Frederico Mena-Quintero war der Ideengeber für das Zeitgeist-Journal, also den Teil von Zeitgeist, den man bisher kennt, das Anzeigen von vergangenen Dateiinteraktionen. In seinem Blog hat er die Vision hinter Zeitgeist beschrieben, was im Englischen ein bisschen weniger hochtrabend klingt. Da Zeitgeist, inzwischen mehr als nur das Journal (im Englischen eine Mischung aus aktuellem Magazin und Logbuch, aber ich werde der Wiedererkennung halber Journal verwenden), immer noch verständliche Irritationen auslöst, stelle ich den Artikel übersetzt hier rein.
"Wo war ich?" Die Arbeit fortsetzen
Dies ist ein Bild meines Schreibtischs, wie ich ihn heute morgen vorfand:

Dort liegt ein Buch über Holzarbeit, dessen geöffnete Seite Werkbanken zeigt. Daneben liegt eine herausgerissene Seite mit kleinen Diagrammen von Dingen, die in die Werkbank sollen. Auf einem Zeichenblock sind weitere Diagramme der Werkbank, die gebaut werden soll. Schließlich liegt da noch mein Bleistift und ein Radiergummi.
Warum liegt all das so auf dem Schreibtisch? Einfach nur, weil ich genau diese Zeichenarbeit letzte Nacht getan habe. Ich kann die Arbeit fortsetzen indem ich mich einfach an den Tisch setze und mir kurz anschaue, wie weit ich bisher gekommen bin.
Ganz anders das Bild meines Desktops nach dem heutigen Anschalten und Einloggen:

Da liegt mein Panel mit dem üblichen unnützen Kram, ein paar Dateien und Ordner die schon lange dort liegen und zusätzlich verschiedener Müll, der zum System gehört. Nichts davon steht in Verbindung zu dem, was ich das letzte Mal an meinem PC gemacht habe. Es gibt keine Möglichkeit diese Arbeit fortzusetzen, außer sich an sie zu erinnern und alles wieder zu öffnen.
Bevor jetzt jemand "Sitzungsmanagement" schreit möchte ich kurz etwas anderes erzählen.
Ein Journal beginnen
Nachdem ich vor ein paar Jahren aufhörte an Evolution zu arbeiten, arbeitete ich kurze Zeit an der Ximian-Version von OpenOffice.org. Davor hatte ich niemals an einer so komplizierten Codebasis gearbeitet. Der source tree war riesig. Sich dort zu orientieren war wirklich harte Arbeit. Viele Dinge machten anfangs keinen Sinn, insbesondere die oberen Ordner wie "sc" und "sw" (später lernte ich, dass "sc" für das Tabellenkalkulationsprogramm, StarCalc, und "sw" für die Textverarbeitung, StarWriter, steht).
Die eigentlichen Quellcodedateien lagen 5 oder 6 Ebenen tiefer. Der Quellcode der großen C++-Klassen war aufgeteilt in mehrere Dateien, die etwa shrtnm1.cpp, shrtnm2.cpp für die Klasse ShortName benannt waren - für jemanden der damit nicht schon eine Weile gearbeitet hatte machte das einfach keinen Sinn.
Damals machte ich ein paar einfache Änderungen an OpenOffice, sodass ich immer nur ein paar Dateien auf einmal ändern musste. Sie zu finden war nicht einfach, und danach vergaß ich oft wieder wo sie eigentlich lagen - begraben 6 Ebenen tiefer im seltsam benannten Dateisystem. Nach ein paar Tagen des fortwährenden Suchens und nochmaligen Suchens begann ich, nach einer Lösung zu suchen. Da Emacs desktop-save-mode bei mir niemals funktionierte legte ich eine Textdatei mit den vollen Pfadnamen der von mir geänderten Dateien an. Dort konnte ich am nächsten Tag nachgucken anstatt die Dateien wieder zu suchen. Schließlich schrieb ich etwas Elisp-Code der das für mich erledigte, aber das ist ein Implementierungsdetail - google nach "emacs recently used" und man wird feststellen, dass viele Menschen genau das gleiche geschrieben haben.
Das vereinfachte die Sache. Ich konnte die Arbeit schnell fortsetzen, um die zuletzt bearbeiteten Dateien zu öffnen schaute ich in das Journal, genauso um die gleichzeitig geöffneten und mit den anderen Dateien verbundenen zu öffnen.
Bevor nun jemand schreit "Nutz halt eine IDE!" möchte ich erstmal die Geschichte fortsetzen.
Das Journal entwickelt sich
Etwas danach begann ich, im Journal Kommentare festzuhalten und es verwandelte sich in ein Logbuch meiner Arbeit. Ich habe dieses Journal seit 4 Jahren genutzt. Hier ein Beispiel von gestern:
2009/Oct/07
10:42 - About to read "In pursuit of desktop evolution" by Ravasio et al - ~/Downloads/10.1.1.96.398.pdf
12:56 - Finished reading and taking notes in ~/Documents/Gnome/design/articles.txt
13:05 - Paid phone bill, $XXXX, transaction 9404.
14:20 - Worked on http://en.opensuse.org/Documentation_cleanup
15:31 - bgo#597101 - gnome-panel does not start anymore (RANDR) - vuntz fixed it
16:39 - @natfriedman: Recommended sites to find rental apartments:
homeaway.com, roomorama.com, airbnb.com, seamlesstransition.com.
+ check why my subscription to opensuse-wiki didn't work
+ Add autotools to gnome-activity-journal
+ See if you can help with bnc#329959 - build service doesn't validate project names
+ Read http://wiki.zeitgeist-project.com/Teamgeist and send comments
+ Read Finding and Reminding - http://old.sigchi.org/bulletin/1995.3/barreau.html
Jeden Tag schreibe ich solches Zeug: Interessante Dateien, Geänderte Wikiseiten, interessante Webseiten die kein Bookmark wert sind, die aber trotzdem noch gefunden werden sollen, wahllose Notizen, Auszüge aus IM/IRC/Twitter und ein paar Punkte meiner ToDo-Liste (die mit dem +).
Ich finde dieses Journal sehr nützlich. Per Suche in Emacs (C-s) finde ich alles sofort: Wenn ich Notizen gemacht habe nutze ich C-s notes, dann noch ein paarmal C-s, und schließlich finde ich den Abschnitt in dem ich "taking notes in ~/Documents/..." geschrieben habe. Ein "(RANDR)" kommt neben alles, was mit mehreren Monitoren zu tun hat, sodass es einfach zu finden ist (Anmerkung: Er arbeitet an randr).
Das Journal ist für mich eine Erinnerung an alles was ich getan habe, eine Quelle für Links zu verschiedenen Dingen, ein Notizenheft, eine Copy&Paste-Quelle für interessante Gesprächsauszüge, eine sehr nahe ToDo-Liste und allgemein eine chronologisch geordnete Ablage für vielleicht irgendwann mal nützliche Informationen.
Aber ich bin kein so fanatischer Notizenmacher wie du
Ja, vielleicht. Es kostet allerdings sehr wenig Zeit diese Notizen zu machen und es fühlt sich nicht wie eine Last an. Ohne die Informationen in dem Journal könnte ich nicht mehr leben.
(Das Journal ist auch wirklich nützlich wenn ich die blöden Zeittabellen für Novell ausfüllen soll - Ich kann überblicken wie viele Stunden ich wofür aufgewendet habe.)
Das Journal ist allerdings recht umständlich, vor allem wenn es um URLs und Dateinamen geht. Der Computer könnte das problemlos für mich übernehmen und mich trotzdem Notizen zu den Einträgen machen lassen.
Später mehr zu den Problemen mit der Schreibtisch-Metapher und der Vision hinter Zeitgeist.