Im Anschluss zu den Ausführungen über den linken Dogmatismus soll im folgenden gezeigt werden, mit welchen Phrasen und Verdrehungen Christian Horn (Hochdorff) bei nichtidentisches im Gastbeitrag den Gamestarredakteur Fabian Siegismund ungerechtfertigt als Nazi bezeichnet. Hochdorff bezieht sich dabei auf den Report Geliebter Feind.
Der Hauptvorwurf ist der des Relativismus, der unzulässigen Gleichsetzung verschiedener Ideologien bzw. von Ideologien mit angeblichen Wahrheiten.
In dieser Relativierung kann Siegesmund den Feindbegriff von jeder Realität trennen. Deshalb ist ihm unerklärlich, weshalb deutsche Spieler die nationalsozialistische Soldateska als Feinde wahrnehmen sollten. Er versucht dies mit der vermeintlich starken Symbolik von Uniformen und Abzeichen des 2. Weltkrieges zu erklären, die für ein deutliches Feindbild verantwortlich seien. Nirgendwo erwähnt er, dass der Hass auf die normalen deutschen Soldaten einen realen universellen Grund hat und eben nichts ist, dass erst in irgendeiner US-amerikanischen Spieleschmiede erfunden wird.
Was schreibt Siegesmund in Bezug auf das Feindbild des Wehrmachtssoldaten tatsächlich?
»Wir«, das sind in modernen Unterhaltungsmedien in erster Linie die Amerikaner: Die Filmfabrik Hollywood und die meist in den USA produzierten Computerspiele vermitteln ein Weltbild aus Sicht der Vereinigten Staaten. Das gilt für viele Bürger westlicher Länder als ausreichend akzeptabel, um es im Rahmen eines Computerspiels oder Films als das eigene zu adaptieren. Mit der Folge, dass auch deutsche Spieler einen mit einer Kalaschnikow bewaffneten Araber schnell als Feind akzeptieren – oder gar einen deutschen Wehrmachts-Soldaten. Die Uniformen und Abzeichen des Zweiten Weltkriegs mit ihrer starken Symbolik eignen sich dabei besonders für ein deutliches Feindbild.
Das ist kein Ausdruck des Unverständnis, sondern eine treffgenaue Analyse der Westbindung des modernen Deutschlands. Adenauers Westkurs nach dem Zweiten Weltkrieg bewirkt auch heute noch, dass Deutschland ein westliches Land ist, in die Nato eingebunden und transatlantischer Partner der USA. Ein Deutschland im Rückfall in Naziideologie jedoch würde einen Wehrmachtssoldaten als einen der ihrigen akzeptieren, daher das Feindbild eben nicht. Die Westausrichtung Deutschlands ist eine Ausrichtung an den USA und damit an deren Feindbilder - das erklärt das sogar, denn es ist für eine Nation eher Besonderheit als selbstverständlich, die Figuren der eigenen Geschichte als Feind wahrzunehmen. Über die Berechtigung dieser Besonderheit wird nichts gesagt.
Hakenkreuz oder Hammer und Sichel wirken mächtig, die Ideologien dahinter unaufhaltsam – und diesen muss sich der Spieler nun entgegenstellen.
Diese Aussage Siegismunds sei ein weiterer Relativismus:
In dieser 2. Weltkriegsanalogie setzt Siegesmund das Hakenkreuz sowie Hammer und Sichel als gleichwertige Ideologien, an denen sich Feindbilder festmachen, nebeneinander und ignoriert vollkommen die Tatsachen, dass man etwa in „Call of Duty” auch in die Rolle der sowjetischen Alliierten schlüpft, gleichberechtigt neben der britischen und amerikanischen Partei. Die Spielindustrie kann also etwas, was deutsche Redakteure nicht können, nämlich historisch differenzieren. Die UDSSR wird als Teil der Alliierten keineswegs zum Feindbild gemacht, sondern ihr Einsatz vielmehr gewürdigt.
Betrachtet man die historischen Ereignisse, waren Kommunimus und Nationalsozialismus (bzw. Faschismus) wiederstreitende Ideologien, die nahezu gleichzeitig auftraten und deren Kampf gegeneinander die Geschehnisse massiv beeinflussten. In Weimar bekämpften sich Kommunisten und Nazis in Straßenkämpfen, in der DDR wurden den Nazis entsagende Neukommunisten schnell akzeptiert - weil ein Kommunist kein Nazi sein könne. Die Symbole eignen sich also wirklich hervorragend, um daran Feindbilder festzumachen, gerade wegen der kriegerischen Verbindung in den Köpfen historisch halbwegs gebildeter Menschen.
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Die simple Welt
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Die UDSSR als gewürdigter Alliierter darzustellen ist typischer Dogmatismus. Die UDSSR kämpfte gegen die Nazis war damals also gut, diese Gleichung stellt Hochdorff hier implizit auf. Dem ist natürlich nicht so, Stalins Massenmorde an der eigenen Bevölkerung, seine Nichtwürdigung von Menschenrechten werfen ein dunkles Bild auf diesen Alliierten, der eben nie ein Alliierter war, sondern ein Verbündeter der Alliierten Frankreich, England und den USA. Dementsprechend wird in Call of Duty dargestellt, mit welchen Methoden die Sovjetunion diesen Krieg teilweise führt: Ein Soldat trug Munition, der andere eine leere Waffe, wurde einer erschossen, konnte der andere sich ausrüsten. Das ist im Spiel beeindruckend und erschreckend, gleichzeitig wird durchaus der Beitrag zum Sieg gegen Hitler gewürdigt. Aber eben nicht kritiklos, sondern eine differenzierte Darstellung seitens der Spieleindustrie, wie auch Hochdorff vermeintlich würdigt, aber scheinbar weder versteht noch erreicht.
Hochdorff führt seine Argumentation weiter und schon vorher mit Verdrehungen der Worte Siegismunds, die getrost als bösartig manipulierend bezeichnet werden können. So schreibt er:
Im weiteren Artikel mokiert er sich erkennbar darüber, dass deutsche Soldaten beim Erschießen wehrloser Verwundeter gezeigt und somit als gnadenlos dargestellt würden, ganz so als seien nicht tausende dieser Perversitäten und sadistischen Ausbrüche der ganz normalen Deutschen in Wehrmachtsuniform tatsächlich dokumentiert.
Wirklich schreib Siegismund:
Die außerirdische Vernichtungsmaschine aus Prey lässt nicht mit sich reden, die Alien-Königin aus Aliens vs. Predator will uns nur als Wirt für ihre Eier, und wenn in Call of Duty 5 Wehrmachtssoldaten hilflos am Boden liegende Russen erschießen, dann wird im Spieler der Wunsch laut: »Denen zeig ich’s!« Zweifel an der Richtigkeit des Handelns wird damit minimiert – moralische Ambivalenz und Unsicherheit sind selten in Spielen, die uns in erster Linie unterhalten sollen.
Ein Mokieren sucht man hier vergeblich. Es wird schlichtweg dargestellt, wie durch Brutalität des Feindes die eigene (dann Gegen-)Gewalt gerechtfertigt wird. Mit dieser Methode wird nunmal ein Feindbild erreicht, ob berechtigt oder nicht, und in keiner Zeile schreibt Siegismund, dass diese Darstellung beim Wehrmachtssoldaten unangebracht wäre. Hochdorff stellt dies trotzdem so dar, damit seine folgenden Relativismusvorwürfen mit dem Nazivorwurf an Siegismund unterstützt werden können. Der Text jedoch gibt das nicht her.
Dieses Manipulieren findet sich auch hier:
Ein weiteres konspirationistisches Moment lässt sich bei Siegesmund feststellen: der Hang zur Personalisierung. Für die Spielentwickler Pandemic sei der Umstand, dass Georg Bush die Verbindung zwischen Hugo Chavez und Fidel Castro ein Dorn im Auge sei, Grund genug, die Handlung ihres Spieles „Mercaneries 2? nach Venezuela zu verlegen. Pandemic bedient demnach keinen zahlungskräftigen Markt, der hungrig ist nach möglichst aktuellen Settings, sondern die Wünsche eines scheidenden Präsidenten.
Tatsächlich sind unter Bush Venezuela und die USA in eine Konfliktsituation geraten, z.B. beim versuchten Putsch gegen Chavez. Siegismund schreibt jedoch nicht, dass alleine die persönliche Abneigung Grund für das Feindbild in Mercenaries 2 sei. Sondern genau das, was als Alternativ- und angeblich verneinten Grund angeboten wird:
Und für Pandemic Grund genug, sich die im Spiel geschilderten Konflikte auszudenken. Denn wenn ein Feindbild schon nicht an ein historisches oder gar aktuelles Szenario anknüpfen kann, dann muss es zumindest ein glaubwürdiges sein.
Hochdorff scheint den Report nichtmal gelesen zu haben.
Der eigentliche Vorwurf bezieht sich nicht alleine auf den Report Siegismunds, sondern schlägt einen Bogen zu einer angeblich verbreiteten "Unart" in Deutschland: Wie in konspirationistischen Enthüllungsgeschichten soll dem Spieler die angeblich verheimlichte Wahrheit „bewiesen” werden.
Diese Spiele (Anm.: Islamistischer Spielemacher) nehmen nicht wie die westlichen Spiele mit aktuellem bzw. historischen Setting Anleihen an der Realität und interpretieren diese bzw. lassen den Spieler interpretieren, sondern wollen unmittelbar die Wirklichkeit nach ihrem Bilde formen. Dadurch wird Realität (vergangene und gegenwärtige) zu einem gigantischen Lügengebäude zurechthalluziniert. Die Fälschungen sind austauschbar, wenn es darum geht die „Wahrheit” zu kaschieren. Die Realität wird damit selbst zum Schein und die Verbindung bestimmter gesellschaftlicher Momente mit ihr für den Konspirationisten nicht mehr erfahrbar.
In diesem Abschnitt steckt der Kern der ganzen Vorwürfe und der ganzen Fehlleistung Hochdorffs. Er behauptet, dass in westlichen Spielen die Realität anlässlich historischer Fakten gezeichnet, in islamistischen die Realität verdreht werde. Und so einfach ist es eben nicht. Wenn ein Spiel in einem komplexen historischen Komplex abspielt, gibt es nicht nur ein gut und ein böse. Wie sieht das in westlichen Spielen aus, in denen kritiklos der gute Amerikaner gegen die bösen Russen kämpft, oder dieses Klischee im Krieg gegen Aliens genutzt wird? Sicher gibt es islamistische Spiele, die eine zionistische Verschwörung propagieren, basierend auf Antisemtisimus und purer Hetze. Doch wenn heute ein Spiel über den Krieg im Gazastreifen gemacht wird: Wer ist dann gut, wer böse? Der israalische Soldat gut, weil er seine Heimat verteidigt? Der Hisbollahkämpfer, weil er ebenso seine Heimat verteidigt? Der israelische Soldat böse, weil er unschuldige Kinder erschießt? Der Hisbollahkämpfer, weil er sich mit ihnen in die Luft sprengt? Die Welt ist nicht so schwarz und weiß, wir sind nicht nur gut und nicht nur böse, und daher können auch Feindbilder berechtigt sein, die gegen uns gehen. Gute Spiele geben das wieder, indem sie versuchen, möglichst viele Facetten zu zeigen, wie eben Call of Duty bei der Sovjetunion oder ein Deus Ex mit der Geschichte hinter der Geschichte und der ansatzweisen Unvorhersagbarkeit von Freund und Feind.
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Freund oder Feind? Schuldig oder Opfer?
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Hochdorff dagegen bietet im Fazit eine eigene Antwort auf diese Fragen an:
Die Realitätsgebundenheit der Feindbilder „Wehrmachtssoldat” und “islamischer Terrorist” sowie die Differenz in der Genese und Präsentation von Feindbildern insgesamt ignoriert Siegesmund, weil er sie nicht (mehr) versteht. Er offenbart im Zuge seines Aufschwungs vom Spieletester zum Gesellschaftskritiker seine Anschlussfähigkeit an das konspirationistische Denken westlicher und islamischer Antisemiten und ist damit Ausdruck des neuesten deutschen Nationalismus und seiner Ideologie der Äquidistanz und postmodernen Gleichmacherei.
Abgesehen von der Arroganz. die in dem diagnostizierten "Aufschwung" vermittelt wird und dem Versuch der Unkenntlichmachung durch Fremdwörter, steckt hier eine unhaltbare Aussage ohne Sinn und Verstand: Der Versuch der differenzierten Betrachtung der Berechtigung von Feindbildern oder die Kritik an solchen Dogmatismen wie die Hochdorffs in diesem Beitrag sei also deutscher Nationalismus, Äquidistanz und postmoderne Gleichmacherei, sprich: faschistoide Hetze. In Wirklichkeit ist es Äquidistanz im positiven Sinne: Der erforderlichen Neutralität bei der differenzierten Betrachtung von Feindbildern, um daraufhin mittels des eigenen Verstandes, historischen Wissens und Gewissens eine Bewertung vorzunehmen, die über ein "gut" und "böse" hinausgeht. Mit Nationalismus hat das nichts zu tun, das Wort steht dort nur, um Kritikern Antisemitismus unterstellen zu können, da jede Israelkritik, die differenziertes Denken bewirken kann, in solchen Kreisen automatisch Antisemitimus ist.
Doch geht das über den Artikel Siegismunds hinaus. Denn er urteilt nicht politisch. Er will zeigen, dass sich Feindbilder an den kulturellen Hintergrund anpassen - und unabhängig von dem Nazivorwurf Hochdorffs ist ihm das gelungen.