Warum ausgerechnet die FDP? Keine Partei dieses Landes hat sich rhetorisch schuldiger gemacht. Natürlich, gehandelt hat diese Partei mangels Macht nicht, aber auch durch Sprache und besetzte Positionen kann man Politik steuern. Das sieht man nun neu bei der Linken - und man sah es in den letzten Jahren an den Einheitsparolen von FDP, CDU und SPD.
Die Öffnung
Auch wenn der Spiegel etwas anderes behauptet: Diese Krise wurde nicht von einer einzelnen Bank ausgelöst. Jeder Erklärungsversuch von meiner Seite muss vereinfachend sein, und doch ist klar: Ein stetig wachsender Finanzsektor mit 25%-Renditezielen kann nicht gesund sein. Ihn zu begrenzen ist die vernünftige Forderung der Stunde, doch auch in den USA wird nur gegen die sichtbarsten Wucherungen vorgegangen (immerhin). Doch wer genau hat ihn wann so geöffnet, dass er so ausufern konnte?
Wie könnte man diesen Markt stärker öffnen, als der größtmöglichen Spekulation, dem Treiben der Hedgefond, Tür und Tor zu öffnen? Getan hat dies in Deutschland die SPD. Und zwar nach den Forderungen der FDP. Die letzte große Öffnung 2004 mit dem Investment-Modernisierungsgesetz ist auch symbolisch zu sehen, als Bejahung dieses ausufernden Finanzsektors, des Shareholder-Values - Konzepten, die damals viel Geld brachten.
Die groben Fehler
Besonders unverständlich ist der Zuspruch für die FDP, wenn man sich das damalige Rentenkonzept ansieht:
Die Basissicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung muß folglich stärker als heute durch private und betriebliche Vorsorge zur Lebensstandardsicherung ergänzt werden. Zur Förderung der individuellen Altersvorsorge schlagen wir die Einführung eines individuellen, vererbbaren Altersvorsorgekontos vor, in dem betriebliche und private Altersvorsorge zusammengefaßt werden.
Man stelle sich vor, das hätte sich durchgesetzt. Die Rente aller wäre auf ein Minimum gesunken, auf den betrieblichen Anteil. Denn die private Rente ist eine Rente "abgesichert" vom Finanzsektor - ein Wort, das mit dem Adjektiv sicher nicht in einem Satz stehen sollte. Über die sozialen Implikationen einer solchen vererbbaren(!) Ego-Absicherung statt Gemeinschaftsumschichtung braucht man gar nicht weiter reden.
Solche Fehler findet man in dem Programm in Hülle und Fülle. Da soll alles mögliche dereguliert, der politische Einfluß im Bankensektor reduziert werden, die Steuern gesenkt (womit würde man die Konjunkturpakete bezahlen, die Banken retten?), G8 ist erstrebenswert und geht noch nicht weit genug. Apropos: Bildung, das ist eines eigenen Satzes würdig, soll noch weiter den Bedürfnissen der Wirtschaft untergeordnet werden, was einer Abschaffung der eigentlichen Bildung entspricht. Ein schlechteres Konzept ist nach den inzwischen erfolgten Ereignissen kaum vorstellbar.
Die fehlende Alternative
So oft die Linke auch als Sammlung kommunistischer Sozialistenschweine dargestellt wird: Sie sind eine Stütze des kapitalistischen Systems. Ein Mindestlohn gräbt das System nicht um, er macht es nur sozialer. Höhere Steuern benötigen die kapitalistischen Einnahmen, um zu wirken. Sie sind nur eine Umverteilung von oben nach unten und federn so die Schwächen des Systems. Also: Wenn selbst die Linke keinen Systemwechsel fordert, dann wird es keinen geben.
Interessanterweise scheint das der FDP in die Hände zu spielen. Denn oberflächlich betrachtet scheint sie für die noch arbeitende Bevölkerung alternativlos: SPD und CDU reagieren nur auf die Krise und haben gar keine Konzepte. Die Maßnahmen der Linken würden den sozial Schwachen helfen, vielleicht zu Lasten des oberen Mittelstandes, was diese meinungsbeherrschende Schicht nicht gerne sehen dürfte. Daher hilft auch der Schwenk nach links der CDU nicht viel, und der SPD glaubt man nach Hartz 4 sowieso keine linke Position mehr. Die Grünen haben unter Schröder den Kurs in die Krise mitgetragen und hatten noch nie ein finanzpolitisches Profil. Bleibt nur die FDP mit ihrer Parole vom allesrichtenden Markt, so falsch und widerlegt dies auch sein mag. Hoffnung war noch nie rational.
Die tieferen Gründe
Das reicht noch nicht. Wenn man verstehen will, warum die FDP trotz der offensichtlichen Bejahung aller Krisengründe Zuspruch erhält, muss man sich den Feierabendverkehr ansehen. Wenn die Masse der Menschen in die öffentlichen Verkehrsmittel und dann nach Hause strebt, dann ist die Krise ganz weit weg. Dann geht es nicht darum die Gesellschaft neu zu ordnen. Die Gesellschaft existiert in ihrer jetzigen Form, und solange die Armut sich nur in Zeltstädte in den USA manifestiert und nicht in Massenarbeitslosigkeit hierzulande, dann bleiben die Arbeitnehmer ein stabilisierender Faktor dieses Systems. So hart das jetzt klingt: Da das System asozial ist, ist diese Stütze entsprechend. Die FDP bekommt Zuspruch, weil sie eben nicht die Folgen der Krise abfedert. Weil sie sogar den Mindestlohn ablehnt, selbst die Steuern, mit denen die Sozialsysteme finanziert werden. Das kommt so lange an, wie die Menschen darin einen Vorteil für sich selbst sehen, so lange sie selbst noch Arbeit haben, und mit der FDP netto ein kleines bisschen mehr Lohn. Die Kosten der Umverteilung von unten nach oben sieht man auf dem Gehaltsscheck nicht.
Existiert ein Ausweg? Wirklich revolutionäre Kräfte könnten nur von den Arbeitslosen oder von der Jugend kommen. Erstere Gruppe stemmt maximal die Linke. Die Studenten sind politisch desinteressiert. Pseudo-proletarische Jugendliche dagegen hören Bushido und laufen MTV-schauend als Hiphopper mit dem System mit. Als asoziale Elemente in dem System, moderne Hässlichkeit verehrend. Dadurch schon in gewisser Weise destruktiv, aber nicht in einem Sinne, aus dem irgendwas positiv erwachsen könnte.
Es wird wohl dauern, bis die sichtbaren gesellschaftlichen Kosten der egoistischen FDP-Hoffnung ihren subjektiven Gewinn übersteigen. Und doch ist dieses Erkennen die einzige Chance. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.
onli blogging am : Das Jahrzent der CDU?
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