Sarrazins Äußerungen
Tuesday, 13. October 2009
Bei bleib passiv findet sich die Demontage eines Spiegel TV-Beitrags, der Sarrazin in seinen umstrittenen Äußerungen unterstützt (via). Damit ist der Artikel auch eine Demontage des Interviews.
Was an Sarrazins ursprünglichen Äußerungen ist denn so problematisch?
Man muss aufhören, von ‚den’ Migranten zu reden. Wir müssen uns einmal die unterschiedlichen Migrantengruppen anschauen. Die Vietnamesen:
Hier fängt es an: Das ist keine Differenzierung, es ist eine Pauschalisierung nach Herkunft. Pauschal von "den Vietnamesen" zu reden ist kritisch, weil es auf dem Gedanken basiert, der Mensch sei durch "Nation und Rasse getrennt" und grundlegend unterschiedlich. Wenn also solchermaßen einzelne Gruppen gemeinsamer Herkunft zusammengefasst werden, muss dabei vorsichtig und differenziert durch Fakten gestützte Tendenzen innerhalb dieser Gruppe beschrieben werden. Sonst passiert, was im Folgenden passiert: Statt soziale Faktoren auch nur ansatzweise zu beachten wird einseitig die Herkunft zum Kriterium gemacht. Diese Form des Pauschalisierens über Volksgruppen ist rassistisch, mindestens im eigentlichen Sinne.
Die Araber und Türken haben einen zwei- bis dreimal höheren Anteil an Geburten, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Große Teile sind weder integrationswillig noch integrationsfähig. Die Lösung dieses Problems kann nur heißen: Kein Zuzug mehr, und wer heiraten will, sollte dies im Ausland tun.
Aufgrund von sozialer bzw. nationaler Herkunft die Geburtenrate beschränken zu wollen (die Dopplung des Angriffes gegen Schicht und Herkunft thematisierte der Spiegelfechter, auch eine mögliche Interpretation) und nur anhand der Herkunft Rechte zu beschneiden verstösst gegen jede Form der politisch notwendigen Gleichbehandlung (zur eigentlichen Berechtigung des Vorwurfs an "die Türken" sei nochmal auf den oben verlinkten Artikel verwiesen). Es ist nicht nur sozialdarwinistisch, sondern fordert eine rassistisch motivierte Form der Sonderbehandlung. Solche Sonderbehandlung aufgrund "rassischer" Unterschiede gab es meines Wissens zuletzt zur Zeit des Nationalsozialismus.
In die gleiche Kerbe schlägt der Gedanke, Einwanderern die Sozialleistungen vorzuenthalten:
Meine Vorstellung wäre: generell kein Zuzug mehr außer für Hochqualifizierte und perspektivisch keine Transferleistungen mehr für Einwanderer.
Hierzu ist es wichtig, die Prämisse zu hinterfragen. So etwas schlägt jemand vor, der glaubt, Einwanderung würde dem Staat Geld kosten. Im oben verlinkten Beitrag wird darauf hingewiesen, dass Einwanderung insgesamt wirtschaftsfördernd ist:
Die Gesamtrechnung – alle eingezahlten Steuern und Versicherungsbeiträge vs. alle Leistungen durch Staat und Versicherungen – ergibt, dass die Arbeitsmigranten für den deutschen Steuer- und Beitragszahler unter dem Strich keine Belastung, sondern ein Gewinn sind: danach wird die deutsche Bevölkerung pro Jahr und Kopf um ca. 400 DM entlastet, was betragsmäßig in etwa dem Solidaritätszuschlag zur Einkommenssteuer entspricht.
Es gibt noch viele solcher Äußerungen von Sarrazin, die in die gleiche Scherbe schlagen. Doch am bezeichnendsten erscheint mir der Absatz, der in der "Blut und Boden"-Tradition steht:
...wir haben noch nicht verstanden, dass wir ein kleines Volk sind. Wir verstehen uns immer noch als ein großes Volk. 1939, als der Zweite Weltkrieg begann, hatte Deutschland 79 Millionen Einwohner, die USA 135, Russland 160 und England 50. Die Proportionen haben sich völlig verschoben. Wenn von unseren 80 Millionen praktisch dreißig Prozent im Rentenalter sind, sind wir bereits eine relativ kleine Bevölkerung. Wir sind näher an den Holländern und Dänen als an den USA.
Auch früher schon wandte Sarrazin sich gegen einzelne Bevölkerungsgruppen und predigte Sozialdarwinismus. Nun wird bei ihm Einwanderung zum Kampf, Zusammenleben zum Krieg, immer schwingt der Gedanke der nationalen Selbstbehauptung und der deutschen Überlegenheit mit. Deshalb sind seine Äußerungen unerträglich, deshalb haben sie zurecht für ihn negative Konsequenzen.