Velvet Assassin ist eines dieser Spiele, die es heute kaum noch gibt. Es ist nicht Indie und es ist kein AAA-Game, es ist ein nicht perfektes, nicht allzu langes (10h Spielzeit), professionell gemachtes Mid-Budget Schleichspiel mit fehlendem Ende.
Als Schleichspiel ist es ziemlich einzigartig, es ähnelt in der Hinsicht Metal Gear Solid, Alpha Protocol, Thief oder Deus Ex, ohne so gut zu sein wie eines dieser Spiele. Trotzdem ist es ein gutes Spiel, das genug motiviert um es durchzuspielen, und mir persönlich besser gefällt als (das in Teilen ja sogar ganz ein bisschen ähnliche) Batman: Arkham Asylum, das ich stattdessen hätte spielen können.
Man hat bestimmte Aufgaben zu erfüllen, meist bestimmte Nazis zu töten, unterteilt in Untermissionen um in ihre Nähe zu gelangen. Das alles ist eine Retrospektive, die Heldin liegt verwundet in einem Bett und träumt davon, wie sie hierher kam. In Zwischensequenzen wird erzählt, wie sie dabei mitbekommt, dass ihre französischen Pfleger über die Zukunft der Wehrlosen uneinig sind. Denn die Nazis suchen sie und fordern ihre Auslieferung.
Im Spiel selbst folgt man linearen Levels, in denen Wachen festen Patrouillenwegen folgen. Mit ein bisschen Geschick und etwas Kombinationsgabe können sie alle lautlos getötet werden indem man sich von hinten anschleicht und sie dann per Knopfdruck erledigt. Wobei sie manchmal mit Pfiffen weggelockt werden müssen und es nicht immer ganz einfach ist. Alternativ gibt es auch fast immer Munition, um zu knackige Stellen mit Gewalt zu lösen, und es gibt ein paar Situationen, in denen Schleichen keine Option ist. Dazu kommt das relativ seltene Morphium, mit dem für eine kurze Weile die Zeit angehalten und ein einzelner Gegner ausgeschaltet werden kann.
Third-Person, Grafik der letzten Konsolengeneration, RPG-Elemente, Checkpoint-Speichersystem. Das nervigste am Spiel ist genau das, der fehlende Quicksave - es ist wohl eine Konsolenadaption - und die Standard-Tastaturbelegung, bei der Pfeifen auf der Leertaste liegt, wodurch jeder Spieler seinen eigenen Tod herbeiführen wird wenn er das erste mal springen will. Was übrigens nicht geht.
Das Spiel hat seine Besonderheiten. Es ist eine Protagonistin, kein Held, unüblich genug und stellenweise gut genutzt. Die Grafik ist technisch nicht beeindruckend, aber öfter mal hübsch gemacht und mit künstlerischem Einschlag, mit herbstlichen Farben und guten Licht- und Schatteneffekten. Es gibt hübsche Zwischensequenzen, mit farbigen Videos samt Weichzeichner für die Handlung, in Polaroidfoto-Rahmen und ausgebleicht für die Missionsbesprechung. Dazu nicht unhübschen Ladegrafiken, welche Violette zeigen. Das Beste aber ist die Sprache: Nazis sprechen deutsch, Franzosen französisch, Violette als britische Agentin englisch, alles untertitelt in englisch. Und es ist echtes deutsch und französisch, kein amerikanisches Möchtegern. Allerdings hätten mehr Sprecher dem Spiel gut getan.
Überraschenderweise ist es dem Thema angemessen düster. Die Nazis sind so fürchterlich, wie sie eben waren, reden in dieser Endphase des Krieges von Folter und Holocaust, töten Zivilisten und zeigen ab und an einen zynischen Humor. Das gepaart mit Violettes hörbaren Hass auf die Nazis und der Unsicherheit über ihre Zukunft ergibt eine sehr düstere Stimmung, was für ein kleines Spiel mit eher simpler Mechanik schon ungewöhnlich ist. Dazu kommen Szenen in Warschaus Ghetto während des Aufstandes, wo es mir fast zu viel wurde…
Es ist kein perfektes Spiel, es hat Macken. Aber es ist erinnerungswürdig und interessant, daher es in jedem Fall wert, beim nächsten Sonderangebot (bei Steam kostete es letztes Wochenende 0,70€) mitgenommen zu werden.