Boeckham’s Football Manager will ein simplerer, spaßigerer Fußballmanager sein und orientiert sich dafür an den Managerspielen der 90er. Damit hat er mich voll erwischt, spielte ich doch damals gelegentlich Anstoss (2? oder 3?) mit einem Kumpel, später auch den Fifa Soccer Manager – und durchschaute diese Spiele mit kindlichem Verständnis damals nie wirklich. Es jetzt neu zu probieren reizte mich daher sehr.
Trainerentwicklung
Dieser Versuch startet mit der Erschaffung eines Trainers. Name, Aussehen und (wichtig) der Schwierigkeitsgrad ist wählbar, dazu die deutsche oder die englische Liga als Heimat. Eine automatisch generierte Biographie umfasst auch den Verweis auf einen Trainerfreund, der dann später u.a. Verfasser der kurzen Hilfetexte sein wird. Skillpunkte wollen ebenfalls verteilt werden, was klar macht, dass von ihnen der Erfolg mancher Aktionen abhängen wird – beispielsweise ist das Aufpäppeln eines einzelnen Spielers von einem Würfelwurf auf die eigene Trainingsfähigkeit abhängig.
Der erarbeitete Ruf ermöglicht den Zugang zu besseren Vereinen, wobei beim leichteren Schwierigkeitsgrad der Zweitligist FC Paula meine Bewerbung schon mit dem Startwert annahm. Um dann flugs eine Strafe wegen meinem fehlenden Trainerschein zu kassieren. Diesen erkauft man sich im Trainermenü, wo auch andere Ausbildungen sowie wertesteigendere Workshops angeboten werden. Daneben ein Ticker, der den eigenen Karriereverlauf in regulären und für den Ruf relevanten Ereignissen zusammenfasst.
Boeckham baut hier also eine Metaebene vor den Traineralltag. Und nutzt diese auch, um in Ereignissen kleine Geschichten mit Entscheidungen zu erzählen, wobei die Fähigkeiten immer wieder Aktionen ermöglichen oder Defizite in ihnen sie verbauen. Davon dürfte es gerne mehr geben, und dass manche von ihnen sich wiederholen (die Koksparty insbesondere) ist seltsam, aber auch jetzt schon ist das schön motivierend.
Vereinsmanagement
Der Hauptfokus aber liegt auf dem Verwalten des Vereins. Der ist mehr als das Team, auch das geschickt Umfeld genannte Menü mit Stadion und sonstigen Gebäuden ist relevant, wobei das Stadion wiederum in einem eigenen Menü um mehr Sitz- und Stehplätze erweitert werden kann, der Vorstand hat eine Meinung zum Saisonverlauf und die Clubkasse ist separat zum eigenen Verdienst. Am wichtigsten ist aber natürlich das Team mit seinen Spielern.
Die Spieler haben jeweils genau eine Klasse, und die ist grob, also gibt es nur Torwart, Verteidiger, Mittelfelder und Stürmer. Wie gut der Spieler ist verrät unverstellt der Stärkewert, dazu kommt seit kurzem die ausdauerdefinierende Fitness. Während einem Fußballspiel sinkt die Ausdauer, geht sie unter null sinkt entsprechend die Stärke. Wer das als Verkomplizierung empfindet kann es deaktivieren, ebenso wie die (seltenen) Verletzungen – und diese Möglichkeit zu geben zeigt bereits ein bisschen, welche Art von vereinfachendem Manager Boeckham sein will.
Spieler haben auch noch ein Alter und einen Talentwert – den ein unerfahrener Trainer nicht sieht – und beides hat Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Alle paar Spiele oder durch Einzeltraining werden Spieler besser, sind sie jung genug, während zu alte Spieler schwächer werden. Das wiederum sei auch von manchen Vereinsgebäuden und ihre Stufe abhängig, die den Effekt erhöhen bzw verringern können. Einen Transfermarkt gibt es auch, zudem können dort nicht gelistete Spieler anderer Vereine gegen eine (meist sehr hohe) Ablösesumme auch so gekauft werden, wobei eine recht komfortable Suchfunktion passende Spieler für die einzelnen Klassen in der gewünschten Kombination von Stärke und Alter anzeigt. Ein Gehalt wollen die Spieler natürlich auch, und manchmal erreichen Jugendspieler den Kader und bringen so kostenlose Verstärkung
Sich in diesem System eine starke Mannschaft zusammenzustellen macht Spaß. Es gibt dabei auch ein paar Tricks, die ich hier nicht verraten werden.
Die Spieltage
Doch beim Fußball zählt am Ende nur, was auf dem Platz passiert, oder? Für Boeckham wäre das ein Problem. Denn das eigentlich Fußballspiel wird sehr minimalistisch präsentiert.
Die beiden Teams stehen auf dem Platz, bei wählbarer Geschwindigkeit geht der Ball hin und her. Gelegentlich fällt ein Tor. Ein Ticker an der Seite macht das Spielgeschehen etwas dichter, verrät beispielsweise die verteilten Karten. Aber er gibt nur wenig Flair, nur notwendigste Details, was auch keine andere Darstellung des Spieltages ausgleicht. Weil auch noch die Taktiken massive Mali bringen und daher wohl ignoriert werden sollten, achtet man bald nur noch auf den Stärkewert, um auslaufende Ausdauer zu erkennen und darauf durch Auswechslungen zu reagieren.
Gar nicht so schlecht ist dabei die tatsächlich an Fußballspiele erinnernde Sounduntermalung, auch wenn sie etwas gleichförmig und für Spiele in höheren Ligen zu geringintensiv ist.
Auffälligkeiten eines nicht ganz fertigen Spiels
Was die Spieldarstellung aber nicht ist, ist eine Darstellung einer echten Simulation. Zwar passen die Ballbewegungen zum Ergebnis, also sind sich Ticker und Spielfeld über gefallene Tore einig. Aber schon wer das Tor geschossen hat kommt aus der Spieldarstellung nicht raus. Denn dort wird ein Tor immer vom vordersten Stürmer geschossen, laut Ticker aber kann das auch jeder andere Spieler sein – sogar der Torwart!
Das Spielfeld mit seinen Figuren ist also eine sehr abstrakte Spieldarstellung. So abstrakt, dass die Figuren zwar zu ihrem Portrait passen, aber nicht unbedingt zu ihrer Position – denn die Aufstellung ist immer gleich, auch wenn nur Stürmer auf dem Platz stehen wäre das nicht zu erkennen. Ebenso gibt es keine sichtbaren Auswirkungen von Auswechslungen, der alte Spieler bleibt auf dem Platz und der neue erscheint nicht.
Andersrum kann man es natürlich auch sehen, also dass die simplen Bewegungen auf dem Spielfeld die ganze Simulation sind, gedeckt vom Zahlenwert der Spieler(-Kategorien?), und dann gefallene Tore den Spielern zugelost werden. Es ändert im Grunde nichts.
Denn so oder so, generell ist die Spielsimulation so zu statisch und abstrakt. Sie zeigt nichtmal die verschiedene Aufstellungen und schon gar nicht echte Spielzüge. Dabei würde sowas das Spiel auflockern. Das gelingt dem Minispiel fürs Elfmeterschießen übrigens nur so halb – das Halten als Torwart ist zu schwer und die Maussteuerung da fühlt sich arg ungenau an, das Einlochen als Schütze ist dagegen eher zu einfach.
Aber sowas sind eher gewollte Vereinfachungen. Andere Limitierungen erscheinen ungewollt: Beispielsweise Transferangebote für verliehene Spieler, die aber nicht mehr verwaltet werden können. Und auch über echte Bugs stolperte ich, einmal das unerklärte Verschwinden eines solchen verliehenen Spielers, der mit der neuen Saison einfach nicht auftauchte, dann das Einfrieren eines Spiels mit auch unrealistisch schwacher Mannschaft. Hier sollte noch nachgebessert werden, der Entwickler ist sich den Problemen bewusst und hat die Ursache bereits gefunden, in der Betaversion seien sie bereits repariert.
Mir hat Boeckham's Football Manager viel Spaß gemacht. Allerdings balanciert er auf einem schmalen Grat. So ist es einerseits erfreulich, wie klar die Spielsysteme sind und wie offensichtlich dadurch meist wird, warum Spiele gewonnen oder verloren werden – ganz anders als früher bei Anstoss & Co, zumindest meiner damaligen Wahrnehmung nach, wobei die alten Spiele Screenshots zufolge tatsächlich nicht so einfach aussehen. Passend zu deren trügerisch vergessbaren Komplexität gehen mir bei Boeckham manche Vereinfachungen zu weit, besonders die Spieldarstellung dürfte gerne sehr viel ausführlicher sein und mir als Trainer über Taktiken echte Einflussmöglichkeiten geben. So wirkt sie in Teilen gar kaputt, einfach weil sie so simpel angelegt ist.
Beim an sich angenehm ausgebauten Drumherum ist klar, dass das nicht ewig motivieren kann – irgendwann ist die Routine drin, danach wird man bald einmal zu oft nach Sponsoren geschaut, einen Spieler trainiert, nach einem Workshop geguckt und danach das nächste Spiel begonnen haben. Dann wird auch die leider wenig abwechslungsreiche Musik stören. Auch stolpere ich jetzt schon über Interfacemacken: Einmal die nicht automatisch scrollenden Ticker bei Spiel und Trainermenü (bei allen Tickern sollten neue Meldungen einfach immer oben sein), dann das während einem Spiel mein Mauszeiger notwendigerweise bei den Buttons zum Auswechseln und Pausieren mittig unten ist, nach Spielende dann aber ganz oben im Navigationsmenü auf Nächste Woche geklickt werden muss. Umständlich, gerade auf Dauer, und wenn all das alternativ per Tastatur bedienbar ist sah ich die Anzeige dafür nicht.
Aber noch lockt mich nach der erreichten deutschen Meisterschaft der Gewinn der Weltmeisterschaft, was ich mir durch eine falsche Spielerauswahl vorhin verbaute. Und sehr positiv: Die Entwicklung sei laut Entwickler noch nicht ganz abgeschlossen. Das zeigt sich auch daran, wie frisch das (gelungene!) Ausdauersystem ist. Nimmt man das mit dem superfairen Preis zusammen und bedenkt, wie viel Spaß das Spiel jetzt schon macht (mir jetzt schon mehrere Abende, völlig okay also selbst wenn da jetzt doch nichts mehr kommt), packt dann noch eine Prise Sympathie für den deutschen Indieentwickler dazu, dann ist die Kaufempfehlung völlig eindeutig. Wer beim Gedanken an die alten Fußballmanager positive Gefühle verspürt, aus eigener Nostalgie oder aus Interesse an erhoffter guter Zugänglichkeit, sollte hier direkt zuschlagen.