Obwohl eine Kulturflatrate viele Probleme aufweisen könnte, würde sie natürlich (mehr?) Probleme lösen. Außerdem würde sie interessante Folgen für jeden einzelnen haben.
Das freie globale Netz
Eine Kulturflatrate entspräche bei entsprechender Ausgestaltung der Übertragung der Privatkopie in den digitalen Raum. Es bedeutet, dass Tauschbörsen völlig angstfrei benutzt werden könnten, abgesehen von etwaiger Schadsoftware. Das wiederum bedeutet, dass einige der Anforderungen an moderne Tauschbörsen völlig entfallen. Es wäre in Deutschland schlichtweg nicht mehr notwendig, die Netzwerke auf größtmögliche Dezentralisierung und Anonymität auszulegen. Natürlich kann beides noch sinnvoll sein, wegen Ausfallsicherheit und Datenschutz, aber es wäre nicht mehr so unbedingt nötig, um die Teilnehmer vor Klagen und Serverstilllegungen zu schützen.
Dementsprechend könnte die Präsentation der Daten im Internet eine völlig andere werden. Beispiel Torrent: Während Piratebay groß und relativ sauber ist, bestehen immer noch viele Trackerseiten, bei denen man die Augen vor der Pornowerbung gar nicht verschließen kann, die vollgestopft sind mit Javascript-Popups und die generell zu den dunkleren Orten des Netzes gehören. Eine Kulturflatrate würde nun Seiten ermöglichen, die sauber und seriös gestaltet sind, Musikkritiken, die direkt das Album verlinken - Seiten, wie sie auch unsere Eltern benutzen würden.
Direkte lokale Netze
Thema Eltern: Warum ist derzeit noch nicht in jedem Mehrfamilienhaus jeder PC miteinander direkt verlinkt, in einer kleinen privaten Tauschbörse? Technisch wäre das machbar, aber erstens ist der Aufwand für einen Laien groß und zweitens wäre das nicht unbedingt legal. Es würde höchstwahrscheinlich über das legale Maß eine Privatkopie hinausgehen, wenn die ganze Musiksammlung offen liegt. Welcher Spießbürger wäre dazu bereit?
Eine Kulturflatrate könnte hier die legale Lage und damit die Einstellung der Menschen grundsätzlich ändern. Es wäre hoffentlich nicht mehr länger illegal, und daher nur noch eine Frage des Willens und Könnens. Techniken stehen bereit: Mit dem Direct Connect-Protokoll wird das schon jetzt gemacht. Problematisch für die meisten Häuser dürfte hier aber der zentrale Hub sein, der restlos entfallen müsste. Lokale Friend-to-friend-Netzwerke könnten hier die Antwort sein. Eine potentielle Marktlücke wäre dann das einfache Erstellen eines solchen, ein findiger Hersteller würde das gleich mit der entsprechenden WLAN-Hardware (Repeater für jedes Stockwerk u.ä.) kombinieren.
Es wäre eine großartige Möglichkeit und äußerst interessant, welche sozialen Auswirkungen eine solche Entwicklung hätte.
Probleme für iTunes - und die Verteilung
Eine Kulturflatrate wäre also nicht unbedingt nur ein Problem der Medienkonzerne. Es könnte gerade iTunes und ähnliche Dienste treffen. In der Positionsdiskussion auf netzpolitik schreibt Volker Grassmuck noch:
Nur sind iTunes und Tauschbörsen nicht das Gleiche. Kostenlos hat seinen Preis: langsame und abbrechende Downloads, ungewisse Qualität und Schad-Software. Da es sich um offene von privaten Peers betriebene Netze handelt, wird sich daran auch nichts ändern, wenn die Kultur-Flatrate eingeführt wird. Deshalb werden kommerziellen Angebote auch dann weiter mit ihnen konkurrieren können.
Genau diese Einschätzung könnte falsch sein. Eine Kulturflatrate würde Möglichkeiten der kommerziellen Verwertung der Daten auch dann ermöglichen, wenn das Netzwerk nicht kommerziell betrieben wird. Sie würde es ermöglichen, dass neue Netzwerke entstehen, die viel weniger unter langsamen Verbindungen und Spam leiden (wobei ich schon heute bestreite, dass kommerzielle Angebote nutzerfreundlicher als illegale Tauschbörsen sind). Und zusätzlich könnten lokale Netzwerke entstehen, die als neue Kultur des Datenumganges den privaten Tausch digitaler Daten ermöglichen.
Ganz nebenbei würde all dies noch das Problem verstärken, dass nicht zu entscheiden ist, in welchen Anteilen die Flatrate an wen ausgeschüttet werden soll.
onli blogging am : RetroShare
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