Outland
Outland ist ein nativ unter Linux laufendes Spiel, das ich mehr als Plattformer denn als Metroidvania einordnen würde.
Ihr kontrolliert eine Spielfigur, die im Laufe des kurzen Spiels immer mehr kann. Primär Springen und Angreifen, aber vor allem auch die Farbe wechseln kommt sehr schnell dazu. Ob rot oder blau gewählt ist macht dann blaue oder rote Gegner verwundbar, während die herumfliegenden Energiekugeln nur in der Gegenfarbe gefährlich sind.
So immer mehr zu können und die Spielwelt frei zu durchlaufen, wobei mit den neuen Fähigkeiten neue Gebiete freizuschalten werden, das würde zu einem Metroidvania passen. Aber in Outland wird die richtige Route immer vorgegeben. Das Spiel ist also komplett linear, selbst wenn diese Route mal wieder in vorherige Gebiete zurückführt. Wobei es sich regelmäßig lohnt, die Ecken der Karte abseits der Hauptroute abzusuchen um Upgradeschreine zu finden sowie Gold für diese einzusammeln.
Die Geschichte um mörderische Götterschwestern aus Licht und Schatten (rot und blau?) ist belanglos, sie ist klar nur dazu da die Levels etwas zu verbinden. Dafür sieht das farbenfrohe Design wirklich gut aus. Mit den Farbwechseln, den Gegnern und den vielen Energiekugeln wird Outland später schon herausfordernd, aber es fordert nur an ganz wenigen Stellen annähernd die Konzentration eines Bosskampfes bei Hollow Knight, auch die Sprungpassagen sind kürzer und einfacher. Dazu hat Sterben aufgrund der häufigen Checkpoints praktisch keine Konsequenzen.
Wer diese Art von Spielen gerne spielt kann auch Outland spielen und bekommt damit einen kurzen Lückenfüller, der die Spielzeit über durchaus Spaß macht. Denn das Leveldesign ist gelungen, es bietet immer wieder neue Herausforderungen zum Knobeln. Aber der große Wurf ist es leider nicht geworden, trotz des wirklich netten Designs. Dafür fehlt an spielerischer Tiefe und insgesamt an Atmosphäre.
Mein Rückblick aufs Studium, Teil 1: Bachelor Informatik TU Darmstadt
Ich habe viel Zeit an der Uni verbracht, darüber aber hier nur selten geschrieben. Mittlerweile arbeite ich seit ein paar Jahren und das Studium wird mehr und mehr eine ferne Erinnerung. Zeit, ein paar Erfahrungen festzuhalten.
Der Start war ein Informatikstudium an der TU Darmstadt, das ich vor fast genau einer Dekade abgeschlossen habe. Es war nur ein Bachelorstudium, den Master machte ich anderswo. Die Rahmenbedingungen waren gut: Die TU galt als gute Uni. Auch wenn es noch Diplomstudenten gab – einer davon wurde unser D&D-Dungeonmaster – war der Umstieg vom Diplomsystem mittlerweile fertig, es gab auch keine Wahl mehr, das schuf Fakten und Klarheit. Unsicherheit kam von den asozialen Studiengebühren, doch die wurden mir im ersten Semester erlassen und im zweiten dank Ypsilanti ganz abgeschafft. Das Studium selbst war von Seiten der Universität ziemlich toll organisiert, aber es war viel Arbeit und die Zeit insgesamt für mich ziemlich chaotisch.
Der Ablauf des Studiums
Da es keine Zulassungsbeschränkung gab saß ich am Anfang des Studiums mit sehr vielen anderen neuen Studenten in völlig überfüllten Hörsälen. Am schlimmsten war da Mathe 1, da passten die Leute nichtmal mehr auf die Stufen neben den Stühlen. Das blieb natürlich nicht so: Es würde mich sehr wundern, wenn mehr als 50% das Studium abgeschlossen haben, zudem sparten sich bald selbst viele die weitermachten die Vorlesungen.
Die Übungen waren sowieso wichtiger: In ihnen kam der Stoff vor, der dann in den Prüfungen getestet wurde. Geleitet wurden diese Übungen meist von Studenten, als Nebenjob. Alle meine Prüfungen waren schriftlich, mündliche Prüfungen gab es in anderen Kursen, aber sie waren selten und galten als schwierig. Bei allen regulären Vorlesungen gab es am Ende stattdessen eine schriftliche Prüfung. Ohne irgendeinen Tests an Scheine zu kommen war mit dem Diplomsystem so ziemlich abgeschafft worden, ging aber noch in Seminaren – da wurde dann eine Präsentation bewertet. Das war natürlich der große Stressfaktor: Dass man durch Prüfungen und nach dreimaligen Scheitern an einer Prüfung sogar durch das ganze Studium durchfallen konnte. Zum Glück blieb mir der Drittversuch erspart, aber nicht alle Prüfungen konnte ich auf Anhieb bestehen. Auch deswegen war es die oben erwähnte chaotische Zeit.
Die Massenvorlesungen am Anfang deckten die Grundthemen ab. Grundlagen der Informatik (GDI), Formale Grundlagen der Informatik (FGDI), Technische Grundlagen der Informatik (TGDI), Mathe. Davon gab es jeweils drei Kurse, nur TGDI blieb bei zweien. Nach den ersten Semestern kamen dann Kanonikfächer hinzu, "Einführung in X" – Computational Engineering, Computer Microsystems, Foundations of Computing, Human Computer Systems, Data and Knowledge Engineering und Net Centric Systems.
Gegen Ende gab es noch Wahlpflichtfächer, wo man sich aus einer Auswahl von Themen die seinen raussuchen konnte, das war die minimale Spezialisierungsmöglichkeit. Bei mir wurde das Kryptographie, Mensch-Computer-Interaktion (HCI) und Künstliche Intelligenz. Man musste ein Bachelorpraktikum abliefern, aber was da die Optionen waren krieg ich nicht mehr zusammen. War das mit der Bachelorarbeit kombiniert? Denn die galt es ganz zuletzt zu schreiben, wobei man dafür noch einen Kurs besuchen konnte und dann mit Kommilitonen den Fortschritt besprach, was sehr hilfreich war.
Studiumsinhalte
Worum ging es jeweils? Ich werde nicht alles durchgehen, will aber einen Eindruck der wichtigsten Inhalte geben.
In GDI ging es ums Bauen von Software. Am Anfang schlicht ums Programmieren: Wir lernten erst Scheme (jetzt Racket, ein LISP), dann Java, programmierten zusammen ein Spiel und lernten über die Komplexität von Algorithmen (O-Notation). Und das war alles GDI 1. An spätere Inhalte erinnere ich mich weniger gut. Ein kurzer Abschnitt wurde in C programmiert. Aber wir müssen auch Stoff über Wasserfallmodelle, Pflichtenhefte, Designpatterns und UML gehört haben – das meiste davon war anders als die erste Vorlesung im Nachhinein irrelevant, aber gut zu wissen dass es das mal gab. Spezielle Algorithmen wie Quicksort kamen später auch vor, das war schon hilfreicher, auch Datenstrukturen wie Bäume waren ein wichtiges und nützliches Thema.
FGDI war Logik. Meine Anleitungen um einen Zustandsautomaten zu mimieren und zum Markierungsalgorithmus stammen daher, ob das nun FGDI 1 oder 2 war ist mir unklar. Anfangs ging es um Grundlagen wie Prädikatenlogik. Ich habe es gehasst, die Artikel landeten im Blog um mir Inhalte ins Hirn zu prügeln und anderen zu helfen. Ich muss aber zugeben, dass es später hilfreich und notwendig war solche formalen Logikausdrücke lesen zu können. FGDI 3 war etwas anders: Da ging es um die Verifikation von Programmen. Die wurden dafür in einer Spezialsprache geschrieben und ihre Richtigkeit musste dann Annahme für Annahme bewiesen werden. Auf der einen Seite absurd komplett nicht praxistauglich, auf der anderen konnte man sich vorstellen, wie das irgendwann doch praxistauglich werden könnte, es hieß sogar Prozessorhersteller würden das bereits machen (und später las ich, sie hätten das größtenteils aufgegeben).
TGDI hasste ich nicht, aber diese technischen Grundlagen hatte ich nie gehabt. Und-, Oder-, XOR-Schaltungen, Verilog und damit irgendwas anfangen – ich schnappte ein paar Grundlagen auf und kam durch die Prüfung. Im zweiten Kurs ging es dann mehr um Prozessorarchitekturen. Ob wir hier oder in GDI in Assembler programmiert haben krieg ich nicht mehr zusammen, aber das war auf jeden Fall spaßig.
Bei Mathe kann ich kaum noch auch nur die Inhalt benennen. Mathe 1 und 2 war ein wilder Mischmasch von irgendwelchen Mathematikkenntnissen – irgendwas mit Reihen, Ableitungen, Beweisen. Mathe 3 war Computation (und Statistik?), also Mathematik vom Computer lösen lassen, was oft andere Ansätze braucht. Das hatte etwas Berechtigung. Aber Mathematik wie es dort zuvor gemacht wurde war ein pures Aussiebefach und vermittelte wenig, was irgendwie hängenblieb oder ich bisher nochmal gebraucht hätte. Teilweise wiederholten sich Inhalte in den spezialisierteren Fächern, die waren dann relevant und gut sie schonmal gehört zu haben, Gruppen beispielsweise. Aber hätte es kein Siebfach gebraucht hätte man Mathe schlicht weglassen und die Inhalte dort lehren können wo sie benutzt wurden.
Bei den "Einführung in X"-Fächern ging es um ganz verschiedene Themen. Bis jetzt lernten wir ja nur allgemeine Grundlagen. Net Centric Systems z.B. konnte dann über Netzwerke und über das Internet reden. Es ging auch darum grob die Forschungsbereiche der Informatik abbilden. Die Wahlpflichtfächer gingen da dann später etwas tiefer, für die, die Interesse an einem bestimmten Thema hatten.
Besondere Inhalte und Lektionen
Besonders prägend war Grundlagen der Informatik. Wegen dem Fach mit seinen Inhalten waren die meisten Studenten in dem Studiengang, mich eingeschlossen. Tatsächlich lernte man dort dann auch viele Konzepte, die für jeden Programmierer völlig relevant sind: Objektorientierte und funktionale Programmierung, Datentypen, Rekursion, Komplexität, aber auch generell das Entwerfen von und Arbeiten mit Algorithmen sowie das Planen von Programmen.
Trotz diesem praktischen Aspekt des Studiums wurde gepredigt, dass ein Informatiker Konzepte lernt und die dann in jeder beliebigen Programmiersprache anwenden kann. Ich merkte später: Das stimmt nur so halb. Um abstrakte Konzepte wirklich anzuwenden muss man die Sprache beherrschen, das braucht Übung mit ihr. Bevor ich Ruby lernte – eigenständig im Master – konnte ich zum Beispiel faktisch kaum Serveranwendungen bauen, völlig egal ob ich die Konzepte drauf hatte. Aber es stimmt, dass sich viel übertragen lässt, und zwischen ähnlichen Sprachen zu wechseln ist kein großes Problem. Es stimmt aber auch der Vorwurf am Hochschulstudium, dass selbst das Bachelorstudium noch zu abstrakt ist um den Studenten wirklich das Programmieren beizubringen. Das müssen sie aus eigenem Antrieb zusätzlich oder später machen, selbst GDI mit seinem Praxisteil schafft nur wenige Grundlagen. Oder zumindest war das damals so.
Was stimmte: Die Predigt vom Dekan ziemlich am Anfang des Studiums, dass er keinen von uns in gewöhnlichen Studentenjobs sehen will, wir seien alle jetzt schon als Programmierer beschäftigbar. Naja, vielleicht galt das nicht für alle, aber tatsächlich waren die Anfangsinhalte die wichtigsten und Firmen hätte mit den motivierteren Studenten definitiv arbeiten können.
Wieviel weiteres nützliches man aus dem Studium ziehen konnte hing aber auch von den Wahlpflichtfächern ab. Meine Themenwahl sehe ich heute noch mit Wohlwollen.
Künstliche Intelligenz war vor dem aktuellen Boom, neuronale Netze ein veraltetes Nischenthema. Trotzdem oder gerade deswegen war die Vorlesung super – denn KI hat im Kern das Thema, das mich an Informatik anfangs so faszinierte, nämlich wie man mit Algorithmen Probleme lösen kann. Der auf einem Infotag präsentierte Dijkstra-Algorithmus, der ein Wegfindeproblem lösen kann, hatte damals erst den Ausschlag gegeben dieses Studium zu wählen. Ich sehe KI als die komprimierte Essenz der Informatik, entsprechend spannend war die Vorlesung. Wobei ich wenig konkrete Inhalte aus ihr bisher anwenden konnte, wohl aber viele Ansätze.
Kryptographie zu belegen war überraschend lohnenswert, weil IT-Sicherheit in jedem Projekt ein Thema ist und die Grundlagen von damals mich immer noch tragen. Zudem war der Professor Johannes Buchmann, der es einfach drauf hatte die Vorlesung interessant und verständlich zu halten. Ich glaube, das war auch die Vorlesung für die ich RSA in Bash implementierte, was ein bisschen zeigt wie locker man das Thema angehen konnte.
Außerdem war HCI ein prägender Kurs zu Usability. Als Informatiker fand ich das besonders toll, weil es einen Weg vorwärts versprach wie man alles andere anwenden konnte. Nicht nur viel wissen, sondern auch herausfinden können was man überhaupt bauen soll und womit Nutzer umgehen können. Damit wollte ich weitermachen, also wurde das Thema mein Masterstudium – was nicht ganz klappte, aber dazu später mal mehr.
Und schließlich, etwas allgemeiner: Diese übliche Prophezeiung, dass im Studium viele gute Leute zusammenkommen und die dann auch oft besser sind als du, in Darmstadt stimmte das für mich. Auch eine Erfahrung.
Leben als Student in Darmstadt
Nach etwas Eingewöhnungszeit wurde das Studieren zum Alltag. Ich besuchte die Vorlesungen fast immer, nahm an den Übungen teil, und füllte die verbliebene Zeit mit anderen Dingen.
Am Anfang hatte ich keine Zeit über, denn anfangs bin ich von meinem Heimatort nach Darmstadt gependelt, was großer Mist war. Dass ich seitdem mit einer kurzen Ausnahme nie wieder gependelt bin ist kein Zufall. Erstens kriegte ich anfangs vom Studentenleben wenig mit, zweitens fühlte ich mich wegen der unsicheren Heimreise in Darmstadt nicht wohl, drittens schadete es der Motivation an den Vorlesungen und Übungen teilzunehmen und damit dem Studium. Gerade kommt mir der Gedanke: Man konnte beides damals nicht von Zuhause machen, vielleicht ginge zumindest die fachliche Seite mittlerweile trotz der Distanz etwas besser?
Später wohnte ich im Studentenheim, das half sehr. Es gab dort aber die absurde Situation, pfeilschnelles Internet zu haben, aber nur 10 oder 20 GB Traffic, danach wurde die Leitung für den Monat abgeschaltet. Ich hoffe, das ist heute Geschichte – ah, sie sind jetzt bei 120GB, das sind immer noch nur 2 AAA-Spiele. Peinlich. Und es half anfangs nicht gerade beim Sicherheitsgefühl in der neuen Heimat.
Studentenjobs an der Uni dagegen waren eine gute Sache für mich. Eine Weile war ich Mentor für Erstsemester, ihr einer Pflichttermin. Diese Tätigkeit hatte abgesehen der üblichen Anliegen der Menties bezüglich mancher Studieninhalte so gar nichts mit Informatik zu tun, das war eine interessante Erfahrung. Später als Tutor in Übungen lernte ich immerhin noch, wie schwer diese Rolle ist und wieviel man von dem Stoff auch wieder vergessen hat.
In meiner Freizeit verbrachte ich als Informatiker viel Zeit vor dem Rechner, klar. Von Darmstadt habe ich nicht viel mitbekommen, um in Cafes rumzusitzen zum Beispiel hätte mir auch schlicht das Geld gefehlt. Aber so ein bisschen Studentenleben nahm ich doch mit: Mit Jugger eine ungewöhnliche Sportart; Serien bekamen durch das Studentennetzwerk eine neue Bedeutung, Filme ebenso durch den Mathefilmabend (mit schlechten Filmen) und dem Studentenkino im Audimax (mit besseren); auf Vorschlag einer Kommilitonin lernte ich mit ihr Salsa, ich war und bin darin untalentiert, aber es war aus Gründen später eine der wichtigsten Sachen die ich hätte lernen können. Die D&D-Gruppe erwähnte ich oben über den Spielemeister, eine Brettspielgruppe fand sich auch, meine erste. Ein paar Klischees erlebte ich zudem: Den sich nie als nützlich erweisenden Sprachkurs, krude Charaktere in WGs, sogar eine für mich gescheiterte WG, ein paar wenige Studentenfeiern.
Man kann sich ja gerade bei Informatik auf den Standpunkt stellen, dass das Studium nicht lohnt. Einfach alles relevante online lernen, oder eine Ausbildung im Unternehmen machen und so früh wie möglich mit dem Arbeiten anfangen, beides bringe am Ende durch die gesparte Zeit mehr Gehalt. Stimmt monetär vielleicht. Aber wenn nicht gerade eine Pandemie alles sowieso blockiert, dann verpasst man so eben auch dieses Leben. Das zwar bei all der Arbeit, dem geringen Einkommen und dem dauernden Prüfungsstress auch nicht immer toll war, aber im Nachhinein echt keine schlechte Zeit.
Fazit
Man wurde im Informatikstudium mit Stoff bombardiert. Das schaffte viele Grundlagen, um Neues zu verstehen und auch anzuwenden. So brauchte ich beispielsweise diesen Schubs, um die praktische Funktion von Datenbanken zu verstehen und in meine Projekte einbauen zu können. Generell wurde alles was irgendwie praxisrelevant war besonders interessant: Beispielsweise auch der Bayes-Algorithmus wegen meinem Bayes-Spamblockplugin. Aber das funktionierte auch andersrum: Praktisch alles, für das ich einen Zugang finden konnte – was mir nicht komplett unergründlich war – hatte in den Folgejahren nochmal irgendwie eine Relevanz. Selbst manche der Mathematikkenntnisse, sogar die Logikformeln aus den formalen Grundlagen erleichterten später mindestens das Lesen mancher Veröffentlichungen.
Gut, manches war zu speziell oder ist mittlerweile veraltet. Das Wasserfallmodell als Entwicklungsmodell mit Lasten und Pflichtenheft zum Beispiel – klar gibt es das noch, aber es ist aus gutem Grund nicht der Standard. UML-Diagramme hätte man auch weniger machen können, damit Programme zu planen wurde sicher nicht die Zukunft der Programmierung. Wobei: No-Code-Programmierung baut ja irgendwo schon auf den gleichen Ideen auf, dafür gibt es derzeit verstärkt Aufmerksamkeit. Bei den Software-Designpatterns weiß ich nicht mehr, ob meine bis heute anhaltende kritische Haltung vom Dozent vermittelt wurde oder ob ich damals schon ihre Probleme wahrnahm. Aber das Thema zeigt die Gefahr, dass man an der Uni auch Dinge lernen kann, die einem Programmierer in der Praxis eher schaden – wie das übertriebene Anwenden von Designpatterns.
Doch insgesamt: Für jemanden, der später Software bauen wollte, war das Informatikstudium in Darmstadt eine gute Wahl. Dass ich mir ein eigenes Bachelorarbeitsthema aussuchen konnte, direkt einen tollen Betreuer fand und daran dann auch noch bei der Telekom arbeiten konnte war dann noch ein guter Endpunkt eines guten Studiums. Rückblickend muss ich auch loben, wie gut die Uni ausgestattet war (schon der PC-Pool im Keller mit sauber funktionierenden Linux-Computern), wie fähig die Professoren Vorlesungen hielten und wie gut das Studium organisiert war, abgesehen nur vom damals fast unschaffbar überfrachteten dritten Semester.
Müsste ich nochmal von vorne anfangen, würde ich direkt wieder dieses Studium wählen und auch wieder nach Darmstadt gehen. Stattdessen ging es mit einem Master weiter, über den es auch einiges zu erzählen gibt.
Linksammlung 38/2021
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
Windows 11 will be the new Vista (or Windows 8), heißt es bei dedoimedo. Klingt stimmig.
Ich werde aufpassen und nicht jeden Artikel von diesem Blog verlinken, aber No Man’s Land, Part I: The Trench Stalemate ist wieder eine tolle Erklärung einer furchtbaren Situation.
Nach einem Monat erklärt dieser Artikel: The Framework is the most exciting laptop I've ever used. Dazu gab es eine ellenlange Diskussion bei HN. Zu viel um alles zu lesen, aber mir scheint, viele Kommentatoren fühlen sich von den Laptopherstellern verarscht die behaupteten, ein Laptop wie das von Framework könne man nicht bauen. Und einige andere meinen, Apple verteidigen zu müssen. Auf jeden Fall hat dieses Framework-Laptop einen riesigen Effekt.
Computerbase hat seine Testmethode verbessert. Grafikkarten 2021 im Test: Leistungsaufnahme moderner GPUs neu vermessen bringt ziemlich andere Ergebnisse, überraschenderweise schneiden AMD-Grafikkarten bei den neuen Tests (die nicht mehr alle unter Volllast sind) viel besser ab als vorher.
Die Geschichte der Game Developers Conference
Jörg Langer hat eine echte Doku über die GDC gedreht:
Ich habe sie mir komplett angeschaut und sie ist wirklich gut geworden. Die Games Developer Conference ist ja die große Konferenz für Spieleentwickler, sie ist die Quelle so toller Präsentationen wie dem auch hier verlinkten Talk von Warren Spector über Deus Ex.
Aber gestartet ist die Konferenz ganz klein. Langer als Spieleredakteur war recht früh dabei und kannte viele der alten Akteure. Das ermöglichte ihm jetzt einen viel größeren Zugriff als man von einem deutschen Redakteur, der sich mal an Videodokus versucht, erwarten würde. Davon profitiert die Dokumentation enorm. Denn die redeten auch über das große Drama der Konferenz, eine Spaltung und Kommerzialisierung gegen den Willen des Hauptgründers.
Finanziert von GamersGlobal-Nutzern ist die Doku danach gefloppt, wenige Leute haben sie gesehen. Das hat sie nicht verdient, auch deswegen noch die (reichlich verspätete) Blogerwähnung hier.
Review zu Murdered: Soul Suspect
Murdered: Soul Suspect beginnt, als eigentlich alles schon vorbei ist. Der Serienmörder wirft den Polizisten Ronan, den ihr spielen werdet, durch ein Fenster und erschießt ihn. Doch er steht wieder auf – als Geist, gefangen auf der Erde im Ort Salem. Um ihr zu entfliehen muss erst der verbliebene Fall gelöst werden.
Rätseln…
Das versucht ihr dann also in den nächsten Stunden. Siebeneinhalb beschäftigte mich das Spiel, bis es komplett zu Ende war. Spielerisch gibt es dabei gar nicht so viele Elemente.
Zum einen gibt es Tatorte zu untersuchen. Es wird angezeigt wie viele Indizien es zu finden gibt, das sind dann zum Beispiel die Glassplitter des durchbrochenen Fensters oder gar die Mordwaffe, aber auch phantastischere Elemente wie verbliebene Hologramme, die ihr interpretieren müsst. Sind genug oder alle gefunden müssen in einem kleinen Puzzle die relevanten Fakten ausgewählt werden, wobei die Fragestellung dazu eingeblendet wird. Das ähnelt L.A. Noire, nur mit abschließender Faktenauswahl statt Verhören.
Als Geist sind eure Möglichkeiten abseits und während dieser Aufgaben beschränkt. Ihr könnt in Menschen hineinfliegen und ihre Gedanken lesen, an vorgegebenen Stellen durch Auswahl von vorher gefundenen Indizien ihre Gedanken beeinflussen, oder selten durch ihre Augen Indizien sehen. Katzen könnt ihr ganz steuern, das ermöglicht das Erreichen von versteckten Orten. Manchmal können Geisterweltelement eingeblendet oder entfernt werden, sodass dann neue Bereiche zugänglich werden. Und schließlich kann als Polstergeist noch Technik gestört werden, was dann z.B. Wachen ablenkt und euren Verbündeten an ihnen vorbeischleichen lässt.
Denn ganz alleine seid ihr nicht: Neben anderen Geistern können auch Medien euch sehen, Ronan wird im Laufe der Handlung mit einem Medium zusammenarbeiten. Die Gespräche zwischen den beiden sind ganz nett gemacht. Auch Ronans Hintergrundgeschichte wird im Laufe der Zeit weiter ausgebreitet, sie ist nicht umwerfend originell, aber ausreichend um das Spiel etwas auszuschmücken. Gleiches gilt auch für die Haupthandlung – den Serienmord mit seinen natürlich okkulten Elementen aufzudecken überrascht selten und ist auch nicht besonders spannend erzählt, ist aber gerade ausreichend motivierend.
…und Dämonen vermeiden
Gefahr drohte in den oben beschriebenen Spielmechaniken nicht, nur Rätsel nicht beantworten zu können wird nach drei Fehlversuchen zum Problem. Das wäre arg gemächlich, dachten sich wohl die Entwickler, und bauten noch Dämonen ein. An wenigen Stellen fliegen die auf festen Routen durch die Gegend. Ronan kann sie von hinten erwischen und dann mit einem Quicktimevent exorzieren. Verkackt ihr den oder sehen die Dämonen euch davor, muss man sich in festen Geistersilhouetten verstecken, zwischen ihnen hin- und herwechseln wenn die Gegner diese prüfen und dann abwarten, bis die Dämonen die Suche aufgeben. Scheitert das Verstecken geht es zum letzten Checkpoint.
Quicktimeevents gibt es auch wenn ihr auf einen Höllenschlund tritt. Bei einem Scheitern geht es hier direkt zurück zum letzten Checkpoint, der zum Glück meist sehr nah ist.
Diese Mechaniken empfand ich eher als nervig denn als spannend, vor allem die Dämonen. Einmal erwischt dann schon wieder warten zu müssen ist einfach nicht spaßig. Gleichzeitig sind die Quicktimeevents im Grunde zu einfach. Entweder hätte es da ein anderes Kampfsystem geben sollen, oder gar keins (ein Entdecken den direkten Tod bedeuten), oder die Dämonen einfach nicht im Spiel sein sollen.
Fazit
Das Rumwarten bei den Dämonen wird nervig, aber der Rest des Spiels nicht. Dafür ist es zu kurz und größtenteils zu kompetent gemacht, sodass es ein unterhaltsames Spiel bleibt. Nur selten funktionieren die Rätsel einfach nicht, dann ist der eine fehlende Hinweis nur durch Zufall zu entdecken. Beispielsweise muss einmal nach Entdecken von anderen Hinweisen die Gedanken eines Zeugen gelesen werden, dessen Gedanken man aber schon vorher lesen konnte und der da nur belangloses von sich gab. Darauf konnte man nicht kommen. Auch bei den in den Leveln verteilten (und belanglosen) Sammelobjekten haben die Entwickler danebengegriffen – fast in jedem Level war genau eines unauffindbar.
Die Grafik ist nicht beeindruckend, und wohl thematisch passend sind die Szenen sowieso leider immer dunkel. Dafür läuft das Spiel auch mit schwacher Hardware stabil und gut, und hässlich sieht es nun auch nicht aus.
Insgesamt wirkt Murdered: Soul Suspect (das von 2014 ist) wie eines dieser selten gewordenen Mid-Budget-Spiele. Nicht Indie, nicht AAA; nicht schlecht, aber auch nicht herausragend. Ist es per Bundle schon in der Spielesammlung ist es durchaus spielenswert, mehr noch wenn man Lust auf ein Detektivspiel hat, dann darf man sogar bei einem Sale zugreifen. Nur zu hohe Erwartungen sollte man dabei nicht haben.
Linksammlung 37/2021
Diese Woche fand ich erwähnenswert:
Please Stop Closing Forums And Moving People To Discord schreibt Kotaku und hat völlig Recht damit.
WebAuthN - Passwordless registration and authentication of users erklärt diesen Standard, der Passwörter unnötig macht. Für Webseitenbetreiber eine Alternative zu Portier.
9/12 ist ein Auszug aus Snowdens Memoir und redet gar nicht so sehr über 9/11, sondern um dessen Auswirkungen auf seine damalige Psyche. Und damit allgemein über die damalige Radikalisierung der USA.
Es gab Verletze bei IAA-Protesten in München aufgrund von Polizeibrutalität. Deutschland hat weiterhin ein Polizeigewaltproblem.
Serendipity 2.4-beta1 bringt Kompatibilität mit PHP 8.0
Serendipity hat gestern eine neue Version bekommen: Die 2.4-beta1, die jetzt auch hier in meinem Blog läuft.
Die Hauptänderung: PHP 8.0 wird sauber unterstützt
Wer hier mitgelesen hat kennt die Hauptmotivation hinter dem neuen Release: PHP 8.0 kam raus, brachte viele Änderungen und forderte damit auch viele Änderung vom alten Serendipity-Quellcode. Nicht alles davon Sisyphusarbeit, weil die Änderungen bei den Warnungen auch ein paar Bugs entlarvten, doch vieles war unnötiges Gedrängsel wo sich die Sprache künstlich dumm stellt – aber gut, jetzt ist es halt erledigt. Der PR von surrim gibt glaube ich einen besonders guten Eindruck davon, was für diese Kompatibilität erledigt werden musste.
Man beachte den PHP8-Upgrade-Guide falls mit dieser Serendipity-Version die Gelegenheit zum Upgrade auf PHP 8 genutzt wird.
Wer eigene Erweiterungen an Serendipity vorgenommen oder eigene Plugins laufen hat sei etwas beruhigt: Man sollte die zwar gut testen, aber Serendipity verschweigt jetzt auch in der Beta einfache Warnungen, was alten Plugins und Themes zugute kommt. Wohlgemerkt: Im Kern sind alle Warnungsquellen repariert worden, beim schweigsameren Warnungsverhalten geht es um Kompatibilität mit PHP 8 für alten Code der nicht vom Projekt kommt. Wobei das manche Plugins und alte Themes auf Spartacus einbezieht, denn auch dort gibt es welche ohne Maintainer.
Diese Änderung des Warnungslevels geht zusammen mit dem Beheben einiger Bugs bei der internen Fehlermeldungsfunktion, wodurch die erst jetzt so funktioniert wie sie einmal gedacht war. Das betrifft allerdings vor allem Entwickler, die Alpha-Versionen benutzen.
Dazu: UTF8MB4
Aber PHP 8.0 war tatsächlich nicht die einzige große Änderung. Bei MySQL ist Serendipity vor vielen Jahren in eine Falle gerannt: UTF8 konnte man zwar aktivieren, aber das war gar kein UTF8, sondern nur eine Teilmenge. UTF8MB4 wurde gebraucht, aber das war inkompatibel mit wichtigen Funktionen. Mittlerweile gibt es dafür Lösungen, die schon letztes Jahr in Serendipity aktiviert wurden. Sie brauchten noch Feintuning. Diese erste Beta dient auch der Frage: Funktionieren diese Änderung auch außerhalb unserer Testumgebungen?
Bei Neuinstallationen ist es einfach: Da wird einfach die neue Datenbank mit dem richtigen Zeichensatz angelegt, wenn die Datenbankengine neu genug ist. Upgrades sind das schwierigere Thema. Die Intention des Codes ist, die gleiche Prüfung zu machen und wenn dann schon UTF8 sowieso an ist, dann den Zeichensatz zu wechseln, was in Tests funktionierte. Im Idealfall ist das unsichtbar und danach können einfach mehr Zeichen gespeichert werden, wie Emojis.
Und eine Sammlung an Änderungen und Fixes
Abgesehen von diesen großen Brocken würde ich das Release als ein konservatives einschätzen. An der Oberfläche im Frontend hat sich praktisch gar nichts sichtbares, im Backend nur wenig sichtbares getan. Aber nicht nichts, und hinter den Kulissen noch etwas mehr.
Im Eintragseditor ist das Datumsfeld nun aufgeteilt, weil Browser mit einem Widget für datetime
nach jetzt zu vielen Jahren Wartezeit immer noch nicht angekommen sind. Jetzt gibt es eben ein Eingabefeld fürs Datum und eins für die Zeit, was Browser dann doch unterstützen. So sieht es bei mir im Firefox aus:
Ähnliche Verbesserungen betreffen den Umgang mit Bildern. Die responsiven Bilderfunktion sollte etwas geschickter Thumbnails wählen, sodass kleine Bilder nicht so leicht unscharf werden. Und die Mediendatenbank hat einen Bug behoben bekommen, bei der nach dem Upload von Bildern vom Editor aus ein anschließendes Ordnerwechseln zur Standardmediendatenbank führte, von wo der Upload nicht durchzuführen war. Der Bug hat mich hier persönlich im Blog lange genervt. Nette neue Bonusfunktion: Beim Einbinden neuer Bilder in Einträgen wird das Attribut loading="lazy"
gesetzt, wodurch sie nicht sofort Laden, sondern erst wenn weiteres Scrollen sie bald sichtbar machen würde. Das sollte vielen Blogs einen netten Performanceboost in der Praxis bringen, gerade ihren Startseiten.
Natürlich, wie bei jedem neuen Release, gab es Updates der gebündelten Libraries. Dort hab ich etwas Chaos aufgeräumt, das ich mit einer umständlichen composer-Einbindung angerichtet hatte. Die Updates betreffen auch den CKEditor. Bei dem wurden zum einen ein paar alte Zöpfe abgeschnitten, sodass seine Konfigurierbarkeit sehr viel beherrschbarer sein sollte. Außerdem wurde die Standardkonfiguration angepasst (nach Rückmeldung im Forum), sie sollte jetzt ein paar typische Probleme im WYSIWYG-Modus umschiffen.
Es gab relativ tiefgreifende Fixes für die Multisprachunterstützung, die der Performance dienen sollten und auch Fehler in dieser Funktion beheben (von stephanbrunker). Die Tokengenerierung für die Aktionen bei den Emails ist jetzt sicherer (von hannob). Der Installer prüft jetzt, ob das benötigte XML-Modul vorhanden ist (von UweKrause). Und die Liste ginge noch deutlich weiter, wenn ich jetzt weiter durch die Commits gehen würde.
Ich hoffe, die neue Version gefällt den Serendipity-Bloggern. Mir liegt diese Version sehr am Herzen – zum einen, weil sie angesichts des sich langsam nähernden Endes von PHP 7 (7.4 bekommt reguläre Updates bis November 2021, Sicherheitsupdates bis November 2022) notwendig war, aber auch weil die Arbeit am Code meiner Wahrnehmung nach diesem sehr geholfen hat. Es tat gut, das lange schwelende MySQL-Zeichensatzproblem anzugehen, und auch einige alte Zöpfe im Code abzuschneiden. Und gefühlt war ich seit 2.0 mit der Smartymigration des Backends nicht mehr so involviert, davor sowieso nicht.
Bis alle Plugins mit PHP 8.0 kompatibel sind steht noch etwas Arbeit an, aber damit das in einem guten Tempo im Ganzen gelingt braucht es Hilfe, kurz: Mehr aktive Entwicklung. Serendipity ist einfach insgesamt ein ziemlich großes System. Auch bei den alten Themes könnte man viel machen und mit PHP 8.1 steht im Kern dann die nächste Migration an. Das schafft Modernisierungsdruck, aber auch -potential. Für neue Entwickler wäre Serendipity gerade und in naher Zukunft ein ziemlich spannendes Projekt, da kann ich nur einladen.
Linksammlung 36/2021
Diese Woche fand ich beachtenswert:
Renzo zerstört wieder die CDU. In Zerstörung Teil 2: Klima-Katastrophe (Video) zeigt er besonders deutlich die dreiste Korruption dieses Selbstbedienungsladens und auch ihr vollständiges Scheitern an der Klimakatastrophe.
Passend dazu: Der Wahl-O-Mat für die Bundestagswahl ist freigeschaltet.
Bei Collections: Teaching Paradox, Victoria II Part III: World’s Fair geht es in die Tiefe eines alten Paradoxspiels und was es über Geschichte sowie Geschichtsverständnis aussagt. So wird nur selten über Spiele geredet.
Las Vegas On the Edge of Apocalypse berichtet über eine Reise nach Las Vegas und wie die Stadt mittlerweile funktioniert. Ich mochte den Ton.
Avernum 3: Ruined World, das bisher merkwürdigste gute Remake
Avernum 3 ist etwas besonderes. Es ist ein 2018 veröffentlichtes Remake eines Rollenspiels von 1997, Exile III: Ruined World. Aber es ist kein modernes Remake, sondern höchstens auf dem Stand von ~2000. Was aber ein größerer Sprung ist als es jetzt klingt, weil Exile III damals nicht sehr modern war (wobei sich die Technik damals wohl extrem schnell entwickelte). Das alles ist auch noch die Arbeit eines Mini-Entwicklerstudios, das aus einem Ehepaar besteht. Doch das Ergebnis: Ein 60 Stunden langes, spaßiges, ungeheuer klassisch und altmodisches aber doch sehr spielbares Computer-RPG.
Das Szenario
Dieses Spiel zieht viel aus seiner Story, deswegen beginnen wir am besten hier. Gleichzeitig will ich nichts spoilern. Aber Avernum 3 als dritter Teil einer Serie hat schon am Anfang so viel Stoff, um eine Geschichte ersichtlich weiter zu erzählen, dass auch ich jetzt hier genug Material haben und das kein Problem sein sollte.
Avernum ist eine Untergrundwelt. Das Imperium beherrscht die Oberwelt und verbannte alle Verbrecher, aber auch Dissidenten hierher. Nach einer Weile gründeten die ihre eigene Nation, kolonisierten die vorher von Dämonen bewohnte Höhlensysteme, und kämpften dann gegen das Imperium. Dessen finsterer Herrscher wurde bereits ermordet, der Gegenschlag abgewehrt, jetzt steht nach Jahren der Vorbereitung der nächste Schritt an: Die Oberwelt zu erforschen und einen Platz an der Oberfläche zu ergattern.
Dafür werden kleine Expeditionen ausgesendet. Der Gruppe des Spielers ist die zweite davon. Sie besteht aus vier Mitgliedern, die zu Spielbeginn erstellt oder im Standard belassen werden können. Die Klasse (grob: Krieger, Fernkämpfer, Magier, Priester) bestimmt die Startfähigkeiten, die Rasse gibt Boni – neben Menschen gibt es noch zwei Fantasierassen als Alternative.
Dass ihr die zweite Expedition seid hat einen Grund: Die erste ist spurlos verschwunden. Klar, wenn alles problemlos klappen würde gäbe es kein Spiel... Was passiert ist, sollt ihr bei der allgemeinen Erkundung am besten auch noch herausfinden. Aber bevor es an die Oberwelt geht, warum nicht erstmal im Höhlensystem bleiben? Goblins und Banditen bedrohen die Sicherheit der Expeditionsstadt, etwas Erfahrungspunkte und bessere Ausrüstung können der Mission auch nicht schaden. Diese ersten Aufgaben sind praktisch Tutorials, aber in der Unterwelt gibt es noch viel mehr zu tun wenn man will, was einen Vorgeschmack auf die Dichte des Rest des Spiels gibt.
Das Spiel
Ihr steuert also eine Vierergruppe durch diese Welt und löst Aufgaben. Dabei gibt es unterschiedliche Ebenen. Einmal die Weltkarte, auf der die Gruppe in klein herumläuft. Dort gibt es Ereignisse, die in kleinen Textboxen erzählt werden, Orte wie Dungeon und Städte, und Gegner. Bei Orten wechselt die Ebene, die Figuren werden größer und es können wie auch beim Treffen mit Gegnern rundenbasierte Kämpfe ausgetragen werden. Dabei ziehen die Spielfiguren einzeln, können angreifen oder ihre Fähigkeiten wie Zaubersprüche benutzen.
Quests und Kämpfe bringen Erfahrung, Erfahrung bringt Levelaufstiege, bei denen dann erst Attributspunkte, dann Fähigkeiten und schließlich gelegentlich moderat mächtige Perks gewählt werden können. Das muss man unbedingt nutzen um seine Charaktere zu spezialisieren. Meine Gruppe hatte zwei Nahkämpfer, Schwert und Speer, wobei der erste noch ein bisschen defensiver gebaut war, einen Priester und eine Magierin. Das ist die vorgeschlagene Standardkonfiguration. Wobei das Charaktersystem sehr frei ist, Priester wie Magier beispielsweise könnten mittels eines Perks auch Rüstung tragen und müssten dann gar nicht alternativ zur Magie auf Fernkampfwaffen zurückgreifen.
Generell geht es vor allem darum Quests zu erledigen, die sauber im Tagebuch aufgelistet werden. So wie am Anfang für den Avernum-General die Goblins und Banditen getötet werden sollen. Dabei gibt es durchaus mal Entscheidungen: Den Banditenanführer könnte man auch laufenlassen, wobei er dafür das mitgeführte Gold fordert. Diese Aufgaben führen durch das Spiel, so wie der eigene Boss anfangs auf die Oberwelt verweist, wird später von Mission zu Mission verwiesen. Gespräche gibt es also auch, sogar sehr viele davon, in denen sehr viele Informationen (manchmal repetitiv) an den Spieler getragen werden.
Dabei werden sehr oft frühere Errungenschaften beachtet: Dann greift eine Schmugglerbande nicht an, wenn die Gruppe früher mal für ihre Organisation Drogen geschmuggelt hat. Oder abgewendete Katastrophen in der einen Stadt sorgen für Respekt beim Bügermeister der nächsten Stadt. Dadurch, und weil es so viele Städte und Regionen mit jeweils eigenen Questreihen gibt, wirkt das Spiel unheimlich dicht.
Die Kämpfe sind weniger komplex. Das Magiesystem kennt Schadenszauber mit verschiedenen Elementen als Basis, Beschwörungen, Buffs und Flüche, der Priester kann zudem heilen. Die Nahkämpfer haben Spezialfähigkeiten, aber die einzige mir sinnvoll erscheinende war das Auffüllen der Aktionspunkte, wodurch er dann mehrmals angreifen kann. Magie ist für den Flächenschaden zuständig, die Kämpfer mehr zum Blockieren der Gegner, wobei ein Perk dann auch noch dafür sorgt, dass Gegner bevorzugt den Kämpfer angreifen. Wobei die Nahkämpfer gegen einzelner Gegner auch sehr gut Schaden austeilen können, sind sie ordentlich bewaffnet.
Gute Ausrüstung zu finden fühlt sich in Avernum toll an, weil das durchaus eine Weile dauert und es spürbare Unterschiede gibt. Generell ist das Fortschrittsgefühl toll, weil nach eine kurzen Weile die Anfangsgegner keine Chance mehr haben, aber immer neue Herausforderungen bereitstehen. Und das Spezialisieren der Gruppenmitglieder zum Bewältigen der vielen Kämpfe und wechselnden Gegnertypen – die auch immer wieder neue Fähigkeiten haben – macht Spaß.
Grafik und Technik
Gebaut ist das alles mit minimalen Mitteln. Oder vielleicht trifft es eher: Mit minimalem Fluff. Musik? Gibt es nur im Hauptmenü und kurz beim Betreten einer Stadt. Ah, und im Intro und Outro. Audioeffekte? Beim Drücken von Buttons, Zuschlagen und Getroffenwerden, Zaubern und wenn Gegner sterben. Animationen sind minimal, die isometrische 2D-Grafik wirkt selbst im Vergleich eines Baldur's Gate steril. Und ich meine Baldur's Gate 1, von 1998. Ausrüstungsgegenstände haben keinen Einfluss auf das Aussehen der Spielfigur. Man muss sich wirklich angucken wie Exile III damals aussah um sich zu überzeugen, dass es sich bei Avernum 3 wirklich um ein technisch modernisiertes Remake handelt. Die Engine damals war von 1995 oder älter, die des Remakes ist wohl – wahrscheinlich modernisiert, aber im Kern – von 2001. Entsprechend minimal die Hardwareanforderungen: 1,2 GHz, 512 MB Ram, 256 MB VRAM.
Andererseits haben ein paar der Zaubersprüche Effekte, die schon eher aus diesem Jahrtausend stammen. Die Welt ist riesig, die Dungeonkarten nicht zu klein und es gibt ein paar überraschend dynamische Langzeiteffekte. Wie Städte, die zerstört werden können. Oder Kleinigkeiten wie Mauern, die eingerissen werden können. Das reduzierte Interface und ein paar der Tastenkürzel wirken auch weniger altbacken.
Aber getragen wird das Spiel klar von der Größe der Spielwelt, der Anzahl der Quests, dem Rollenspiel, der Story und auch der Kämpfe, nicht von der Technik.
Bedienung
Die Bedienung ist eine wilde Mischung. Teilweise sind Spielelemente und damit ihre Bedienung hoffnungslos veraltet: So hat jeder Charakter sein eigenes Inventar, das aber hat kein Gewichtslimit, was einfach nur zu dadurch noch unnötiger wirkendem Inventarmanagement zwingt. Und herumliegende Gegenstände sammelt man mit einem Druck auf G, während F den Kampfmodus beendet, was bei Kämpfen auf der Weltkarte zurück zur Weltkarte führt und die Gegenstände verschwinden lässt. So praktisch wie fehleranfällig!
Manche der altmodischen Eigenheiten entpuppen sich aber als ziemlich nett. So können Angriffe wie Zaubersprüche immer auch mit der Tastatur statt der Maus ausgelöst werden. Ist die Magierin am Zug drücke ich M, um das Magiemenü zu öffnen, A um den Feuerball auszuwählen, dann nochmal A oder B oder C oder … um einem der entsprechend markierten Gegner mit dem Feuerball Schaden zuzufügen. Es ginge auch mit der Maus, die Menüs sind nichtmal schlecht, aber mit der Tastatur geht es eben schneller.
Und dann gibt es auch immer wieder Elemente, die ich als modern wahrnehme. Wie einen eigenen, unbegrenzt großen Ablageort im Inventar für zu verkaufende Gegenstände. Die Weltkarte hat Questmarker, echte Questmarker! Und in jedem Textfeld gibt es einen Knopf, um den Gesprächsabschnitt permanent ins Tagebuch zu übertragen und so nachlesbar zu machen, was man dank der guten Spielerführung aber relativ selten braucht. In den Ladebildschirmen werden großzügige Tipps zum Spiel präsentiert, bei den ersten Kämpfen erklärt ein Overlay die Bedienung. Es gibt eine Automap. F1 öffnet sogar ein ziemlich umfangreiches Kompendium, das weitere Spielemente erklärt.
Mit einem wirklich alten CRPG hätte ich zu kämpfen, aber mit dieser Mischung kam ich dank der gegebenen Hilfen gut zurecht. Es ist deutlich zu spüren, wie wichtig es dem Entwickler war neuen Spielern eine faire Chance zu geben.
Fazit
Wer wie ich die wirklich alten Computerrollenspiele verpasst hat, der kann mit dem ihnen angelehnten Avernum 3 trotzdem viel Spaß haben. Es fühlt sich an, als könnte man alles was man beim CRPG-Addict aufgeschnappt hat einmal selbst anwenden. Wobei man da aufpassen muss: Mir war schnell die Geschichte völlig klar, als ob ich bei ihm ein Review des Originals gelesen hätte. Das findet sich aber in dem Blog nicht. Ob Exile III und damit Avernum 3 da fröhlich Storyelement von Ultima oder anderen Spieleserien übernommen hat, wie die magieablehnende Sekte, die ich nur aus dem Blog kenne? Oder hatte ich irgendwo anders mal eine Zusammenfassung gelesen und mir damit viel der Handlung gespoilert? Doch das dürfte eine sehr individuelle Vorbedingungen gewesen sein.
So erkenne ich auch ein paar Designentscheidungen von Diskussionen über alte CRPGs wieder. Wie Trainer, die gegen Gold Skills steigern und Zaubersprüche lehren. In Mauern versteckte Schalter. Events, die in Text statt in Grafik beschrieben werden. Oder die vielen in der Welt verteilten Items, die der Spieler zwar aufsammeln kann, die aber keine Funktion haben. Kessel zum Beispiel, die haben nichtmal einen Verkaufswert. Andere haben wenigstens geringen Wert, wie Kristalle oder Lederhosen. Aber ganz selten werden einige wenige sogar für Quests gebraucht, so will einmal ein Bürgermeister drei gewöhnliche Marmorstatuen. Was mich dazu brachte, von allen Deko-Gegenständen wenigstens ein paar zu sammeln, die dann natürlich nie gebraucht wurden. Woher soll der Spieler das wissen? Manchmal schlägt das altmodische Spieldesign negativ durch.
Ansonsten ist dann doch soweit modernisiert, dass man mit ihm trotz der fehlenden Erfahrung mit dem Original zurechtkommt. Modernisiert ist dabei zwar keinesfalls modern, wie klargeworden sein sollte. Aber könnte ansonsten ein Indiespiel eine 60-stündige Rollenspielgeschichte mit einer so riesigen Welt aufziehen? Ich bezweifel es. Insgesamt fand ich Gefallen an diesem klassischen CRPG, schätzte die moderneren Elemente und hatte viel Spaß meine Gruppe stärker werden zu sehen sowie nach und nach die Quests in dieser neuen Welt zu lösen.
Ich habe Avernum 3 dabei keinesfalls zu 100% durchgespielt, aber doch 65 Stunden gebraucht um die Hauptstory und viele Nebenquests zu erleben. Es läuft perfekt mit Proton unter Linux.
Der Entwickler hat noch ein paar Tage einen Kickstarter für den zweiten Teil einer neuen Spieleserie am Laufen, Queen's Wish 2: The Tormentor. Hört sich sehr anders, aber auch durchaus interessant an.
Linksammlung 35/2021
Diese Woche fand ich beachtenswert:
Mozilla VPN Completes Independent Security Audit by Cure53 ist eine gute Sache. Mozilla hat zwar vor allem ein Managementproblem, aber eine zusätzliche Finanzierung neben den Suchmaschinendeals wird der Organisation nicht schaden.
Linux on the Framework Laptop wird komplett unterstützt, man braucht nur einen frischen Kernel. Saucool auch, dass die günstigere DIY-Variante ohne Windows sich besser verkauft, Linuxer könnten deren Zielgruppe sein.
Die Technik und Kryptographie hinter dem digitalen Impfzertifikat wird in Decoding EU Digital COVID Certificate erklärt. Nebenbei: Wieder mal ein schöner Serendipity-Blog.
Bei der Steam-Umfrage August 2021 ist Linux weiter über 1 %, das bestätigt das Ergebnis der vorherigen Umfrage. Mehr Linuxnutzer macht die Plattform für Spielehersteller attraktiver, sodass bei weiterem Wachstum die mehr auf Kompatibilität achten werden – und bis dahin erledigen das die Protonentwickler mit Valve.