Dark-Mode für diesen Blog
Wednesday, 20. September 2023
Dieser Blog hat nun einen Dunkelmodus bekommen, der so aussieht:
Um den Vergleich später und im Feedreader einfach zu machen, das normale Design sieht derzeit so aus:
Wie das funktioniert hatte ich für PC-Kombo näher beschrieben. Es war hier sehr ähnlich, es musste relativ wenig CSS in die CSS-Datei hinzugefügt werden, das dann per Media-Query den Dark-Mode aktiviert und vorher gesetzte Farben mit dunkleren Alternativen überschreibt. Auffällig diesmal war, dass ich öfter unset
und ein paarmal inherit
benutzt habe um Farbdefinitionen aufzuheben. Für die Markup-Buttons beim Kommentarformular kam wieder filter: invert(100%)
zum Einsatz, das RSS-Icon dunkelt ein filter: brightness(90%)
ab.
Stilistisch ist der dunkle Modus ziemlich retro geworden. Das passt eigentlich nicht besonders zum Originaldesign, aber ich fand es hatte was, daher durfte es erstmal so bleiben.
Beim regulären hellen Design sind auch ein paar Farbdefinitionen neu. Beim Prüfen des Kontrasts für den Dunkelmodus – übrigens inzwischen komfortabel bei der Farbwahl in Firefox Entwicklerkonsole eingebaut – war mir aufgefallen, dass auch im bisherigen Design der Kontrast teilweise nicht ausreichend war. Beispielsweise war die Linkfarbe zu hell und der weiße Text der Navigationsbuttons oben rechts auf einem zu hellen Hintergrund (was bei gleicher Kombination beim Blogtitel durch dessen Größe funktioniert). Wo es mir auffiel habe ich nachgebessert. Außer einer besseren Lesbarkeit der Seite sollten diese Änderungen aber nicht auffallen.
Meine Erinnerungen an späte LAN-Parties
Monday, 18. September 2023
20 Jahre, so lange dürfte die erste LAN-Party her sein, die ich damals im Freundeskreis in der Kleinstadt gefeiert habe. Die Nullerjahre also und deswegen das "spät" im Titel: Es ist zwar eine Weile her, aber die frühen LANs dürften ganz andere Probleme gehabt haben. Unsere war eine Endzeit – Breitbandinternet kam damals sogar nach Deutschland und zu uns. Auf den ersten LANs gab es bei uns meiner Erinnerung nach gar kein Internet, auf den späteren wurde zwischendurch etwas heruntergeladen, etwa vier Jahre später verlagerte sich das gemeinsame Spielen völlig ins Internet. Selten in der gleichen großen Gruppe, aber wenn zusammengespielt wurde war es danach vom eigenen Zuhause aus, mit viel geringerem Aufwand. Aber auch mit etwas Verlust.
War das wirklich eine Periode von nur etwa 4 Jahren, von 2003 bis 2007? Dass mein erster eigener PC einen Athlon XP 2700+ hatte, der 2002 raus kam, spricht für 2003 als Beginn. Und es kann nicht viel länger gewesen sein: Es war in der Schulzeit, bevor ich wegen der Uni nach Darmstadt zog. Ganz exakt ist das aber nicht, es gab danach noch die eine oder andere LAN mit anderen Leuten. Und möglich, dass etwas vorher schonmal eine LAN mit dem vereinnahmten Familien-PC bestritten wurde. Aber 2003 bis 2007 müsste die Kernzeit gewesen sein.
Organisation geschleppter Monitore
An vier Orte erinnere ich mich: Das Haus von B., der Keller von D., zwei Wohnungen von mir. Mit einer Ausnahme fanden die LANs statt, wenn die Eltern am jeweiligen Ort nicht da waren. LANs waren aufsichtsfreie Zonen, wobei die Eltern gerade anfangs natürlich vorher gebraucht wurden, um das schwere Gerät zum jeweiligen Ort zu fahren (nicht immer, manchmal wurde alles geschleppt, manche von uns wohnten in Laufreichweite). Die PCs waren schwer, die Röhrenmonitore waren schwerer. Wir bauten also daheim PC und Monitor ab. Maus, Tastatur und Kopfhörer (der war aber beileibe nicht Standard, glaube ich) kam in den Rucksack, das Netzwerkkabel durfte nicht vergessen werden, die anderen Kabel auch nicht, die oft vergessene Mehrfachsteckdose war besser dabei, wer hatte packte noch einen Switch ein. Am Ende ging das recht routiniert. War aber natürlich der große Vorteil, wenn die LAN bei mir war, dann gab es für mich nichts zu schleppen, nichts zu vergessen.
Dann wurden wo immer möglich die Computer wieder aufgebaut. Küchentische, Schreibtische, Wohnzimmertische – sie alle wurden belegt. Nicht alle dieser Orte waren komfortabel. Wenn man bedenkt, wie riesig die Monitore waren und wieviel Platz Tastatur und Maus verbraucht wird auch klar, dass wir selten mehr als zehn gewesen sein können. Vielleicht außer bei B., das mehrstöckige Haus bot viel Platz. Jeder brauchte mindestens zwei Steckdosen, deswegen die Mehrfachsteckdosen, die mit einem Ausschalter waren Fallen und schalteten mehr als einmal versehentlich reihenweise PCs ab. Mit den Switches und Netzwerkkabeln wurden die PCs dann verbunden.
Das Verbinden klappte nicht immer. Natürlich hatten wir damals Windows. Die meisten Windows XP, aber M. nutzte lange Windows 2000, D. litt unter dem unbrauchbaren Windows ME. Aber selbst Rechner mit Windows XP sahen sich manchmal einfach nicht im Netzwerk. Die IP-Adresse musste manuell zugewiesen werden, wir wussten, dass die ersten drei Sektionen der IP-Adresse gleich sein muss und die letzte sich nicht doppeln darf. Aber Windows XP hatte auch noch Arbeitsgruppen, die da irgendwie reinspielten. Dazu kamen die Zugriffsrechte, die Windows Netzwerken zuwies. Das alles zu konfigurieren fraß Zeit, wurde aber mit den Jahren besser (durch SP1 und SP2?). Und dann mussten ja noch die Spiele starten, sich ihre Multiplayermodi im Netzwerk sehen. Mehrfach klappte das nicht, wurde der PC neu installiert (wie es bei uns hieß, wenn Windows neu installiert wurde).
Die Spiele
Wo kamen die Spiele überhaupt her? Es waren natürlich anfangs meist Schwarzkopien. Niemals hätten wir uns alle alle Spiele kaufen können, nicht, dass wir es gedurft hätten: Viele unserer Spiele waren ab 18. Oder gar indiziert, wie Command & Conquer: Generals. Unreal Tournament 99 und 2003, Warcraft 3, StarCraft, Counterstrike (meist in Version 1.5) waren andere Kandidaten, dazu kam mindestens einmal Diablo 2, das auf einer kleineren LAN tatsächlich alle besaßen. Deutschlands Zensurwahn traf uns bei dieser Auswahl also voll. Ich habe noch heute einen Hass auf Deutschlands immer noch tätige Zensoren, zeigt unsere Erfahrung doch wie unbegründet die Ängste der Ahnungslosen waren, zum Glück auch wie ineffektiv ihre Kontrollversuche.
Irgendjemand hatte diese Spiele auf der Platte, gab seinen Ordner frei, die Leute zogen den Installer und installierten dann das Spiel. Im Ordner war meist direkt ein Keygen oder Crack mit dabei, je nach Spiel. Manchmal war das Spiel auch von der letzten LAN noch auf der Platte. Eher selten, Festplatten waren klein (meine erste: 80GB).
Das waren außer Diablo 2 daher Spiele, die zumindest ich damals fast nie außerhalb von LANs spielte. UT hatte ich wohl mal via dem Solomodus gegen Bots geübt, bei WC3 den Großteil der Kampagne gespielt. Von CS spielte ich später die Steamversion gelegentlich im Internet, nachdem mir die via Half-Life 2 geschenkt wurde, aber nicht davor. Da war also keine große Erfahrung mit Multiplayer. Das war aber nicht bei allen so, so war J. durch Spielen im Internet richtig gut in StarCraft – so gut, dass durch Training von ihm ein Ausflug ins Battle.net später eben nicht in Niederlage endete. Aber natürlich war es ein Problem, dass man in diesen Spielen ohne Übung wenig Chance gegen erfahrene Spieler hatte. Gekontert wurde das durch Allianzen, sodass dann alle anderen sich spontan gegen den besten Spieler verbündeten. Das führte manchmal zu den besten Spielen, aber manchmal auch zu den frustigsten, gerade für den im Fadenkreuz stehenden. Keine einfache Balance, gerade später nicht, als einzelne Spieler immer besser wurden, andere stehenblieben (so wie B., der trotz Riesentalent später außerhalb LANs höchstens Minispiele spielte).
Command & Conquer: Generals spielten wir auf einer großen Wüstenkarte. Später sogar mit der Erweiterung. Jeder wählte frei seine Fraktion, ich hielt mich gerne an die terroristische GLA, die mit Selbstmordbombern und zusammengebastelten Fahrzeugen etwas untypischer war als China mit seinen regulären Panzern und die USA mit ihren High-Tech-Flugzeugen. Leere Plätze wurde durch KI aufgefüllt. Gab es viele KI-Spieler, wurde es zu einer Art Tower-Defence: Die KI schickte permanent neue Einheiten auf immergleichen Routen an Klippen vorbei, da oben mussten unbedingt Türme und Raketenwerfer stehen. Gebaute Superwaffen mussten vor Ablauf des Timers zerstört werden. Ob mit eigenen Superwaffen oder mit den Generalsfähigkeiten, die bei der GLA z.B. einen Trupp Bomber an einer Stelle der Karte erscheinen lassen konnte. Ohne die KI wurde das ganze etwas flexibler, wurden die Armeen geschickter eingesetzt und gekontert. Aber wir spielten wohl meist mit der KI.
Generals lief auf dieser großen Karte leider nie lange flüssig. Manchmal lag das an einzelnen schwachen Rechnern, flog dieser Spieler dann raus war das gut, weil so der Lag aufhörte. Aber nicht immer, später las ich, dass das Spiel selbst einfach nicht mit großen Einheitenmengen umgehen konnte. Das Verlangsamen des Spielablaufs war unvermeidlich. Desynchs beendeten so einige Partien, die technischen Probleme versauerten uns das Spiel irgendwann.
Warcraft 3 war da anders: Technisch hatte das keine Probleme. Aber WC3 machte einigen im normalen Modus keinen Spaß. Ich denke, dass es zu frustrierend war: Die Skillunterschiede machten zu viel aus. Ohne Taktiken und Wissen über die Stärken und Schwächen der Einheiten hatte man in diesem Spiel keine Chance gegen bessere Spieler, anders als bei Generals, wo einigeln und Masse produzieren immer zumindest eine Weile ging. Also wurden eher Funmaps gespielt: Oft Tower-Defences, auch ein bestimmter Vorgänger von Defence of the Ancients und Abwandlungen davon. Also Karten, die Fans des Spiels gebaut hatten und die das Spiel teils komplett umkrempelten.
Das wiederum machte mir keinen Spaß, mir waren diese Maps oft zu unausgegoren. Gerade unserer DOTA-Variante nahm ich es übel, dass mein Baumheld kein Land sah. Aber auch die Tower-Defences arteten oft aus, sie dauerten lange und waren schlicht nicht immer gut.
Dann lieber ein Shooter wie Unreal Tournament und Counter Strike. Da erinnere ich mich kaum an Details. Sie wurden eben gespielt, auf verschiedenen Karten und Modi mit gemischten Teams. Skillunterschiede schlugen bei diesen Spielen natürlich voll durch, aber in langen Nächten hatten viele Spieler gute und schlechte Phasen. Wobei M. fast nie zu schlagen war. Zu lange konnte man diese Spiele nicht spielen, dafür waren sie zu anstrengend. CS 1.5 ist in diesem Video zu sehen, später wurde auch von uns 1.6 gespielt:
Bei StarCraft erinnere ich mich nicht an Funmaps. Sondern es wurden die regulären Multiplayerkarten gespielt. J. gewann, die Frage war nur wie. Ich erinnere mich an eines der letzten Spiele, als wir anderen endlich gut genug geworden waren ihn beinahe zu schlagen, bis er dann doch unsichtbare Einheiten erreichte und wir gegen die nicht ankamen, die sie enthüllenden Spezialeinheiten nicht parat hatten, er mühsam die große Welle an einströmenden Einheiten zerstörte und doch gewann. Da waren alle stolz auf ihre Leistung. Sowas war ein Erlebnis, ein Höhepunkt der Nacht.
Diablo 2 spielte ich nur einmal mit und habe es bis heute als negative Erfahrung im Kopf. So schnell wie möglich aufs Loot klicken, ohne Lesen einer einzelnen Zeile durch die Kampagne hetzen. Ich mochte D2 und hatte es vorher alleine gespielt, da macht es Spaß, mit einzelnen Leuten war es auch im Multiplayer okay, als LAN-Spiel fand ich es ungeeignet. Es bot einem nichts, was man nicht auch alleine hätte haben können, im Gegenteil, es wurde schlechter. Zeitverschwendung. Bis heute spiele ich Hack'n Slays nicht in Gruppen.
Drumherum
Jugendliche in einer südhessischen Kleinstadt ohne Aufsicht – genau, wir hatten Alkohol und Zigaretten. Die Gruppe hatte es ansonsten nicht mit Drogen, nichtmal Gras. Es waren gute Lerngelegenheiten: Dass etwas Alkohol okay ist und manchen Spielen sogar einen kleinen Schub gibt, aber ansonsten dem Spielen schadet. Die LANs waren meist mehrtägig, sonst lohnte sich der Aufwand nicht, gingen also die Nacht durch und am nächsten Tag weiter, auch kein Argument fürs Trinken. Mehr noch: Viel besser zumindest ein bisschen zu schlafen, von 4 bis Sonnenaufgang, und dann den nächsten Tag halbwegs fit zu sein, als durchzuzocken und dann am nächsten Tag einfach nur kaputt zu sein.
Manche LANs waren jedoch echte Feiern. Dann waren Leute außerhalb des Kerns zusätzlich da, tranken und hörten Musik, waren die Freundinnen dabei und spielten manchmal sogar mit. Andere LANs waren nur wir, fokussiert ganz aufs gemeinsame Spielen.
Aber es waren nicht nur Spiele: Da wir sowieso für die Image-Dateien Ordner freigeben mussten, konnte man auch direkt Musik und Filme mit freigeben. Und von den anderen auf die eigene Platte kopieren. Bei uns war das weniger ein Fokus, als es auf anderen LANs gewesen sein soll. Vielleicht gerade, weil DSL für uns bald schon existierte?
Man sollte meinen, durch diese Abende hätten wir über PC-Technik gelernt, aber dem war nicht so. Es schien nicht wichtig welcher Prozessor in den Maschinen steckte, welche Grafikkarte, wir kannten höchstens die eigene Hardware. Und die konnte meines Wissens keiner von uns ohne weiteres ändern, dafür war neue Hardware viel zu teuer. Spiele funktionierten oder sie funktionierten eben nicht, entsprechend wurde gewählt. Was gelernt wurde war, was für die Situation vor Ort gebraucht wurde: Das Konfigurieren von Windows, das Anbringen von Cracks bei den Spielen. Plus die Spiele selbst – und auch wie wir uns auf Spiele einigen konnten, das war wohl am wichtigsten (kleinste gemeinsame Nenner, oder das eine Spiel und danach das andere, da jeder etwas anderes lieber spielte, manche Spiele von einzelnen ganz geblockt wurden).
Was mir technisch hängenblieb: Dass Kabeltrommeln ausgerollt werden müssen. Als die im Keller von D. überhitzte zerfetzte es einen Monitor, wenn ich mich richtig erinnere meinen. Kaufte ich danach einen neuen? Und das war dann der, der bis zum Umzug nach Siegen hielt? Krieg ich nicht mehr zusammen.
Fast vergessen hatte ich, dass ich einen Pullover speziell diesen LANs gewidmet hatte. Er kam mit, weil es nachts kalt werden konnte. Ein schwarzer Adidas-Pulli, ich habe ihn heute noch. Wie Verpflegung gelöst wurde ist weg – Tiefkühlpizzas, Chips und Süßigkeiten? Kam ich damals schon drauf, dass Bananen für solche Situationen praktisch sind?
Ich habe andere einzelne Bilder im Kopf, von denen ich jetzt gerne Fotos haben würde. Von zugestellten Esstischen, die unter der Last von 100 Kilo an Monitoren bestimmt ächzen mussten. Von Kabelsträngen unterm Tisch, vom die Treppe hochgehenden Netzwerkkabel, von zigfach in Reihe geschalteten Mehrfachsteckdosen – ein Glück, dass PCs damals weniger Strom fraßen. Und klar, von den Freunden, wie sie damals aussahen. Aber es gibt keine Bilder davon, die Telefone hatten keine oder nur unbrauchbare Kameras. Das erste iPhone kam direkt danach, 2007, bis die Technik in Androidtelefonen uns erreichte würde nochmal Zeit vergehen. Und wir hätten damals auch gar keine Fotos machen wollen, dafür war es zu deutlich unser eigener, selbstkontrollierter Raum. Da passten keine Beweisfotos.
Anlass für diesen Artikel war Memories from old LAN parties, was ich nicht lesen wollte bevor meine eigenen Erinnerungen nicht niedergeschrieben waren.
LANs wie die unseren waren ein Phänomen ihrer Zeit. Die Technik musste weit genug sein, um es einfach zu machen und Spiele leicht verfügbar zu haben, sonst wären wir gescheitert. Aber das Internet durfte noch nicht verbreitet genug sein, sonst hätte es keinen Sinn gemacht die PCs und Röhrenmonitore durch die Gegend zu schleppen. Und wir selbst mussten genau unser Alter haben, sonst wären wir zu jung oder zu alt gewesen um die Chance zu nutzen (mit ein bisschen Spiel nach vorne, natürlich hatte es schon vor uns LANs gegeben). Außerdem brauchte es eben diesen Freundeskreis, in dem alle einen PC hatten und spielten.
Ich würde mich gerne an mehr Details erinnern: Wie kamen wir darauf, wer trieb diese Treffen? War es, weil LANs einen Boom hatten und wir es über die Medien aufschnappten? Oder weil wir die Idee von älteren Freunden und Geschwistern der anderen übernahmen? Oder war es einfach, weil Spiele diesen Netzwerk-Multiplayer hatten und wir ihn nutzen wollten, wofür sich dann durch die sturmfreie Bude eine Chance bot? Das werde ich wohl nicht mehr rausfinden.
Aber auch ohne alle Details: Diese Abende und Nächte sind mir wichtige und positive Erinnerungen.
Linksammlung 37/2023
Friday, 15. September 2023
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
LogoScale - A Method for Vectorizing Small, Crappy Logos kann man bestimmt mal gebrauchen.
Das Ende für Apple als Gatekeeper: Diese radikalen Änderungen stehen iPhone-Nutzern ins Haus und sind ein Gewinn für uns alle.
Via der Zerschlagung von Google könnte ein zweiter folgen, The Google Monopoly Trial as a Morality Play ist eine Perspektive darauf.
Wellen schlug Unity’s New Pricing: A Wake-up Call on the Importance of Open Source in Gaming. Die Spiele-Engine Unity hat ein absurdes Preismodell eingeführt, wohlgemerkt nachträglich auch für existierende Spiele, mit einer zu zahlenden Gebühr für jede Installation. Da gerade Unity auch für weitverbreitete Handyspiele mit geringem Umsatz pro Spieler genutzt wird gibt es jetzt Entwickler, die mehr zahlen müssen als sie mit ihren Spielen je eingenommen haben. Soweit man hört arbeiten Teams bereits jetzt massenhaft an Ports zu anderen Engines, Unity ist tot – aber der Artikel hat recht, das alles zeigt die Wichtigkeit von Lizenzbedingungen, wo eine freie Engine wie Godot am besten dasteht.
Kartenlegen in Loop Hero
Monday, 11. September 2023
Es ist ein sehr simples Spielprinzip: In Loop Hero läuft der Held automatisch eine in sich geschlossene Strecke ab. Auf dieser erscheinen Monster, landen Monster und Held auf dem gleichen Feld startet ein ebenfalls automatisch ablaufender Kampf.
Spielmechanik
Wenn alles automatisiert ist, was macht dann der Spieler? Er legt Karten aus, die in seine Hand kommen wenn der Held Gegner besiegt. Die Karten verändern die Spielwelt – sodass z.B. an der Ecke des Spielgebiets ein Feld Wald entsteht, das dann die Angriffsgeschwindigkeit des Helden erhöht. Oder aus einer Straße wird ein Friedhof, anstatt eines simplen Blobs erscheint dort dann später ein deutlich stärkeres Skelett, das nach einem gewonnen Kampf auch meist wesentlich bessere Ausrüstung verleiht. Wichtig, denn mit jeder Runde werden die Gegner stärker. Also ist die zweite Tätigkeit, die gewonnene Ausrüstung anzulegen und zwischen den vielen verschiedenen Gegenständen mit ihren unterschiedlichen Boni zu wählen. Und er entscheidet, wann der Durchgang abgebrochen werden soll.
Denn zusätzlich gibt es auch Ressourcen, die der Held nebenher sammelt und bei einer Flucht je nach Situation ganz oder teilweise mit ins Lager heimbringt. Mit denen kann der Spieler zwischen den Durchgängen im Lager verschiedene Gebäude bauen. Denn die meisten Durchgänge scheitern, dann geht dort alles von vorne los. Das Lager aber ist permanent; Mit den durch die gesammelten Ressourcen gebauten Gebäude gibt es permanente Boni, sodass unweigerlich irgendwann das Spiel gewonnen werden wird. Und neue Karten kommen in die Auswahl, die statt den regulären oder in einer beschränkten Anzahl zusätzlich vor dem Durchlauf aktiviert werden können.
Noch zwei Ebenen kommen dazu: Gegenstände können nach einem bestimmten Gebäudebau ebenfalls gesammelt werden. Anders als die Ausrüstungsgegenstände werden sie nicht während des Durchlaufs angelegt, sondern im Lager aktiviert, sie verleihen dauerhafte passive Boni. Außerdem gibt es Perk-Karten, die nach einem Levelaufstieg während eines Durchgangs für diesen aktiviert werden können, sie geben ebenfalls (meist entscheidende) passive Boni. Welche Perks es gibt hängt von der gewählten Klasse ab, noch etwas, was durch Gebäude freigeschaltet wird.
Eindruck von Story und Grafik
Mit diesem erst simplen, dann schichtweise erweitertem Spielprinzip versucht Loop Hero eine kleine Story zu erzählen. Dass die Welt leer ist liegt an etwas, nur der Held erinnert sich an die vorherige Welt und kann im Nichts dauerhaft Änderungen erschaffen. Die Karten zu legen sei dann ein Erinnern an die vorherige Welt. Wenn genug Karten gelegt wurden erscheint ein Bossgegner, die verschiedenen Bosse erklären dann immer mehr von der Story. Das ist simpel, aber willkommen, um dem Spiel wenigstens etwas einen Rahmen zu geben.
Mit der Pixelgrafik tue ich mir schwerer. Loop Hero ist für mich nicht hübsch, mit diesem Grafikstil aus der Zeit von vor dem SNES kann ich nicht viel anfangen. Aber wenn es dem Bau des Spiels diente… Ich kann darüber hinwegsehen, und manche Leute sollen diesen Stil ja mögen.
Balancingprobleme?
Was mich mehr störte war das Balancing. Es gibt drei Klassen, man beginnt mit einem Krieger, dann kommt ein Dieb dazu, der statt Waffe und Schild zwei Waffen führt. Schließlich schaltet man den Totenbeschwörer frei, der gar keine Waffe trägt und auch selbst kaum Schaden austeilt, sondern direkt für ihn kämpfende Skelette beschwört. Und dieser Totenbeschwörer ist unheimlich viel effektiver als die anderen Klassen.
Ich war davon ausgegangen, dass man mit entsprechenden Perks, passiven Boni durch Gebäude und Gegenstände, gut gewählten Karten und Ausrüstungsgegenständen mit allen Klassen Erfolg haben kann. Aber meine Versuche in diese Richtung scheiterten völlig. Was mit Krieger und Dieb schwierig war, war für den Totenbeschwörer ein Klacks, auf der höchsten Stufe hatte dann nur er eine Chance das Spiel zu gewinnen. Das fand ich etwas schade, verschenktes Optimierungspotential.
Loop Hero wird kein ewiger Favorit von mir, aber es hat mich gut unterhalten. Ich hatte alternativ ein AAA-Spiel zu spielen und ertappte mich oft dabei, lieber dem doch viel günstigeren und simpleren Loop Hero mehr Zeit geben zu wollen. Das sagt doch einiges. Und es hat mir gefallen, wie hier langsam Schicht um Schicht hinzugefügt wurde, um dem an sich supersimplen Spielprinzip dann doch einiges an Tiefe zu geben. Gut gemacht.
Linksammlung 36/2023
Friday, 8. September 2023
Diese Woche fand ich mehr als sonst besonders erwähnenswert:
Lest aber auf jeden Fall in The Mystery of the Bloomfield Bridge rein. Was ein Aufwand!
Die Gedanken spielen lässt dieses Review: Glove80 Ergonomic Keyboard. Wenn man viel vor dem PC sitzt scheinen solche Tastaturen interessant, andererseits habe ich mit meiner regulären keinerlei Probleme.
“X” Didn’t Pay Severance. Now It’s Facing 2,200 Cases—and Big Fees. Musks Verhalten ist weiterhin völlig unverständlich, entlarvend und selbstvernichtend. Gibt es hier eigentlich noch irgendein glaubwürdiges Erklärungsmodell, außer Größenwahn und Drogenmissbrauch?
Oft heißt es "Zahlung abgelehnt": Neue Debitkarten werden oft nicht akzeptiert habe ich selbst seit einigen Jahren mitbekommen. Durch meine Bankwahl, die nun geschlossene Fidor-Bank, hatte ich seit meiner Rückkehr nach Deutschland keine EC-Karte, sondern nur Mastercard und Maestro. Und mittlerweile Visa-Debit. Das nimmt weder der Bäcker noch die Post an.
Wieso wir Frankreichs Atomstrom teuer bezahlen. Ob das mit den Problemen mit der Uranbeschaffung nun stimmt oder nicht, die Subventionen des Strompreises und der EDF sind der Knackpunkt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Franzosen das auch schlicht nicht wissen – selbst gebildete Franzosen glauben oft immer noch, Atomkraftwerke seien günstig und umweltschonend.
Wie glaubwürdig ist Ein Klimalabel von Oatly und Nestlé? Man darf es wohl trotz der Industriebeteiligung vorsichtig positiv einschätzen.
Verbraucherschützer warnen vor Rückkehr der Störerhaftung. Kein Land der Welt ist in Sachen Technik und Internet dümmer als Deutschland?
Eine Analyse meint Hashicorp did it backwards, man wechsele nicht von einer freien Lizenz zu einer proprietären, weil das verständliche Erwartungen der Community enttäuscht. Stimmt.
Bahar Aslan darf wieder an Polizeihochschule lehren. Vorläufiges Ergebnis eines Eilverfahrens, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Das braune Pack in der Polizei fühlte sich angegriffen und hatte zugeschlagen, damit darf es nicht durchkommen.
Why McDonald's ice cream machines are always broken and how to fix them (Video) erklärt das Geschäftsmodell dahinter, und wie in den USA das DMCA da mit reinspielt. Deutschland hat ähnliche Regeln, mit der gewünschten Unverletzlichkeit jeglicher Zugriffsbeschränkungen, wobei ich nicht weiß ob sie hier greifen würden.
Der Gnadenstoß für Vorratsdatenspeicherung ist tatsächlich eine gute Nachricht, aber auch ein Déjà-vu. Letztes Mal speicherten die großen Provider einfach trotzdem, die Politik erließ das nächste illegale Gesetz.
BMW Is Giving Up on Heated Seat Subscriptions Because People Hated Them. Auch wenn ein Hersteller hier einen kleinen Schritt in die richtige Richtung macht, zeigt alleine der Versuch wie nutzerfeindlich Autohersteller sind. Warum sich das Autobesitzer freiwillig antun ist mir unverständlich.
Google gets its way, bakes a user-tracking ad platform directly into Chrome. Es ist endgültig Zeit zu wechseln, sollte hier noch jemand Chrome benutzen.
Barbie
Monday, 4. September 2023
Der Barbie-Film war im Kino eine Freude. Alleine das Spiel mit dem Puppenhaus als Bühnenhintergrund in den Anfangsszenen, die Plastikgegenstände am Frühstückstisch, sodass aus der Milchtüte natürlich keine Flüssigkeit herauskommt – toll. Die im Film platzierte Musicalnummer I'm just Ken hätte als Genreparodie auch in Crazy Ex-Girlfriend gepasst und war dadurch ein Highlight, dazu saßen viele der Witze, wie der nur mit Männern besetzte Mattel-Aufsichtsrat (Sozialkritik) und die ihn blockierende Minischranke (Slapstick).
Gleichzeitig war der Film auch frustrierend. An mehreren Stellen hält er seine Zuschauer für Idioten – z.B. meint er den Witz mit dem Aufsichtsrat thematisieren zu müssen, oder erklärt die Erzählerin völlig unnötig, dass eine Barbiepuppe nunmal ins Auto fliegt und nicht klettert, als genau das auf dem Bildschirm passiert. Die Anti-Patriarchat-Story ist als Konfliktträger erstmal gut gemacht, aber auch beleidigend simplifizierend. Und schlicht zu lang, das Ende zieht sich arg, vielleicht genau weil da der Fokus nicht geschickt gesetzt wurde. Die dort verplemperte Zeit fehlte an anderen Stellen, z.B. verschwindet die vorher extrem ausgearbeitete Barbie-kritische Haltung der Tochter plötzlich und ohne jeden Anlass. Schließlich Aquas Barbie Girl nur in einem ziemlich widerlichen Hip-Hop-Remix zu spielen vermieste mir das Ende nochmal mehr.
Aber bis dahin war der Film als Komödie mit ernsten Untertönen ziemlich gelungen.
Linksammlung 35/2023
Friday, 1. September 2023
Diese und letzte Woche fand ich besonders erwähnenswert:
Es hat was bedrückendes, wenn Urlaubsorte zu feindlichen Orten werden, wie sichtbar an Griechenlands Kampf gegen kommerzielle Sonnenbetten am Strand. Wer möchte nicht einfach am Strand liegen können anstatt sich mit solchen Wegelagereien auseinanderzusetzen?
Das Fairphone 5 ist nun vorbestellbar, bei Computerbase gibt es direkt einen Test. Zwar scheint es ein gutes Telefon zu sein, aber ich verzeihe ihnen den entfernten Kopfhöreranschluss nicht wirklich.
Das Armutszeugnis ist euer Verständnis vom Rechtsstaat schimpft über die Kritik an der Einstellung der Ermittlungen gegen den Sänger von Rammstein. Es hatten sich weder Zeugen noch Opfer gemeldet. Vorher waren selbst in Hamburg noch Aussagen über die Vorwürfe erlaubt worden, argumentierte Warum Shelby Lynn gegen den Rammstein-Sänger gewonnen hat.
In den Podcastfolgen Begegnung mit einem gefallenen Star und Wer gecancelt wird, ist toxisch erzählt Zeit-Autorin Khuê Phạm von ihrer Begegnung mit Kevin Spacey, einer nicht ganz unähnlichen Situation. Auch bei Spacey führten die Vorwürfe nicht zu einem Urteil, wobei es in England zu einem Verfahren kam. Das von ihm gezeichnete Bild ist allerdings wenig einnehmend.
Onboarding ist, um wieder zu Technik zu kommen, eine überlegte Kritik dieser üblichen Onboarding-Touren aus Usability-Perspektive. Welche Rolle erfüllen sie für Nutzer, was sagen sie über das Design aus?
Mehr Kritik in Unit Tests Are Overrated: Rethinking Testing Strategies widmet sich Software-Tests. Die Debatte kenne ich aus meiner eigenen Arbeit: Was bringt es Unit-Tests zu schreiben, wenn alle interessanten Systeme gemockt werden und daher nicht scheitern können? Wie schreibt man Tests so, dass sie auch wirklich etwas über den Zustand der Software aussagen und nicht nur unnötig Arbeit machen? Nicht im Artikel enthaltene Beobachtung: Sobald auf die prozentuale Testabdeckung geschaut wird läuft was schief.
In Wie ich mein Serendipity-Blog aktualisiere beschreibt mitch sein Serendipity-Setup. Das beinhaltet lesenswerte Hinweise. Sein System ist wesentlich ausgefuchster als meines, ich kopiere einfach die Dateien rüber und benutze dann Spartacus und den Auto-Updater.
Deep Space 9 war das beste Star Trek und die falsche Richtung
Monday, 28. August 2023
Deep Space 9 besetzt eine ganz besondere Position nicht nur in meiner Erinnerung, als nach dem Großteil von Voyager als Student erste vollständig gesehene Serie. Sondern die Serie ist auch durch seine Machart etwas Besonderes, da sie komplette Einzelfolgen hat – im Gegensatz zum derzeit modernen Serienstil –, die aber – anders als die anderen Star-Trek-Serien der Zeit – sehr stark miteinander verbunden sind.
Wurmloch, Raumstation, Bajor
Dass DS9 sich von den anderen Star-Trek-Serien der 90er unterscheiden könnte wird schnell klar, wenn man sich den Handlungsort anschaut. Namensgeber ist mit DS9 die Bezeichnung einer Raumstation, keines Raumschiffs, das nahe des Planeten Bajor die Stellung hält. Dabei war doch die Reise an die Grenze des bekannten Universums für Star Trek Pflichtkonzept, die Parallele zur Entdeckung des Wilden Westens gewollt. Ein bisschen ist das in DS9 durch den Charakter der Station erhalten: Sie ist eine Grenzstadt. Bajor ist kein Teil der Föderation, könnte aber einer werden, entsprechend gelten hier nicht die zivilisierten Regeln der Sternenflotte.
Mehr noch eine Abkehr: Bajor war jahrelang durch die Cardassianer besetzt, wobei Cardassia klar als Parallele zu Nazi-Deutschland beschrieben wird, und hat sich zu Serienbeginn erst kürzlich durch eine blutige Revolution befreit. Dieser Kriegshintergrund passt so gar nicht zu TNG und Voyager, er wird im Verlauf der Serie durch einen weiteren Krieg gegen das diktatorische Dominion noch verstärkt werden. Dazu unten mehr.
DS9 ist nicht nur Grenzstadt der Föderation, sondern auch Grenze des ganzen Alpha-Quadranten: Ein direkt zu Beginn bei Bajor etabliertes Wurmloch verbindet den Alpha- mit dem Gamma-Quadranten, einem komplett unentdeckten Weltraumbereich. Während die anderen Star-Trek-Serien daraus eine Entdeckungsgeschichte gemacht hätten, entstehen bei DS9 dadurch nur Probleme.
Das Wurmloch führt auch zur religiösen Komponente – in ihm wohnen als Götter verehrte unsichtbare Aliens, die außerhalb der Zeitlinie existieren. Ihre tatsächliche Göttlichkeit ist ein wichtiger Story-Anker und gehört unten weiter diskutiert.
Schließlich ist Benjamin Sisko der erste schwarze Captain einer Star-Trek-Serie. Normal für die Föderation (und auch in den Filmen vorher schon gezeigt), als Hauptperson der Serie noch in den 90ern nicht so normal im Fernsehen.
Konsistente Charaktere
Was DS9 damals außergewöhnlich machte und heute noch besonders sehenswert macht ist der Umgang mit seinem Ensemble. Da sind die Hauptcharaktere, die (fast) konstant in der Serie gehalten und immer wieder weiterentwickelt werden, ohne dass jemals etwas vergessen wird, seltenst ihr Verhalten für die Story nicht zum Charakter passt. Also genau, was Voyager nicht gelang. Dazu kommen die Nebencharaktere, die immer wieder auftreten, fast keiner ist nur einmal in der Serie zu sehen. Das ist eine Sorgfalt, die den Zuschauer eine unheimlich dichte Beziehung zu diesen Charakteren aufbauen lässt – von der Funktion ähnlich einer Seifenoper, als die DS9 teils nicht ganz unpassend verspottet wurde.
Doch es ist mehr als die konstante Nutzung, es ist auch wie die Charaktere überhaupt gezeichnet werden.
Nehmen wir Worf als Beispiel, der Klingone, der nach TNG hier seine Rolle weiterspielen durfte. Oder eben nicht: In TNG war sein Charakter der Story untergeordnet. Seine angeblich kompetenten Sicherheitsmaßnahmen scheiterten jedes mal, wenn ein Bösewicht die Enterprise angriff, körperlich war er jedem Feind unterlegen. Das ließ ihn lächerlich wirken. Nicht so in DS9: Hier ist er in vielen Situationen der körperlich überlegene, gewinnt Raumkampf um Raumkampf, wird sein Charakter ausgebaut, der Familienhintergrund und seine Beziehung zum klingonischen Imperium weitergesponnen, sieht man ihn als Liebhaber und Ehemann. Der Charakter wurde ernstgenommen, was TNG nur in wenigen Folgen konnte.
Die Besetzung unterscheidet sich auch vom regulären Konzept. Es gibt keinen Vulkanier, der Gegensatz zwischen Logik und Emotion war der Serie sicher zu abstrakt. Stattdessen gibt es Ferengi, mit Quark einen kriminellen Barbesitzer mit positiven Seiten. Mit Odo einen Gestaltwandler, also eine völlig neue Art von Alien (dessen Gestaltwandlerfähigkeiten aber nach der ersten Staffel prompt vergessen werden, das CGI-Budget dankte). O'Brien kommt von der Enterprise rüber, vor Worf, und ist hier ein voll ausgebauter Ingenieur; Dazu kommt mit Dr. Bashir ein Sternenflottendoktor, das ist etwas klassischer (und wird erst später etwas erweitert). Dax kommt dazu, eine freundlichere Variante eines Goa'uld, ebenfalls neu und ungewöhnlich. Schließlich Kira Nerys, Verbindungsoffizier zu Bajor und daher nicht in die alte Formel pressbar, die als vorheriger Terrorist bzw Freiheitskämpfer auch keinen Sternenflottenhintergrund hat.
Und dazu die Nebencharaktere, mehr oder weniger prominent, die eben nicht nach einer Folge wieder weg sind, sondern oft staffelübergreifend die Serie begleiten. Auch ein Stargate konnte Hauptcharaktere konstant zeichnen, aber diese Sorgfalt bei Nebencharakteren war außergewöhnlich. Gal Dukat beispielsweise begleitete die Serie von Anfang bis Ende, war nur eben nicht in jeder Folge.
Die Art der Erzählung
Welche Geschichten erzählt die Serie nun mit diesen Charakteren? Nun, zuerst ist es eine konfuse. DS9 leidet wie alle Star-Trek-Serien der 90er unter einer schwachen ersten Staffel. Immerhin ist sie kein Vergleich zu dem Desaster, das die erste Staffel von TNG war. Grundsätzlich wird sauber erzählt, warum Sisko seinen Posten nicht haben wollte und warum er ihn doch antritt, werden die Charaktere eingeführt, wird das Wurmloch entdeckt und Sisko zum göttlichen Gesandten der Wurmlochaliens ernannt. Die erste Staffel hat sogar einige richtig gute Folgen.
Ein Beispiel dafür ist die 14. Folge, Progress. Ein alter Mann will seine Heimat nicht verlassen, die von der neuen Regierung Bajors für ein Terraformingprojekt zerstört werden wird. Kira Nerys soll ihn überzeugen, zweifelt dann aber selbst. Es entsteht eine tolle Charakterzeichnung Kiras und ein absolut verständlicher, nicht aufzulösender Konflikt, zwischen individuellem Wunsch und nicht aufzuhaltender, im Einzelnen grausamer externer Kraft. Etwas, was sich durch die Serie ziehen wird.
Der Gegensatz dazu ist die 9. Folge, Move Along Home. Eine furchtbar schlecht gemachte Einzelfolge, in der Aliens auf die Station kommen und mit magischen Kräften die Crew in entwürdigende Minispiele zwingen. Das Drehbuch muss für TOS gedacht gewesen sein, es entstammt direkt den 60ern, den Schauspielern ist ihr Widerwille anzusehen – besonders Avery Brooks als Sisko, dessen Charakter sich niemals unterworfen hätte. Das ist die schlimmste Folge der ersten Staffel, aber es sind einige Langweiler dabei.
Solche Ausreißer werden seltener, das Niveau insgesamt besser. Die Serie wird ein paar Ausnahmefolgen erzählen, die zum besten gehören, was Star Trek zu bieten hat. Geschichten über Reue und Moral, wie bei Duet, bei dem ein Cardassianer seine Rolle bei der Besatzung Bajors rechtfertigt – oder bereut? Während ich oben über Progress schrieb ist es diese Folge, die objektiv die beste der ersten Staffel war.
Mit Explorers gibt es vom Thema eine weniger schwere Folge, aber ähnlich erinnerungswürdig als Reise, bei der Sisko mit seinem Sohn mit einem Solarraumschiff aufbricht. Die Folge greift toll das Solarsegler-Konzept auf und verbindet das gekonnt mit einer Beziehungsstory der kleinen Familie. Oder man sehe Far Beyond The Stars, in dem über eine Art Zeitreise amerikanischer Rassismus in den 50ern thematisiert wird, ganz ohne Gleichnis.
DS9 konzentriert sich ansonsten auf zwei Dinge. Einmal auf eine übergreifende Handlung. Die hat zwei Akte. Schon nach zwei Staffeln tritt das Dominion als Antagonist auf, doch eigentlich geht es erst noch um Bajor, den Umgang mit dem Ende der Besatzung, aber auch wie die Föderation mit Cardassia und den Planeten im Grenzgebiet umgeht. Durch einen Gebietstausch ohne Einwilligung der dort lebenden Kolonisten entsteht dort eine neue Rebellengruppe, die Maquis – genau, die Gruppe, der die Hälfte der Voyager-Crew entsprang, was dort nach der ersten Staffel schnell vergessen wurde. In DS9 wird die eigentliche Geschichte erzählt, und schon hier rutscht Sisko in moralisch fragwürdiges Verhalten, wie auch die Rolle der Föderation hier keine positive ist. Der zweite Akt wird dann noch düsterer: Der Krieg mit dem Dominion als diktatorisches Riesenreich und Gegenentwurf zur Föderation beherrscht alles. Das bleibt dann der Storyrahmen für den Rest der Serie, mit gelegentlichen Einwürfen der Göttergeschichte.
Innerhalb dieses Rahmens liegt der zweite Fokus klar auf den Charakteren selbst. Die Serie entwickelt sie konstant weiter. Überraschenderweise sind dabei sogar die Ferengi-Folgen gut. Unerwartet, weil die Aliens vorher nur eine Karikatur von Kapitalisten waren. Mit Quark, Rom und Nog wird es geschafft, diese Klischeezeichnung erstmal aufrechtzuerhalten und trotzdem Ebene um Ebene hinzuzufügen, bis es komplette Charaktere sind. Mit ihren teils exzellenten Folgen werden dann nicht nur die einzelnen Charaktere, sondern die ganze Ferengi-Rasse des Star-Trek-Universums ausgebaut und weiterentwickelt.
Die Serie fällt auf diese Art in eine Mischung aus Charakterentwicklungsfolgen und Gesamtstory-Weiterentwicklung. Dabei bleibt der Hintergrund der Krieg, seine Konsequenzen und die entstehenden ethischen Konflikte, aber auch – überraschenderweise und sehr US-kompatibel – Religion.
Die falsche Richtung
Und hier sehe ich die negativen Auswirkungen, die DS9 für Star Trek hatte. DS9 war großartig – es hatte viele tolle Folgen. Zwei davon sind In the Pale Moonlight und The Visitor. The Visitor war dabei eine großartig emotionale Folge, ein Experiment, in dem mögliche Folgen des Verschwindens der geliebten Vaterfigur diskutiert wurden, vermischt mit der Perspektive eines Schriftsteller und etwas SciFi zur Auflösung. Da sind keine negativen Folgen.
Aber In The Pale Moonlight – da sieht die Sache anders aus. Es ist eine Mischung aus normal gezeigter Handlung und packendem Monolog (den kein anderer als Avery Brooks so hätte liefern können), in dem er seine Motivation beschreibt einen Mord mitzutragen.
Einen Mord. Als Sternenflottenkapitän. Das hätte keine der Serien vorher gemacht, es wäre mit Picard nicht gegangen, selbst zu Janeway mit ihren Anflügen von Bosheit hatte das bei ihrer Akzeptanz der Todesstrafe nicht gepasst, weil es zur Voyager-Serie nicht passte. Aber es passt du DS9, mit den konstanten ethischen Grautönen, mit der fortwährenden Entzauberung der Sternenflotte und der Darstellung des Grauens des Krieges. Es ist auch kein Ausrutscher, die Folge gilt als eine der besten der Serie.
Während DS9 hat das noch funktioniert. Damals war TNG frisch und Voyager lief parallel, damit war der Gegensatz gesetzt, die Originalvision lebendig. Aber es scheint jetzt, 20 Jahre später, als ob die zersetzende Wirkung dieser Zerlegung durchschlägt. Wenn in Discovery der arrogante Kapitän leichtfertig die Gesundheit seiner Crewmitglieder auf Spiel setzt und fühlende Aliens foltert, um sein Schiff zu retten, wenn Krieg mit den Klingonen natürlich unvermeidlich ist, wenn einfach so mal einem Ehemann eines Crewmitglieds das Genick gebrochen wird – dann atmet das den Geist dieses Aspekts von DS9. Als wurde versucht, die damals stattgefundene Distanzierung vom Kern von Star Trek aufzugreifen, leider ohne sie auszubalancieren.
Genauso Picard – die erste Staffel zeigte die gleiche Verachtung für die Sternenflotte, die auch in DS9 mitschwang. Gezeichnet wurde eine Sternenflotte ohne Prinzipien, die problemlos in diktatorischen Faschismus umschlagen kann in der genoziiden Vernichtung der Androiden. Doch in DS9 war das ein kleiner Teil der Sternenflotte, mit Sektion 31 und Siskos Konflikt ein grauer Fleck im ansonsten prinzipientreuen Gesamtkonstrukt. In Picard war es dann plötzlich die gesamte Föderation, als würde das auch nur ansatzweise in dieses Universum passen.
Schließlich ähnlich die Wurmlochaliens. Natürlich hat Star Trek immer mal wieder mit dem Motiv gespielt, welche Rolle besonders befähigte Aliens für Menschen hätten. Immer wieder hatten sie magische Kräfte. Aber man beachte die Auflösung in Star Trek 5, "Wozu braucht Gott ein Raumschiff?". In DS9 jedoch sind die Wurmlochaliens schlicht Götter: Sie kümmern sich, senden Visionen, haben magische Kräfte, werden angebetet und wollen das auch. Und Sisko wird Jesus. Anstatt diesem religiösen Quatsch Star Treks Aufklärung entgegenzusetzen, wie das jede andere der Serien gemacht hätte, wird es in DS9 als berechtigte Religion gezeichnet. Samt Teufel, in späteren Staffeln. Auch das mag heute Grundlage dafür sein, warum die aufklärerische Mission Star Treks in den neuen Serien nicht mehr berücksichtigt wird – neben der Hinkehr zum fundamentalen Christentum in den USA, zu dem diese Symbiose von Religion und Science Fiction nur zu gut passt.
4:3, altes CGI, Wechselei
Während die Serie mit seiner Verbindung der Serienfolgen und der präsenten Haupthandlung relativ modern wirkt – und oft schlicht besser als moderne SciFi-Serien – gilt das für das Bild nicht. Die 4:3-Auflösung mit dem schwarzen Balken tut weh. Die Fernsehauflösung führt zu einer schlechten Bildqualität. Das Bild ist zudem generell farbarm, ähnlich wie bei Voyager (auch wenn es hier thematisch besser passt), auch das nicht gewinnend.
Alle in diesem Artikel eingebundenen Screenshots wurden von mir nachträglich bearbeitet.
Dazu kommt die CGI. Gerade den Effekten von Odo, aber auch manchem Weltraumkämpfen sieht man ihr Alter an. Und ausgerechnet sie werden als Grund genannt, warum ein offizielles Remaster der Serie unwahrscheinlich ist, wurden die Effekte doch nur für die Fernsehauflösung erstellt (anders als die restlichen Szenen, von denen es hochaufgelöste Master gibt).
Immerhin: Die genutzten Kostüme, die Masken und Ganzkörperanzüge der Aliens, sehen heute besser aus als die Highend-CGI der späteren Starwars-Filme zumindest in ihren schwächeren Szenen. Mandalorians Baby-Yoda ist nicht umsonst eine Puppe, über zwanzig Jahre später.
Und wenn wir bei Schwächen sind: Das Auswechseln von Dax für die letzte Staffel war unglücklich. Die neue Schauspielerin war super, aber ihre Art sehr anders. Natürlich veränderte der Wechsel daher die Dynamik zwischen den Charakteren – und das zu einer Zeit, als die Serie sich eigentlich für das Ende vorbereiten sollte und Jadzia Dax als Gesprächspartner für Sisko gebraucht worden wäre. Interessanterweise ein Fehler, den die Serienmacher so ähnlich schonmal machten, als einfach so die Schauspielerin des Nebencharakters Tora Ziyal zweifach ausgewechselt wurde. Angeblich gedacht als Spiel mit den Erwartungen der Zuschauer, war es einfach nur störend, die Macher verschätzten sich beim Effekt völlig.
Im Epilog der Serie dann nur Ezri zu zeigen und nicht Szenen der vorherigen Dax-Inkarnation war ein unnötiger Affront der offensichtlich beleidigten Serienmacher.
Zwei Bewertungen
Das Ende ist dann eine gelungene 10-Folgen-Folge, was nochmal mehr modernen Serien ähnelt, hier aber als Abschluss besser funktioniert als wenn es wie bei Picard das Konzept der ganzen Serie ist. Nur das doppelte Ende, die Wurmlochaliengeschichte, missfiel mir wie erwartet.
Deep Space 9 danach insgesamt zu bewerten braucht heute zwei Perspektiven.
Auf der einen Seite ist es eine großartige Serie. Sieben Staffeln mit jeweils über zwanzig Folgen sind zu lang, um die Serie ohne Wechsel mit einer anderen zu sehen, vielleicht fehlt dafür stellenweise auch die Spannung. Aber wie DS9 ein dichtes Bild seiner Crew zeichnet, wie hier mit schwierigen Motiven gespielt wird, wie gut dabei die Schauspieler, wie gelungen viele der Drehbücher und wie toll daher viele der Folgen sind; Wie hoch auch das Grundniveau selbst der regulären Folgen nach Staffel 1 ist – das ist glatt beeindruckend. Battlestar Galactica kam ein paar Jahre später da wieder ran, gefördert von einer viel mitreißenderen Rahmenhandlung, ansonsten kenne ich im Genre nichts gleichwertiges.
Andererseits ist im Großen betrachtet DS9 ein Problem. Die Dekonstruktion der Sternenflotte und der Vision von Star Trek war intelligent und passte perfekt in seine Zeit. Aber was blieb danach über? Star Trek hat sich nie wieder erholt. Enterprise danach verlor sich nach einer starken ersten Staffel in Zeitreisebullshit und war wohl der Versuch, die Originalvision wiederaufzunehmen. Seitdem gab es keinen zweiten. Discovery war vollständig "Wir sind Krieg! Explosion Bumm Bumm", Picard war in Staffel 1 ebenfalls Anti-Stark-Trek, in Staffel 2 senile Blödsinnsromantik. Die Filme sind ein eigenes Thema, wie immer schon, aber auch in ihnen lebte nicht viel des Ursprungs weiter.
Doch ist Deep Space 9 heute noch sehenswert? Auf jeden Fall! Und das auch ohne Kindheits-Nostalgie für die 90er, denn damals hatte ich nicht eine Folge der Serie im Fernsehen gesehen.
The Outer Worlds bleibt blass
Monday, 21. August 2023
Ein 3D-Rollenspiel von Obsidian, den Machern von Fallout: New Vegas, mit größerem Budget und mehr Entwicklungszeit sollte großartig sein. Auf dem Papier bietet The Outer Worlds alles, was man von einem solchen tollen RPG erwarten würde, seit Juli sogar eine grafisch verbesserte Version mit allen Erweiterungen:
Aber allen vorhandenen Stärken zum Trotz ist The Outer Worlds einfach nicht richtig gelungen.
Weltenrettung in den Kolonien
Du bist frisch aufgetaut – von einem als Terrorist gejagten Forscher. Der Kolonieschiff Hope dümpelt seit 70 Jahren nahe des Halcyonsystems herum, der diese Kolonie kontrollierende ultra-kapitalistische Vorstand hat sich gegen ein Aufwecken der Kolonisten entschieden. Davon warst du einer. Direkt nach dem Aufwachen geht es auf den ersten Planeten. Von dort wird ein Generatorteil gebraucht, die von der Firma Spacer's Choice kontrollierte nahe Siedlung hat einige Probleme. Und schon stehen Entscheidungen an: Hilft man ihr? Oder den Dissidenten? Nimmt man die Begleiter mit und vereinfacht sich so die Kämpfe, oder soll das Spiel alleine bestritten werden (was ein paar stärkende Perks aktiviert)?
Wie auch immer man sich entscheidet, danach wird es mit dem eigenen Raumschiff zum nächsten Ort im Sonnensystem gehen. Und die Story sich weiterentwickeln.
Dabei dreht sich immer viel um den Vorstand und die Firmen. Bei ihnen und ihren Gegenfraktionen wird Ansehen gewonnen oder verloren, sie kontrollieren die Kolonie. Dabei sind die Firmen, bis auf eine Ausnahme, alle Abziehbilder kapitalistischer Dystopien. Arbeiterrechte gibt es nicht, natürlich wird für den Projekterfolg über Leichen gegangen, 100%ige Loyalität wird gefordert und nicht belohnt. Verbunden wird das mit einem absurden Humor wie beim Mondkopfmaskottchen visualisiert und im Trailer angedeutet. Dieser Humor zieht sich durch das Spiel, ohne je wirklich lustig zu sein ist er mehr eine Einfärbung der Spielwelt.
Einfache Kämpfe im eigenen Rollenspielsystem
Überall gibt es Gegner. Monster, Roboter, Banditen oder Firmenschergen, sie alle sind mit Nah- oder Fernkampfwaffen zu besiegen, können manchmal alternativ umschlichen werden. Das spielt sich als ein Shooter in der Egoperspektive. Anfangs sind die Kämpfe nicht einfach. Mit den bis zu zwei Begleitern (von insgesamt sechs) und bei konsequentem Bestreiten von Nebenmissionen und entsprechendem Aufleveln werden sie es aber, auch auf dem härteren Schwierigkeitsgrad (der jederzeit im Spiel gewechselt werden kann) sind die immer KI-losen Gegner dann kein Problem mehr. Verstärkt wird das durch die integrierten Erweiterungen, nach ihnen ist das Finale des Hauptspiels ein Spaziergang.
Die verschiedenen Waffen fühlen sich dabei allesamt nicht übermäßig gut an. Es gibt immerhin sofort treffende und welche mit fliegenden Energieprojektilen, Flammenwerfer und verschiedene Nahkampfwaffen, einige können aufgerüstet werden – auch mit Elementeffekten, die dann bei verschiedenen Gegnertypen unterschiedlich gut wirken. Wichtig ist aber eigentlich nur der Schadenswert – hat der Gegner viel Rüstung, sind Waffen mit einem hohen Schaden pro Schuss nützlicher, ansonsten zählt der Schaden pro Sekunde, gelegentlich verstärkt oder negiert vom Elementtyp. Aber dafür lassen sich problemlos vier verschiedene ausrüsten. Richtig fühlbaren Wumms hat keine der Waffen, Granaten gibt es nicht, Deckung spielt keine Rolle. Auflockerung kommt nur durch die per Tastendruck auslösbaren Spezialangriffe der Begleiter und durch den an Fallouts VATS angelehnten Zeitlupenmodus.
Für die eigene Verteidigung gib es Körperrüstung und (ausblendbarere) Helme. Zusätzlich zum Rüstungswert können die auch Fähigkeiten verbessern (und manchmal verschlechtern), auch hier sind viele wieder mit Modifikationen aufrüstbar. Grafisch sehen die Rüstungen zudem oft ziemlich gut aus.
Kämpfe und gelöste Quests bringen Erfahrungspunkte. Bei der Charaktererstellung wurden die Attribute gewählt, die etwas anders heißen als üblich. Fähigkeiten lassen sich dann bei jedem Levelaufstieg weiter steigern. Alle zwei Level gibt es einen Perk zur Auswahl. Die sind nicht spielentscheidend, aber teils praktisch, wie das höhere Gewichtslimit für das Inventar.
Entscheidungen, Skillchecks
The Outer Worlds übernimmt viele positive Eigenschaften früherer Obsidian-Spiele. So sind die Gespräche wieder ein wichtiger Teil des Spiels, die zudem von guten Sprechern voll vertont sind, nur der Hauptcharakter bleibt stumm. In den Gesprächen gilt es viele Entscheidungen zu treffen, die dann auch sichtbare Auswirkungen auf die Spielwelt haben. Versöhnt man z.B. zwei Fraktionen auf einem Planeten, sind in der Hauptsiedlung dann eben Soldaten beider Fraktionen vertreten.
Auch spielen in viele Entscheidungen vorherige Aktionen rein und schalten die eigenen Attribute und Fähigkeiten neue Optionen frei. Der Klassiker: Mit einem hohen Einschüchternwert lassen mich die Banditen kampflos durch ihren Schiffsabschnitt, alternativ funktioniert auch Lügen oder Überzeugen. Habe ich am Terminal Gegenteiliges gelesen, kann ich das dem lügenden Gesprächspartner an den Kopf werfen. Zudem schalten desöfteren Konsequenzen in Nebenmissionen neue Lösungen in ganz anderen Missionen frei, wie die oben erwähnte Versöhnung zweier Fraktionen.
Diese mögliche Einflussnahme auf die Welt war es, was FNV so reizvoll machte, generell viele Spiele des Genres auszeichnet.
Die Story macht es sich zu einfach
Dass die Einflussnahme hier nicht richtig funktioniert ist gar nicht so einfach zu erklären. Aber ein klarer Faktor ist die Zeichnung der Fraktionen. Das Spiel verwendet sehr viel Zeit, die Firmen als furchtbare Ungeheuer zu beschreiben. Immer wieder verheizen sie Arbeiter grundlos, lassen die Firmen sie gestrandet auf lebensfeindlichen Planeten verhungern, schreiben Vorgesetzte in Terminals darüber, wie alle Arbeiter bei Projektmisserfolg getötet werden sollen, lassen sie nur für einen vorgetäuschten Projektfortschritt unfertige, bekannt todbringende Medikamente Sklaven spritzen. Die Schreiber haben sich in ihrer überzeichneten Kapitalismuskritik so richtig ausgetobt. Es sei ihnen gegönnt, machte sicher Spaß, nur: Wenn alles absurd ist wird alles generisch, unbedeutend, blass. Und es verbaut den meisten Entscheidungen jedweden Reiz.
Natürlich werde ich als Spieler nicht solche verräterischen Firmen unterstützen. Das ist nichtmal eigene Ethik, es wird vom Spiel eindeutig als der schlechte Weg gezeichnet, nicht nur moralisch böse, sondern auch nicht im eigenen Interesse. Genauso natürlich unterstütze ich nicht den Vorstand, wenn mir in einer (immerhin optionalen, aber prominenten) Nebenmission verraten wird, dass dessen vermeintliches Frühverrentnungsprogramm in Wirklichkeit eine Nazi-Vernichtungskammer ist. Und das ist an dem Punkt nichtmal überraschend.
Für wirkungsvolle Entscheidungen braucht es Grautöne, ein Für und Wider. An den meisten Stellen hat The Outer Worlds das vergessen.
Wo ist die Konsistenz, warum all das Loot?
Ebenso braucht es eine glaubwürdige Welt, damit Handeln in ihr reizvoll sein kann. Diese Welt gibt es hier aber nicht. The Outer Worlds schafft es, eine Hotelküche zu zeichnen, in der die Angestellten gemütlich sitzen, reden und essen. In den Kabinen zwei Meter weiter liegen mehrere Leichen, in den Gängen aggressives Getier. Vor dem Hotel greifen Verwirrte und Monster alles an was sich bewegt, die ebenfalls dort herumstehenden Hotelgäste sterben zwar zwischendurch (es gibt also NPC-Kampfinteraktionen), kommentieren das aber nicht weiter. Auch alle anderen NPCs tun so, als sei alles normal. Gut, das beschriebene entstammt einer der Erweiterungen, wo das Problem besonders durchschlägt. Aber auch die Gebiete im Hauptspiel wirken seltenst glaubwürdig.
Ebenso unpassend ist der Umgang mit Loot. Davon gibt es schlicht viel zu viel. Das Leveldesign ist gestaltet als sei es ein Lootshooter wie Borderlands. In den abertausenden Containern gibt es aber kaum brauchbare Ausrüstung, denn anders als in Borderlands gibt es eben keine zufällige Wertegenierung der Gegenstände mit lohnenswerten Ausreißern nach oben, sondern finde ich die immer gleichen Waffen und Rüstungen. Gelegentlich gibt es einzigartige Varianten, aber die meisten davon sind schwächer als reguläre Ausrüstung und nicht ebenso modifizierbar. Im Ergebnis wird das Spielen ermüdend, wenn der tausendste Container schon wieder im Grunde nur Munition und ein bisschen Geld bietet, aber zehntausend Schuss auf Lager sind und Geld generell nicht gebraucht wird. Der einzige Effekt ist ein Zumüllen des begrenzt aufnahmefähigen Inventars.
Natürlich spielt da mit rein, dass die Kämpfe zu einfach sind. Entsprechend braucht man die Heilungsgegenstände und Buffs nicht, ist das Optimieren der Ausrüstung im Detail unnötig. Oft braucht es nichtmal Munition, erledigen doch die Begleiter ohne Munitionsverbrauch die Gegner, nur gelegentlich brauchen sie dabei Unterstützung. Genauso braucht es deswegen keine große Investition in die Waffenfähigkeiten – haben die Gesprächsfähigkeiten doch auch mindestens ebenso praktische Auswirkungen auf die Kämpfe, wie bei Treffern Gegner angsterfüllt einfrieren zu lassen.
Grafische Stärken, Performanceschwächen
Bei aller Kritik soll eine weitere Stärke des Spiels nicht verschwiegen werden: Es sieht nicht schlecht aus. Die nun überarbeitete Version gefällt mir grafisch, viele schöne Szenen werden gezeichnet, ohne wie Fallout in den Ruinen im Detail grau, eintönig und detailarm zu sein. Gerade auch die NPCs sehen gut aus (auch wenn man die Mimik sicher schonmal besser gesehen hat), besonders wichtig bei solch einem Spiel. Die Performance passte auch, mit einer Einschränkung: Die nun nachträglich hinzugefügte Option "Screen Space Global Illumination" lässt die FPS in den Keller rauschen, sie gehört deaktiviert. Ich wäre davon ausgegangen, dass das eine spezielle Inkompatibilität mit Proton unter Linux ist, fand den negativen Einfluss auf die Performance aber auch von anderen Spielern bestätigt.
Da auch die Ausrüstungsgegenstände gut aussehen ist es schade, wie sich die Designer da Arbeit gespart haben. Viele der Waffen gibt es in mehreren, stärker werdenden Versionen. Die sehen aber alle komplett identisch aus, eine Spacer's Choice Pistole Mark 1 ist grafisch identisch zu einer Mark 3. Da hätte ich mir mehr erhofft.
Sich mehr erhofft zu haben beschreibt das Spiel im Ganzen. The Outer Worlds hat eigentlich wirklich alles, was ein tolles Rollenspiel auszeichnet. Und doch überzeugen die Stärken nicht, werden sie zu oft durch gravierende Schwächen verhunzt. Was ich wahrscheinlich eher verzeihen könnte, wenn die Messlatte durch die anderen Spiele – und teils eben, durch die anderen Obsidian-Rollenspiele – nicht so hoch gehängt worden wäre. Trotzdem sind da die vielen Entscheidungen, ein nicht verkehrtes Rollenspielsystem mit Attributen, Fähigkeiten und Perks, meist interessante Begleiter, die alle das Geschehen gewinnend kommentieren. Und natürlich ist das Ende besser als in Mass Effect 3, gibt es anders als in Bethesda-Fallouts ein ordentliches Outro.
Das alles lässt mich ein bisschen ratlos zurück. Manchmal geht die Mischung eben schief? Ist es so einfach, oder hat etwas spezifisches zu diesem Scheitern geführt?
Egal woran es lag: The Outer Worlds ist spielbar, hat seine Qualitäten und es wird vielen Leuten auch Spaß bringen. Als Blaupause für Entwickler künftige Spiele ist es super. Ich würde aber Spieler im Zweifel meist zu einem anderen Rollenspiel raten. Selbst bei einer Beschränkung auf RPG-Shooter in der Egoperspektive: Cyberpunk 2077 ist in allen Bereichen besser, Fallout: New Vegas machte schon vor über zehn Jahren Konsequenzen und Spielwelt überzeugender, Fallout 4 hat trotz allen Schwächen beim Rollenspiel die spaßigeren Kämpfe und trotz den misslungenen Fraktionen eine motivierendere Story.
Linksammlung 33/2023
Friday, 18. August 2023
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
Anzeige statt Dank: IT-Experte deckte Lücke auf, muss nun vor Gericht. Zum Kotzen. Einerseits ein Zeichen, dass der Gesetzgeber versagt hat. Schaut man sich aber die Gesetze an ist es eher ein Justizversagen, denn die werden hier deutlichst überdehnt. Eine aggressive, unkontrollierbare Justiz aber bedroht das ganze Land.
Nicht dass es bei der Exekutive mit ihrem Rechtsdrall besser wäre, sonst wäre das hier nicht nötig: Dozentin Bahar Aslan stellt Eilantrag gegen Entlassung.
Genug Politik, mal was nettes. Ich stolperte über die Seite Checklist Design. Und sie ist genau was ihr Titel besagt, eine Sammlung von Designchecklisten.
Aber warum in gutes Design investieren, wenn man sich gleich selbst vernichten kann? The CNET Lesson: Content Pruning Is Dumb For News Content, Don’t Do It.
A Chat with Augustine Sedgewick (Video) empfand ich dann wieder als angenehm. Es geht um Kaffee und seine Funktion in der Gesellschaft. Die Interviewerin ist nicht völlig sattelfest in ihrer Gesprächsführung, das auf Youtube ungelistete Video war aber auch nur Hintergrundfutter für ihr eigentliches harmloses Video. Und dafür fand ich Sedgewicks Gedanken dann ziemlich interessant.
Noch zwei Links mehr zu Kommunikation. Einmal verweigerte, SanDisk’s silence deafens as high-profile users say Extreme SSDs still broken.
Und schließlich seltsame, Mozilla now only seems to speak using creepy, gibberish lunatic language. Die vom Poster schon letztes Jahr gezeigten Beispiele sind so gesammelt wirklich peinlich. Mozillas Marketingsprech lässt die Firma unseriös wirken.
Lakritze: Ga-Jol
Wednesday, 16. August 2023
Ich habe im Kopf, dass Ga-Jol eine Alternative zu Spunk vom gleichen dänischen Hersteller ist, mit wegen einer kritischen Zutat leicht angepassten Rezeptur. Aber den Beleg dazu finde ich nicht mehr, vielleicht verwechsel ich auch was.
Vom Geschmack aber würde es passen. Wie Spunk, meine bevorzugte Lakritzesorte, ist das hier wuchtige Salzlakritze, aber noch gut essbar. Wobei der Geschmack nicht salzig ist, sondern eben lakritzig. Auch ist es nicht mit Pulver gefüllt, was ich als Salmiak identifiziere dominiert nicht den Geschmack. Wie es genau schmeckt hängt stark davon ab, ob das Bonbon weich oder hart ist, was wiederum mit der Lagerung zu tun hat. Weich ist es fast langweilig, zu hart ist auch doof, aber erst wenn man es bei einer gewissen Härte zerkaut ist Ga-Jol (wie Spunk) richtig gut.
Es hat aber auf jeden Fall diesen angenehmen Geschmack, der mir bei Pantteri fehlte.
Wiederhergestellt: izulu 2.0
Monday, 14. August 2023
Mein langjähriges Projekt izulu ist ein Skript, das den Bildschirmhintergrund dem Wetter anpasst. Oder eher: Es ist es jetzt wieder. Denn izulu war kaputtgegangen und ich hatte lange keine Motivation, es zum Laufen zu bringen. In Version 2.0 (bzw 2.0.1, ein paar kleine Fixes kamen obendrauf) funktioniert es erneut, mit neuer Bilderauswahl, anderen APIs, aber auch reduziertem Funktionsumfang.
Es war überfällig, denn lange wollte ich da nicht ran. Zu ärgerlich war diese letzte API-Abschaltung, diesmal die von Dark Sky, die izulu mit in den Abgrund riss. Es ist eine lange Liste inzwischen eingestellter Dienste: Google Wetter, Yahoo Weather, Yahoos WOEID und freegeoip.net sind nur die, die mir gerade einfallen.
Nur weil ich über passende Alternativen stolperte und daraufhin eine Strategie formulieren konnte, kam jetzt die Überarbeitung:
- Entferne alle Funktionen, die du nicht selbst dauernd nutzt.
- Behalte den Kern, wie er ist – als recht simples Bash-Skript mit entsprechender Struktur.
- Benutzt werden nur APIs, die keinen API-Key brauchen. Der Aufwand ist Nutzern nicht zuzumuten, auch nicht realistisch in einem Bash-Skript unterstützbar.
- Genauso wird für das Projekt keine eigene Serverkomponente mehr betrieben, um den Aufwand dem Nutzen angemessen zu halten.
Bright Sky war Ausgangspunkt dafür. Das Projekt verpackt Daten des Deutschen Wetterdiensts in eine angenehm zu nutzende API, izulu zieht davon das aktuelle Wetter. Zweitens wird MET genutzt, das Norwegian Meteorological Institute, dessen API liefert die (optionalen) Wettervorhersageicons unten rechts. Damit izulu auch läuft, ohne dass unbedingt die genaue Position angegeben werden muss, verrät der Mozilla Location Service bei Fehlen derselben eine ungefähre Position über die IP-Adresse.
Noch etwas hat sich seit 2009 getan: Es ist inzwischen viel einfacher, an gute und frei nutzbare Bilder zu kommen. Damals war die beste mir bekannte Möglichkeit CC-lizenzierte Bilder von Flickr, wobei die damaligen CC-Lizenzen mit ihren Bedingungen nicht gut zum deutschen Rechtssystem passten, sie zudem auch im Konzept von izulu nur so halb umzusetzen waren (Herkunftsnennung in einer Dokumentationsdatei, ob das reichte?). Deswegen sind nun alle Wetterbilder mit solchen von unsplash ersetzt.
Die entfernten Funktionen (die zufällige Bilderwahl aus einem Ordner oder von Flickr, das Wetterradarbild Deutschlands oder der Schweiz) müssen nicht unbedingt dauerhaft entfernt bleiben, wenn sie wirklich gewünscht werden. Gerne würde ich zudem brightsky.dev durch eine internationalere Wetter-API ersetzen, da fand ich bisher aber keine brauchbare.
Das Skript jetzt wieder am Laufen zu haben fühlt sich toll an. Das Konzept, das ja gar nicht von mir kam, finde ich immer noch nett, der Computer fühlt sich hiermit etwas natürlicher an und die Wettereinbindung ist auch schlicht praktisch. Der über die Jahre fabrizierte Bash-Code ist abgesehen von ein paar Details angemessen simpel, vor allem da jetzt um einige Codezeilen reduziert.
Vorschläge gerade für die Wetter-API-Auswahl wären willkommen. Wer izulu mal testen will werfe einen Blick in die Readme, die Abhängigkeiten sind gering, wobei Wayland bisher nicht unterstützt wird und ich das Release nur unter IceWM getestet habe.
Linksammlung 32/2023
Friday, 11. August 2023
Diese Woche fand ich mehr als sonst besonders erwähnenswert:
Prepare your Firefox desktop extension for the upcoming Android release sagt Mozilla und kündigt damit endlich die vor Jahren versprochene Erweiterungsunterstützung wirklich an.
Thema Versprechen: Was steckt hinter der Pulver-Revolution von Greenforce? Zum einen erwähnenswert, weil die Recherche laut Artikel eine Kooperation zwischen Flip und Zeit war und Flip im Ganzen lesenswert wirkt. Zum anderen, weil es ein vernichtendes Bild von Greenforce zeichnet, die es mit Wahrheit und Details wohl nicht so genau nehmen. Kein gutes Bild für einen Lebensmittelhersteller.
Manchmal hinterlassen auch Computerspiele kein gutes Bild, wurde Zu viel gespielt: Wenn der Ekel kommt beschreibt dabei eine spezielle Situation, nämlich wenn Spieler hunderte oder tausende Stunden in ein Spiel stecken und es danach negativ bewerten.
Positiv ist Verges Eindruck, es berichtet über das Framework Laptop 16: our exclusive hands-on. Dabei teilt es viele Details, die den Laptop fantastisch aussehen lassen. Und die anderen Firmen, die jetzt jahrzehntelang Wegwerfmüll produziert haben und behaupteten es ginge nicht anders, stehen als Lügner da.
Die komplette Amoralität der großen US-Firmen wird auch hieran sichtbar: CEOs’ pay climbed before layoffs at tech giants like Alphabet and Microsoft, data shows.
Ein guter Grund, Google und Microsoft weiter zu meiden. Was nun wieder einfacher wurde, denn die Brave Search launches independent image/video search. Mehr unabhängige Suchindexe sind eine gute Sache, und Brave Search funktioniert generell ziemlich gut.
Mehr Zugriff auf das Internet verschaffen auch Paywallumgeher. Fantastisch fand ich diese Recherche zu archive.today: On the trail of the mysterious guerrilla archivist of the Internet.
Keine Paywall gab es in diesem Blog und der Artikel ist alt, wurde irgendwie in meinem Feedreader hochgespült, aber es war eine so gute Entgegnung dass ich ihn verlinken wollte: Na gut. Ein Mal Pegida.
Inwiefern Hochsensibilität existiert
Monday, 7. August 2023
Ich habe am Anfangspunkt dieser Recherche keine Ahnung, ob Hochsensibilität wirklich so existiert, wie sie besprochen wird – als eine bestimmbare Charaktereigenschaft, die mit Fragebogen oder anderen Methoden klassifizierbar ist. Zu wackelig ist Forschung in diesem sozialwissenschaftlich psychologischen Bereich, ist die genutzte statistische Auswertung von Fragebögen zu fragwürdig, zu drückend ist die Replikationskrise.
Wenn es das Phänomen gibt, wüsste ich immer noch nicht, ob ich darunter falle – was mir mehrmals nahegelegt wurde. Mit dem Begriff wird ja ein ganzes Sammelsurium von Eigenschaften gemeint, von denen einige bestimmt jeder für sich beanspruchen wollte, andere jeder von sich weisen würde. Da geht es mir nicht anders. Änderungen weniger gut wegstecken zu können will niemand unbedingt zugeben und wäre mir auch nicht bewusst, Rückzugsmöglichkeiten zu brauchen genausowenig und spricht nicht für den starken Mann, auch nicht stark auf emotionale Szenen in Filmen zu reagieren. Auf der positiven Seite wird bei Hochsensibilität zum Beispiel von einer Verbindung zur Hochbegabung geredet, von einer stärkeren Empathie in gewissen sozialen Situationen, von durch Übung gestähltem Umgang mit stressigen Situationen mit entsprechenden Vorteilen bei der Arbeit.
Das mag alles Quatsch sein. Aber die Anfälligkeit für eine gewisse, vielleicht nicht ganz normale Überempfindlichkeit für Geräusche kann existieren und ich an mir beobachten. Vielleicht ist das interessant mal niedergeschrieben zu sehen.
Beispiele für Unerträgliches
Da ist zuerst Lärm beim Einschlafen. Diese Szene wiederholte sich dutzendfach in meinem Leben: Ich liege in einem Gästebett und kann nicht schlafen, weil irgendetwas summt, oder besonders häufig weil eine Uhr tickt. Nach einiger Zeit stehe ich entnervt auf, hänge die Uhr von der Wand und trage sie aus dem Zimmer. Bei den regelmäßigen Besuchen bei meinen Großeltern hat irgendwann mein lieber Opa, als guter Gastgeber, nach ein paar Wiederholungen dieses Rituals schon selbst die Uhr vor meinem Besuch abgehängt. Nun ist der Einwand klar, lauter Lärm ist für niemanden beim Einschlafen hilfreich. Aber dass der Lärm die andere Person im Bett nicht störte wiederholte sich auch desöfteren und wäre wohl ausschlaggebend.
Man kann sich vorstellen, dass sowas unangenehmer als eine kleine Umräumaktion vor dem Einschlafen werden kann. Als ich nach Frankreich zog wohnte ich eine Weile in einem frisch gebauten privaten Studentenwohnheim. Eine vorher unbesehene Mini-Wohnung. Darin eine integrierte nicht abstellbare Lüftung, also Dauerrauschen. Plus ein regelmäßig lärmender Kühlschrank im kombinierten Schlaf-Wohnzimmer mit Kochnische. Das war Folter, nur ertragbar weil ich schnell lernte mit Ohrstöpseln zu schlafen und tagsüber am PC Kopfhörer trug. Trotzdem hatte ich da diesen einen Tag, als noch dazu im Büro an der Uni irgendetwas summte und es irgendeine stressige Situation gab, dass ich einer Freundin gestand den ganzen Lärm nicht mehr zu ertragen und mich auf ihrem Ratschlag hin ein paar Stunden in den Park setzte. Das half. So einen akuten Rückzugsbedarf hatte ich zuvor nie und danach nie wieder. Nicht, dass ich mich vorher und seitdem nie zurückgezogen hätte, aber der unbedingte Bedarf war nie so heftig – aber es war auch nie wieder so lange so viel Dauerlärm zu ertragen.
Ich habe mich damals gefragt, wie eine integrierte Lüftung mit ihrer Lärmbelästigung legal sein kann. Im Gegenteil sei das in dem Land gerade Vorschrift geworden für Neubauten. Da trifft die Diskussion um Hochsensibilität dann bei mir einen Nerv, weil das recht sauber erklären würde, warum andere Menschen damit kein Problem haben.
Meine anderen Beispiele sind Menschen und zeichnen ein nicht unbedingt sympathisches Bild. Sie klingen nach Misophonie, dafür fehlt aber der unkontrollierbare Ärger.
Da war die eine Weile im gleichen Büro sitzende Doktorandin aus anderem Kulturkreis, die nicht gelernt hatte die Nase zu schnäuzen und stattdessen sie immer wieder hochzog. Widerlich, unerträglich, da konnte sie noch so hübsch sein. Meinen zweiten Bürokollegen schien es nicht zu stören.
Der Junge zur Schulzeit morgens am Frühstückstisch, der sich irgendwann angewöhnt hatte beim Löffeln der Cornflakes auf den Löffel zu beißen, also mit den Zähnen über das Metall zu schleifen. Auch das unerträglich, gerade direkt nach dem Aufstehen. Mein Protest führte zu Beleidigtsein bei ihm, sodass er erst recht so weitermachte, und Schelte für mich von den Eltern. Der Junge isst meines Wissens immer noch so.
Regelmäßig werden Reisen unangenehmer. Bei Zugreisen, wenn ein Sitznachbar ein Ekel ist und an den Nägeln knibbelt, ist das unheimlich schwer auszublenden. Besonders, wenn der die dann zerbeißt, dieses "Knack". Unhöflich ist das für alle, aber offensichtlich gibt es Menschen, die sich trotzdem so verhalten (und sich also nicht dran stören?). Wenn bei Autoreisen der Fahrer einen Tick hat und immer wieder geistesabwesend mit seinem Fingernägel über das geriffelte Material des Lenkrads fahren muss ist das wenigstens nicht eklig, aber auch schwierig zu ertragen.
Konsequenzen, auch für die Arbeit
Bestimmte Dinge nicht gut ertragen können, das ist eine gute Umschreibung. Bestimmte Geräusche, Lärm, Reize.
Im Zusammenhang dem Phänomen zugeschriebenes weitergehendes, also z.B. den geübten Umgang mit Stress und gleichzeitig die vermehrte Entstehung desselben bei vielen gleichzeitigen Aufgaben, kann ich weniger gut einschätzen. Natürlich vermeidet man die, aber das machen alle, oder? Natürlich sind wir alle mehr oder weniger geübt darin, mit stressigen Situationen umzugehen und haben unsere Taktiken, richtig? Dass ich gerade – es ist 15 Uhr – in einem abgedunkelten ruhigen Raum sitze ist auch völlig normal und keine verinnerlichte Reizreduzierungsstrategie, zweifellos? Und dass ich nur selten Kaffee trinke und dann das Koffein deutlich spüre ist auch nur eine zufällige Überschneidung mit dem Fragebogen (der sowieso fragwürdig ist), keine Frage.
Thema abgedunkelter Raum: Ohne Witz ist das ja tatsächlich meine bevorzugte Arbeitsumgebung. Bevor ich diesen Artikel schrieb habe ich entspannt an einem Skript programmiert, das hier ist der Raum, in dem ich das letzte Jahr gearbeitet habe, generell entstanden in solchen Umgebungen fast alle meine Softwareprojekte. Wenn diese Eigenschaft wirklich existiert und ~20% der Bevölkerung betrifft, erklärt das die heftigen Reaktionen zum Gegenmodell Großraumbüro. Dann ist es eben nicht nur so, dass mit 50 Personen gefüllte Menschenställe für bestimmte Arbeiten nicht passen, sondern, dass sie für einen relativ großen Teil der Bevölkerung kaum zu ertragen sind. Während die verbliebenen 80% kein Problem wahrnehmen. Gleichzeitig erhöhte Hochsensibilität den Reiz der Heimarbeit für manche, während andere höchstens die reduzierte Pendelzeit als Vorteil sehen.
Also ein hilfreiches Modell?
Hey, klar: So zusammengeschrieben klingt Hochsensibilität erstmal total passend für mich und schlüssig als Konzept. Aber es ist ja nicht immer so, die beschriebenen Situationen wiederholen sich ja nicht alle fünf Minuten. Das Klackern meiner mechanischen Tastatur stört mich null, zu meiner eigenen und zur Verblüffung der Hausphysikerin. Und dass manche Menschen Lärm weniger gut ertragen als andere macht noch keine feste Persönlichkeitseigenschaft, mit der dann alles mögliche andere verbunden ist. Im Zweifel ist da einfach nur eine Lärmempfindlichkeit, was dann gleich noch weniger positiv klingt, die manche typische Konsequenzen hat.
Ich habe daher massive Zweifel daran, dass Hochsensibilität so existiert wie es besprochen wird. Schon vom Wort her ist es zu einfach, damit positives zu verknüpfen, sodass dann nahezu jeder zwecks Wunschdenken sich entsprechend deklarieren wird. Jeder ist mal von Lärm, Stress oder Gerüchen gestört, will mal alleine sein und sieht sich gelegentlich als empathisch; Jeder kann die Klassifizierung dann entsprechend rechtfertigen. Jede Frauenzeitschrift wird die Eigenschaft positiv thematisieren, etwaiges Leid romantisieren. Die mit dem Konzept dann auch beschriebenen negativen Aspekte sind im Extrem schwer nachzuvollziehen, für nicht tatsächlich betroffene – wenn es denn Betroffene gibt – entsprechend kaum einzuschätzen. Eine Selbsteinschätzung per Fragebogen ist für sowas völlig anfällig, entsprechend völlig ungeeignet. Man müsste schon mit Gehirnscans Unterschiede bei der Reizverarbeitung nachweisen. Dazu gibt es eine Studie, die immerhin nahelegt, dass es ein solches Phänomen gibt. Aber mit 18 Teilnehmern ist es unzulässig, davon auf die große Masse zu schließen, zudem wurden von ihr nur Teilaspekte (wie eben Empathie durch Emotionenidentifikation) getestet. Dass manche darin besser sind als andere ist unstrittig, die Überschneidungen mit dem Fragebogen in dem Aspekt erstmal nicht überraschend, auf den ersten Blick sehe ich bei diesen Ergebnissen auch keine Aufdröselung nach Geschlecht, was bei Empathie relevant erscheint.
Völlig unklar ist mir auch, was davon Gewöhnung ist. Wie viel der Bevorzugung des abgedunkelten Büros ist veranlagte Reizreduzierung, wie viel ist Gewöhnung durch die Notwendigkeit des Abdunkelns früher, angesichts der damals nicht ausreichend hellen Bildschirmen? Bevorzugen manche Leute eine ruhige reizarme Arbeitsumgebung, weil sie entsprechend veranlagt sind, oder weil sie es kaum anders kennen, und nach zwei Monaten im Großraumbüro wäre da kein wahrnehmbarer Unterschied zu den lärmerprobten Kollegen?
Aber bis mindestens dahin gibt es diese Empfindlichkeit eben, ob sie als Hochsensibilität mit anderen Eigenschaften zusammengepackt wird oder nicht. Für die Existenz von Lärmempfindlichkeit als solche habe ich ja genug Beispiele beschrieben. Auch die Annahme der Existenz des vollen Phänomens ist in einem gewissen Umfang hilfreich. Erstens schafft es eine verständliche Grundlage für Vermeidungsstrategien, für die Rechtfertigung derselben auch vor sich selbst. Das Verbannen der tickenden Wanduhr aus dem Gästezimmer z.B. ist dann kein Spleen mehr, sondern angemessen. Zweitens erklärt es auch in vielen anderen Situationen eigene Reaktionen, Verhaltensweisen und Stimmungen. Beispielweise die oben beschriebene Szene aus meiner Anfangszeit in Frankreich, oder auch die unerwartete und überraschend stark gefühlte Erleichterung, als durch einen vorherigen Umzug ein (vorher mir gar nicht als Problem bewusster) regelmäßiger Straßenlärm aus meinem Leben verschwand.
Und vielleicht erklärt sich so auch entsprechend unentspanntes Verhalten während Dauerlärms, aber da wird es wackelig. Aber als einfaches Beispiel, alles so zusammengeschrieben ist es kein Wunder, dass eine gute passive Geräuschisolierung bei meinem letzten Kopfhörerkauf ein gesetztes Auswahlkriterium für mich war. Oder warum ich mich über die Lärmreduzierung durch fan2go so gefreut habe.
Noch wackeliger wäre der Versuch, mittels Hochsensibilität bestimmte meiner Stärken in manchen Bereichen bei Hochbegabung ausschließenden Schwächen in anderen zu erklären. Aber es würde so gut passen, dass ich den Reiz des Konzepts nur zu gut verstehen kann.
Ich zweifel daran, dass es Hochsensibilität gibt. Aber ob es sie gibt oder nicht: Es gibt genug andere Sensibilitäten wirklich, die in diese Richtung gehen. Wenn wir Arbeit und Leben mit Rücksicht auf diese entsprechend organisieren können, kann das nur ein Vorteil sein. Für vermeintlich Betroffene helfen Selbstakzeptanz, Kopfhörer, Ohrenstöpsel und wenn möglich eine angepasste Berufswahl.
Linksammlung 31/2023
Friday, 4. August 2023
Diese Woche fand ich besonders erwähnenswert:
Google’s Plan To DRM The Web Goes Against Everything Google Once Stood For. Und zum gleichen Thema The Right to Lie: Google’s “Web Environment Integrity” Proposal is a Geyser of Badness Threatening to Swamp the Open Web. Zusammen wird sehr deutlich, was das Problem ist. Googles Monopol muss gebrochen werden.
Lesenswert ist ein Faktencheck: Beitrag des freien Autors Fabian Wolff. Welche tragische persönliche Geschichte dahinterstecken muss, wenn die Mutter den jüdischen Hintergrund wirklich einfach erfunden hat.
The Fall of Stack Overflow, Explained listet einige Gründe, warum Stack Oververflow so viele Besucher verloren hat. Demnach gab es nicht den einen, sondern es ist eine Kombination mehrerer Faktoren, inklusive dem toxischen Umgang mit Nutzern.
Es gab eine kleinere Verlangsamung bei der ansonsten derzeit schnellen Weiterentwicklung von Thunderbird: Sync-Funktion wird nachgereicht. Bei so einer Funktion ist Vorsicht richtig.