähnlich dem oben abgebildeten, laut diesem Datenblatt 1 kg (+ 200g Ladegerät). Das macht dann auch die Suche nach den besseren Alternativen mit den stärkeren AMD-Prozessoren müßig.
Chinesische Minilaptops
Stellt sich jedoch raus, dass die Netbooks als Produktkategorie gar nicht tot sind. Sondern es gibt eine Reihe von zumeist chinesischen Herstellern, die moderne Varianten produzieren. Ich sehe da zwei Linien, einmal teure Spezialgeräte, dann günstige Abwandlungen bzw Aliexpressvarianten.
So stellt GDP eine Reihe von kleinen Geräten her. Der GDP Micro PC ist dabei mit einem Startpreis von $450 der günstigste, hat aber auch nur einen Celeron N4120 und der Bildschirm misst sehr kleine 6". Es folgen GPD Pocket 3 und 4, beide mit einem drehbaren Bildschirm, wobei der 3er günstiger mit schwachen Pentiumprozessoren zu haben ist und der 4er tolle AMD-Prozessoren hat. Die Bildschirme sind da 8" und 8,8" groß, was praxistauglicher sein dürfte. Neu ist der GDP Duo mit einem verrückten doppelten Bildschirm (ähnlich dem Lenovo Yoga Book 9i).
Das One-Netbook 5 von Onexplayer ist ein Gerät eines zweiten relativ teuren Anbieters, wobei da beachtenswerterweise das Minilaptop tatsächlich Netbook genannt wird. Die hier genutzte Hardware wirkt auf dem Papier sehr gut. Entsprechend ist aber eben auch der Preis, wobei das Gerät zumindest im verlinkten Shop gar nicht verfügbar ist.
Günstiger sind die Geräte (Kopien?) von Topton, deren Bezugsquelle wohl Aliexpress ist. Das Topton L4 sieht aus wie ein Minithinkpad, 7" großer Bildschirm, Intel Celeron N4000. Größer mit einem 8"-Bildschirm und mit einem Pentium N100 stärker dürfte der Topton P8 sein, dessen drehbarer Bildschirm klar an das GDP Pocket erinnert.
Beide werden scheinbar baugleich unter anderen Namen verkauft, z.B. gibt es ein Reviews eines Meenhong P8 bei Techradar. Topton könnte die Quelle dafür sein, zumindest bieten sie das Produzieren unter fremden Logo für andere Firmen auf ihrer Webseite an.
Attraktiver und mit mehr positiven Reviews ist jedoch das Chuwi Minbook X. 10,51", je nach Variante Pentium N100 oder N150. Das sieht einfach wie ein brauchbares kleines Laptop aus, mit Metallgehäuse und laut Berichten gutem Display sogar.
Problem bei all diesen Optionen ist der Linuxsupport. Selbst bei den teuren GDP-Geräten finden sich schnell Problemberichte. Das sieht bei Topton kaum besser aus, dort wird Linuxsupport sogar aktiv ausgeschlossen. Zum Minibook X finden sich teils positive Berichte mit neuen Kernels, teils werden schwierigen Probleme geschildert. Ein Forenthread im Herstellerforum ist dabei erhellend, demnach wird Linuxsupport von den Entwicklern schlicht nicht berücksichtigt. Da es verschiedene Revisionen gibt wäre ein Kauf für Linux also ein pures Glücksspiel. Ansonsten klingt das Minibook X perfekt, auch wenn der N100/N150 nicht der stärkste Prozessor ist.
Für Windowsnutzer dürfte das Netbook aber auf jeden Fall interessant sein.
Thinkpad X1 Nano
Das kleine Thinkpad klang ebenfalls interessant, wobei 13" etwas größer als ursprünglich geplant ist. Nur USB-C zu haben ist aber nicht ideal. Der Gewichtsvorteil zu besser ausgestatteten Laptops ist mit 907g (Gen 1), ~970g (Gen 2) bzw 989g (Gen 3) auch gar nicht so groß, das Netzteil käme ja noch dazu. 13" ist eben nur ein kleines Laptop, kein Netbook.
Dazu passt, dass das X1 Nano im Lenovosortiment vom X1 Carbon Gen 13 abgelöst wurde, einem 14"-er. Mit mehr Anschlüssen und immerhin auch einem Startgewicht von nur 986g, aber eben weit weg von der Idee eines Netbooks da zwar leicht, aber nicht klein.
Für mich so oder so keine Option da selbst gebraucht viel zu teuer, außerdem hierzulande recht selten.
Panasonic Let's Note
Der Blick auf nur leicht geschrumpfte Laptops führt zur Frage, ob es sowas nicht auch in günstiger gibt. Und tatsächlich: Mit Panasonics Let's-Note-Reihe scheint da etwas bereitzustehen. Das ältere CF-SZ6 zum Beispiel wiegt laut diesem Review zwischen 850g und 1150g, bei einer Bildschirmgröße von 12,1". Das höhere Gewicht wäre mit einem DVD-Brenner und größerem Akku. Das ist für ein gar nicht so kleines Laptop ziemlich gut – und der Gegensatz hier zur relativen Masse der alten Netbooks liege an den modernen Fertigungsmethoden, las ich ich irgendwo. Der Preis für gebrauchte Geräte als Import aus Japan ist mit etwa 100€ sehr attraktiv.
Als in Europa und den USA weitgehend unbekannte Produktlinie ist sie aber schwer einzuschätzen. Taugt das runde Touchpad, ist das Tastaturlayout nah genug an QWERTY, wie ist der Linuxsupport, fänden sich Ersatzakkus und Ladegeräte, was sind die Fallstricke einzelner Modelle? Verwirrend auch, dass über dem Teich ähnliche Geräte als Toughbook vermarktet wurden. Es fehlt daher völlig die Marktübersicht, um attraktive Modelle zu erkennen – so scheint das im verlinkten Review erwähnte CF-SV8 zu momentanen Ebaypreisen direkt attraktiver, da nur ein bisschen teurer bei deutlich stärkerem Prozessor. Aber das könnte täuschen.
Microsoft Surface Pro/Go
Wieder ein Surface zu nehmen ist bei der Größe und Gewicht des Panasonic auch kein absurder Gedanke. Sie waren zudem weit genug verbreitet um wieder eines gebraucht zu finden, ganz ohne Import. Statt einem Surface Pro gibt es mit dem Surface Go auch noch kleinere und günstigere Alternativen - immerhin empfand ich das Pro 3 ja als eher zu groß und schwer.
Aber andererseits sind die Go-Varianten spürbar schlechter ausgestattet. Und das neue Surface Go 4 wurde dann als Businessmodell vermarktet, durchaus verwirrend. Schwachpunkt ist auch der Linuxsupport, denn in der Hinsicht war mein altes Surface Pro 3 ein Glücksfall, spätere Modelle brauchen generell einen angepassten Kernel und manchmal weitere Modifikationen um unter Linux gut zu funktionieren. Gesammelt werden die zwar von Linux Surface, für eine Bastellösung sind die Geräte aber in meinen Augen meist etwas teuer.
Ich fand es insgesamt schwer, unter Berücksichtigung all dessen und den Gebrauchtpreisen ein passendes Surfacemodell zu identifizieren.
ClockworkPi uConsole, DevTerm
Fangen wir an, bewährte Ansätze für den Linuxsupport zu tauschen. Denn genau so würde ich die uConsole einschätzen. Sie ist mit einem 5"-Bildschirm winzig, sieht dabei aber nett und spaßig aus. Betrieben wird sie von einem RaspberryPi-CM4-Modul, ausverkauft ist die A-06-Alternative mit einem stärkeren, aber weniger gut von Linux unterstütztem Chip. Der RaspberryPi 4 ist für einen Linuxdesktop nicht die stärkste Option, wenn auch wohl erträglich. Besser wäre der Raspberry 5 und tatsächlich, das Upgrade sei möglich.
Wesentlich größer ist das DevTerm. 6,8" klingt erstmal nicht viel größer, aber wenn ich das richtig sehe ist der Bildschirm als Ultrawide nochmal breiter. Das dürfte die mitgewachsene Tastatur praxistauglicher machen. Mir ist unklar, was ich mit dem Thermodrucker anfangen könnte, aber hey, macht das Gerät eben nochmal spezieller.
Verlockend und bezahlbar. Die uConsole würde wohl den SSH-Anwendungsfall und ähnliches, aber kaum die Anforderung "angenehme Tastatur" abdecken. Das DevTerm täte das vielleicht etwas mehr. Doch es scheint wie eine sehr bastelige Lösung, der schmale Bildschirm wenig praxistauglich, verkompliziert nochmal mehr durch das für eine ideale Konfiguration zu stemmende Upgrade auf das CM5 (das auch gar nicht so günstig ist). Wofür im Shop sowieso kein passende Leermodell verfügbar ist, nur das mit dem dann unnötigem CM4 ist auf Lager.
PineTab 2
Das PineTab 2 wäre verfügbar. Und wenn das erste PineTab zwischenzeitlich schon fast ausreichte, dürfte die bessere Hardware und der laut Berichten derzeit viel bessere Linuxsupport des Nachfolgers wohl taugen. 10,1", 990g (mit Tastatur) passt auch durchaus ins Schema.
Aber angesichts der bescheidenen Qualität des Vorgängers bin ich nicht gewillt, 395€ hierfür auszugeben. Erst recht nicht, wenn immer noch eine Warnung bezüglich der Praxistauglichkeit im Shop angebracht ist. Ich bin geneigt diese Warnungen ernster zu nehmen als damals – wobei ich damals auch das Projekt unterstützten wollte, was ich jetzt nicht nochmal wiederholen muss.
Pilet
Genauso könnte der Pilet unterstützt werden. Der ist ein modularer Minicomputer und basiert auf dem Raspberry 5. Bzw soll es einer werden, noch ist es ein Kickstarterprojekt. Also keine derzeit greifbare Lösung. Mit 5" auch sehr klein, das wäre wie die uConsole oben höchstens eine Teillösung. Vielleicht passt die 7"-Variante besser, aber die angeflatschte Tastatur scheint mir da nicht größer zu werden, letztendlich also wahrscheinlich ebenso beschränkt.
Mecha Comet
Ähnliches gilt für den Mecha Comet. Auch das ist noch nicht fertig, genauso wäre die gezeigte kleine Tastatur einschränkend. Ein 3,4"-Bildschirm ist noch dazu besonders klein. Ein spannendes Projekt an sich, aber deckt die Anforderung "angenehme Tastatur" keinesfalls ab.
Macbook (Air 11")
Und schließlich als Nachgedanke eine für andere wahrscheinlich naheliegende Lösung. Apple hatte ein Macbook Air mit einem 11"-Bildschirm auf dem Markt. Wäre das nicht eine günstig gebraucht kaufbare und gute Lösung?
Ich habe es tatsächlich einen Moment in Betracht gezogen, aber ein paar Gegenargumente gefunden. So hatte das alte Air einen ziemlich großen Rahmen, wodurch es laut seinen Spezifikationen kaum kleiner/leichter als das aktuelle MacBook Air 13 ist und sogar größer und schwerer als das Macbook 12 Retina von 2017. Letzteres ist relativ gut auf Kleinanzeigen etc zu finden. Also landet man eher da, 12", 920g, ähnlich einem Microsoft Surface Pro.
Das Macbook läuft aber auch in das gleiche Problem: Unklarer Linuxsupport. Manchen Berichten zufolge ginge alles, andere beschreiben störende Probleme. Die Alternative MacOS ist für mich relativ unbenutzbar, freiwillig zumindest tue ich mir das nicht an. Dazu kommt die absurd minimale Ausstattung von einmal USB-C und einem Kopfhöreranschluss, also liefe nichtmal meine reguläre Reisemaus ohne einen dann das Ladegerät blockierenden Adapter.
Da gäbe es wahrscheinlich eher im Windowsbereich einen der Konkurrenten von damals für günstig zu schießen, z.B. das im Test des Vorjahresmodell erwähnte HP Spectre 13.
Das hätte zwar auch nur USB-C, aber wenigstens dreimal. Wobei es verschiedene Jahresmodelle des Spectre 13 gab. Die aber alle nur selten gebraucht zu haben sind, die x360-Variante sieht man eher mal.
Zusatzerwähnungen
Kurz berücksichtigt, dann jeweils aussortiert:
MNT Pocket Reform
7", freie Hardware und hübsch, aber sehr teuer und mit 1,1 kg für die Größe zu schwer.
MNT Reform Next
12,5", freie Hardware und wieder sehr hübsch, aber ebenfalls teuer und mit 1,6 kg noch schwerer. Außerdem angekündigt erst für den Dezember.
Framework 12
Total passend, dass Framework genau jetzt einen 12"er rausbringen will. Ich denke wenn der Artikel eines zeigt, dann dass für kleinere Laptops eine Marktlücke bestehen könnte. Aber gerade erste angekündigt, Gewicht und Preis unbekannt, als neue Hardware sicher als reiner Reisebegleiter zu viel.
Die einfachste Lösung wäre, ein möglichst leichtes 13"- oder 14"-Laptop (je nach Generation) vom Gebrauchtmarkt zu fischen. Und alle erwähnten Laptoplösungen sind da auch nicht weit von weg, nur meist etwas kleiner und etwas unter statt etwas über der 1-Kilo-Grenze.
Aber ich war anfangs schlicht überrascht, dass meine Vorstellung eines Gerätes mit geringeren Dimensionen als dem Surface Pro 3 nicht unkompliziert bedient wurde, zumindest nicht mit Linuxunterstützung als Anforderung. Deswegen weitete ich die Recherche aus und wollte sie dann auch bald für den Blog möglichst komplettieren. Bot sich auch an, weil es einmal nicht eilte.
Habe ich dabei Optionen übersehen, vielleicht sogar offensichtliche? Dann würde ich mich über Hinweise in den Kommentaren freuen. Und welche Lösung für Reisen benutzt ihr?