Ein wunderbares Beispiel für durchschaubare neoliberale Propaganda steht heute auf Spiegel Online.
Merken kann man es schon im zweiten Satz: "...hatte (Deutschland" jahrelang der Versuchung deftiger Lohnerhöhungen widerstanden, ...". Ein Euphemismus, mindestens durch das "deftig", haben doch die Reallöhne größtenteils stagniert.
Fröhlich weiter geht es im Reigen der Halbwahrheiten: "Nur wenn sich das Land an die Gesetze der neuen, der globalen Wirtschaftswelt anpasst, hat es eine Chance, im weltweiten Wettlauf zu den Gewinnern zu gehören." Gut, keine direkte Unwahrheit, tatsächlich ging dieser Gedanke durch die Köpfe der Menschen. Jedoch ist es höhnisch, mit solchen Worten gegen die Erkenntnis zu sprechen, dass die Menschen in Deutschland eben nicht zu den Gewinnern gehören, wenn man sich den angeblichen Marktnotwendigkeiten beugt.
Verächtlich klingen auch die weiteren Worte: "Es darf eben nicht sein, dass auch auf ältere Arbeitslose Druck ausgeübt wird, sich einen neuen Job zu suchen.", diese Einstellung wird unterstellt. Ein geschickter Argumentationsweg, und doch offenkundig falsch: Arbeitslosen Druck zu machen, dagegen argumentieren sehr wenige. Also richtet sich dieser Vorwurf an diejenigen, die gegen die Hartz4-Verarmung reden, gegen das Elend der Betroffenen (und ihrer Kinder!). Dies ist fast schon bösartig.
Eine echte Halbwahrheit folgt: "Die (kurze Bezugszeiten des Arbeitslosengeld für Ältere) immerhin haben dazu beigetragen, dass die Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen von 41 auf 50 Prozent stieg." Früher sah das noch anders aus. Immer wieder las man den Appell, dass Arbeitgeber ältere Arbeitslose einstellen sollen. Das Fazit vieler Arbeitssuchenden: "Über 50 findet man keinen Job".
Die genannte Statistik ist trotzdem nicht anzuzweifeln, aber der Kausalzusammenhang. Nicht der Druck durch der Wegfall sozialer Sicherungssysteme, sondern Fachkräftemangel und die Erkenntnis, dass der Verzicht auf ältere Arbeitskräfte die Qualität und damit den Gewinn senkt, haben hier zu einem Umdenken auf Arbeitgeberseite geführt.
Auch der Tarifabschluss der Lokführer kann nicht ernsthaft so negativ bewertet werden, berechnet man die Tarifabschlüsse der Vorjahre ein (und betrachtet man den Gewinn der Bahn (AG))
Lustig wird es beim Mindestlohn. Natürlich wird keine Quelle für die Behauptung genannt, er würde Jobs vernichten. Ich kenne nur Studien, die zumindestens diese Behauptung widerlegen (sogar in der Zeit liest man entsprechendes).
Fazit: Lang nicht mehr so einen Schund gelesen.
onli blogging am : Lesenswertes zur Bankenkrise
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