maiLab: Corona geht gerade erst los
Das war mir tatsächlich nicht klar. Ich hatte geahnt, dass die Quarantäne länger dauern wird als anfangs kundgetan, aber dass sie so lange nötig sein wird? Und es damit noch gar nicht erledigt ist? Autsch. Schaut das Video an, sie erklärts.
Coronawasserstandsmeldung
Seit der Rückkehr aus Griechenland ist der Alltag vom Coronavirus geprägt. Das sind jetzt etwas mehr als zwei Wochen, die ich soweit möglich in Quarantäne verbringe. Das ausgefallene Serendipitytreffen war im Blog sichtbar, vieles andere nicht. Zeit, kurz zu beschreiben wie das hier aussieht.
Größte Änderung ist wahrscheinlich die Heimarbeit der Miturlauberin. Statt unter der Woche im Büro zu verschwinden sitzt sie jetzt mit mir im (übergroßen) Arbeitszimmer. Mir gibt das etwas andere Arbeitszeiten vor, denn solange sie arbeitet mache auch ich nur wenig anderes. Vorher war das weniger strukturiert, da fing meine Arbeitszeit öfter mal auch etwas später an und ging dann in die Nacht rein.
Wir hatten schon vorher einen Wocheneinkauf drauf, dazu ging dann meist ich nochmal in die Stadt und holte was fehlte. Und es wurde oft mindestens einmal am Wochenende irgendwo auswärts gegessen. Jetzt haben wir stattdessen für zwei Wochen Vorräte eingekauft, langsam nähern sich die dem Ende und wir müssen wieder raus. Lieferdienste für Supermärkte gibt es hier übrigens nicht.
Das natürlich ist der andere große Unterschied: Möglichst zu vermeiden rauszugehen ist eine ganz andere Einstellung als zuvor, als mal wieder die Wohnung zu verlassen etwas positives war. Wobei es dafür doch eine ganze Reihe von Gründen gab, zum Beispiel Spieleabende, erst letzten Monat war ich gar auf einem Spielewochenende, oder einfach so mit Freunden essen. All das fällt jetzt aus.
Wie fast alle sind wir eingebunkert, aber nicht abgeschnitten. Zwar verfolge ich die Nachrichten, aber nur sporadisch. Nachrichten zu lesen ist verstörend, das galt vor der Epidemie und jetzt noch mehr. Andererseits kann man sich nicht ganz abkapseln, was passiert ist wichtig zu wissen. Das will ausbalanciert werden.
Die Besorgnis darf nicht überhand nehmen, aber sie ist natürlich da. Die kommende Rezession passt so wirklich gar nicht in meinen Plan. Gleichzeitig ist da auch ein Funken Wut. Nur Kranke zu testen, die in Kontakt waren mit Leuten, bei denen der Coronavirus diagnostiziert wurde – das war grundfalsch. Es war doch völlig absehbar, dass sich der Virus dann selbständig macht; Wenn nur einmal einer nicht erwischt wurde, werden dann alle von ihm infizierten nicht getestet. Und genau das ist passiert. Nichts war bereit, auch die Ärzte nicht, wie ich selbst mitbekommen habe wurden noch lange nach Ausbruch der Epidemie Leute mit allen Symptomen beim Arztbesuch in volle Wartezimmer verfrachtet – trotz Risikozone NRW. Komplettversagen.
Ich bin gespannt, wie lange die Quarantäne anhält und hoffe sehr, dass die Neuinfektionszahlen bald sinken. So wie es bis jetzt aussieht kommen wir gut zurecht. Ich kann problemlos noch deutlich mehr Zeit mit minimalem Außenkontakt verbringen. Aber mit dem Hintergrund der weiter wachsenden Pandemie ist das nicht angenehm.
Oh Gott, die Abiprüfungen könnten ausfallen
Die Diskussion über die Abiturprüfungen finde ich völlig absurd. Jetzt sollen sie doch stattfinden, vorher sollten sie ausfallen. Finden sie statt, ist es die falsche Entscheidung und zeigt, dass noch genug im System verhaftete die Bedeutung dieser Krise nicht verstanden haben.
Völlig auf die Spitze treibt es dieses Interview in der Zeit mit Bildungsforscher Olaf Köller, der sich darüber beklagt dass ohne Prüfungen die Noten anders verteilt wären.
Nehmt diesen Wortwechsel:
Köller: Im Gymnasium macht das ein oder zwei Zehntelpunkte der Gesamtnote aus.
ZEIT: Das sind minimale Unterschiede.
Köller: In Fächern wie Psychologie oder Medizin entscheiden solche Unterschiede darüber, ob man einen Studienplatz bekommt. Das bedeutet, dass die jetzigen Abiturienten gegenüber dem Jahrgang von 2019 oder auch dem von 2021 einen Vorteil haben werden. Denn die Jahrgänge bewerben sich ja nicht immer alle geschlossen für einen Studienplatz. Geradezu jubeln dürfen dieses Jahr alle Schüler, die ihr Abitur nicht auf einem Gymnasium ablegen, sondern auf Gesamtschulen, Sekundarschulen oder beruflichen Gymnasien.
Da ist das Problem doch nicht die nicht oder doch stattfindende Prüfung! Wenn Zehntelnoten über Studienzulassungen entscheiden, wird doch völlig offensichtlich, dass das momentane NC-System das Problem ist.
Etwas Kontext. Ich hatte eine ziemlich gute Abiturnote, für meine Schule zumindest. Danach war ich lange an der Uni im MINT-Bereich – weil ich das volle Programm durchgegangen bin, Bachelor, Master, Doktorat (in Frankreich), Post-Doc (an einem deutschen Forschungsinstitut). Erstsemester als Mentor zu beraten war im Bachelor mein Nebenjob. Und ich kann eines mit absoluter Gewissheit sagen: Die Abiturnote bedeutet gar nichts.
Teilweise ist eine hohe Note eher ein Warnsignal, wofür ich selbst ein gutes Beispiel bin. Da mein Studium Fächer beinhaltete, in denen ich (trotz guter Note) nicht stark war, war ich im ersten Semester ein eher schlechter Student. Und fiel prompt durch eine wichtige Prüfung durch. Richtig zu lernen hatte ich in der Schule nicht gelernt, bzw: Zum Glück hatte ich es (mit einer Lernpartnerin für Mathe) doch etwas kennengelernt, nur beileibe nicht gerafft, dass ich es jetzt immer so machen muss. Denn an der Uni ist jede Prüfung auf dem Level einer Abiturprüfung. Der Unterschied ist, dass sie zu einem für das Studium relevanten Thema ist. Es kommt Unmengen an Stoff ran, man muss Lösungen auswendig wissen, einfach zu kombinieren – was in der Schule je nach Fach reicht – können hier nur noch die allerwenigsten. Wären meine Noten in der Schule etwas schlechter gewesen, hätte ich das mit dem konsequenten Lernen besser drauf gehabt, dann wäre mir das Studium gerade anfangs leichter gefallen.
Deswegen geht mir nicht in den Kopf, wie jemand mit Ahnung vom System ausfallende Abiturprüfungen beklagen kann. Jedem mit auch nur minimalen Einblick in den Universitätsalltag solle klar sein, dass die Noten außerhalb der künstlichen Strukturen beim Zulassungsverfahren komplett bedeutungslos sind. Da selbstverschuldet und künstlich aufrechterhalten, ist das ein einfach zu lösendes Problem. Richtig wäre: Prüfungen ausfallen lassen – selbstverständlich! Selbst eine minimale Ansteckungsgefahr ist noch viel zu groß für so ein bedeutungsloses Ritual – und den NC abschaffen. Der ist doch sowieso nur eine Krücke, um fehlende Ressourcen zu verschleiern. Er sortiert nicht die geeigneten Kandidaten auf den richtigen Studienplatz, sondern ist eine Zufallsfunktion als Filter, mit dem zu wenige Studienplätze an zu viele Interessenten verteilt werden. Was grundgesetzwidrig ist, egal was die Richter sagen.
Es ist das Studium selbst, das filtern sollte. Und idealerweise nicht strikt mit Noten. Vielmehr müsste es darum gehen, den Studenten die spätere Arbeit zu zeigen und dafür das nötige Wissen anzubieten. Jeder merkt dann selbst sehr schnell, ob er dafür geeignet ist oder nicht. Ist er es nicht? Dann mach was anderes. Ist er es? Dann ist die Note schnuppe.
Mir ist klar, dass in einem begrenzten Umfang Prüfungen da helfen können: Wer keine Ahnung von Biologie hat, ist vielleicht später kein toller Forscher für Medizin. Wer die Grundlagen der Informatik nicht versteht, bekommt später wahrscheinlich auch bei einem Job Probleme, der sie benötigt. Da ist eine Prüfungsnote dann auch ein gutes Signal an den Student selbst. Aber sollte das die Regel sein, braucht man für diese Erkenntnisfunktion für jeden Kurs eine universitäre Abiprüfung? Nein. Spielt hier die Abiturnote noch irgendeine Rolle? Nein!
Damit Studenten frei wählen können fehlen die Ressourcen? Dann schafft sie herbei! Wir sehen doch gerade, dass wenn gewünscht Geld im Überfluss vorhanden ist. Dann muss nach der Coronakrise eben ein echtes Paket für die Universitätsfinanzierung aufgesetzt werden, sodass jeder sein Wunschstudium zumindest ausprobieren kann.
PS: Es gibt eine systemerhaltende Lösung für Konservative. Statt den NC abzuschaffen kann man ihn runtersetzen. Sodass eben nicht mehr entscheidet, ob der Schüler eine 1.0 oder eine 1.1 hatte, sondern ob er eine gute Note oder eine schlechte hatte. Gut könnte alles über 3.0 sein. Schärfere Abstufungen wären verboten. Wer wirklich glaubt, dass Abiturnoten grob etwas aussagen, der sollte damit zufrieden sein. Und entschärft trotzdem den Wahnsinn der Bedeutung der Zehntelnoten. Das verhindert zudem, dass manche Studiengänge einen Notenschnitt fordern, der an einigen Schulen grundsätzlich unerreichbar ist Damit wäre zwar nicht alles toll – wenn jemand mit einer 3.1 ausgefiltert wird bliebe das ungerecht, es wäre immer noch Filtern nach bedeutungslosen Kriterien. Aber diese Ungerechtigkeit scheint einer gewissen Klientel deutscher Bürger am Herzen zu liegen. Und es wäre immerhin ein bisschen besser.
Gegen die Nazis
Diese Art von beschämender und widerwärtiger Geschichtsklitterung zeigt, wes Geistes Kind dieser Björn Höcke ist. Höcke ist für mich ein Nazi und die AfD mit ihm auf dem Weg zur NPD 2.0.
…
Dass die AfD am Rand der Verfassungsordnung steht, wird ebenso durch ihre grenzüberschreitende Schmähkritik am Parlamentarismus und den Institutionen unseres Staates deutlich. Wenn im Grundsatzprogramm der AfD von einem "politischen Kartell" gesprochen und damit das Bild einer korrumpierten politischen Clique entworfen wird, delegitimiert die AfD unseren Staat und das parlamentarische System. Das ist weder bürgerlich noch konservativ. Das ist eine staatsfeindliche Politik.
Rezo zu Seehofer
Wer meinen Kommentar zu Seehofers Spielerhetze minus des haarigen Anfangsvergleichs zur Kolumne ausgebaut lesen will, kann das jetzt auf Zeit.de tun. Wie bitte, ob das Neid sei? Aber nicht doch.
Tatsächlich freue ich mich, dass mit Rezo jemand in die Massenmedien kommt, der bisher so viel meiner politische Denke geteilt und einen ähnlichen Hintergrund hat und noch dazu sie massenkompatibel zu vertreten versteht. Klar, die Positionen werden nicht überall übereinstimmen, wer vernünftig und lautstark ist teilt z.B. zumindest öffentlich nur selten meine Haltung gegen Diskriminierung. Aber das kann ich später bewerten, wenn es soweit kommt. Jetzt erstmal wichtiger: Der Zeit gratuliere ich zu dem Coup, Rezo zu gewinnen.
Seehofer sucht Schuld für Terroranschlag bei Spielern
Das perfide an Horst Seehofers Schuldsuche in der Gamerszene ist, dass er damit Denkweisen des Naziterroristen kopiert. Nein, er plant keinen Anschlag. Aber er sucht die Schuld für etwas bei Menschen einer vermeintlichen Gruppe, zu der er nicht gehört und die er nicht versteht.
Dabei ist diese Gruppe überhaupt keine homogene und hat sie natürlich nichts damit zu tun, für was diese beiden Männer Schuldige suchen.
Nicht minder perfide ist dieser Versuch der Ablenkung in diesem kritischen historischen Moment. Hey, hier laufen Nazis herum und erschießen Menschen, versuchen Juden in Synagogen zu ermorden! Ihr habt eine Nazipartei im Parlament, die Umfragen und Wahlen gewinnt! Und der zuständige Minister wettert gegen Menschen, die digitale Spiele spielen. Das ist doch unfassbar. Wie stark müssen da alte Feindbilder der konservativen Technikfeinde eingebrannt sein, wie stark die Verteidigungsstrukturen gegen die Erkenntnis, dass die BRD ein Naziproblem hat? Das seit vielen Jahren besteht und immer ignoriert wurde, jetzt aber nicht mehr ignoriert werden kann?
Warum ist Seehofer überhaupt immer noch im Amt? Nach seiner Freude über die 69 abgeschobenen Afghanen zum Geburtstag wäre es bereits an der Zeit gewesen zu gehen.
Es muss Schluss sein mit dieser Hetze, ob sie jetzt von Seehofer oder von Künast kommt. Millionen Deutsche spielen, 34 Millionen, ein Drittel des Landes. Was von dieser Masse einer organisierten Szene ähnelt hat schon lange gezeigt, dass solche Angriffe nicht geduldet werden (siehe auch die harten Worte von Jörg Langer bei GamersGlobal). Wenn Politiker angesichts der Herausforderungen dieser unsteten Zeit, bei Naziterroristen, immer noch in den Feindbildern der 90er denken, wenn sie zu Schablonen des Antiprogressismus des Ende der Geschichte greifen statt sich auf Antiterrorismus zu konzentrieren, dann haben sie offensichtlich die Fähigkeit zur Analyse der Situation verloren, sind sie in Machtpositionen ungeeignet.
Seehofer muss zurücktreten. Eine solchen Terrorangriff für konservative Feindbildpflege zu missbrauchen ist verantwortungslos, es ist unfähig, es ist unerträglich.