Browser, da gibt es Firefox und Chrome, und unter Windows noch den Internet Explorer, um damit einen dieser beiden herunterzuladen, während auf Macs Safari ein schlechterer Chrome ist. Das wars. Nur: Das stimmt nicht mehr.
Es ist ein bisschen Bewegung in den Browsermarkt gekommen, den aktuellen Stand will ich hier auflisten.
Firefox
Besieger des IEs, lange führender freier Browser - Firefox ist ein Gigant. Dank neuer Oberfläche, Performance-Verbesserungen und tollen neuen Features gelten die negativen Aspekte dieser Beschreibung aber nicht wirklich für die Software selbst. In den letzten Jahren geriet Firefox unter Druck, wohl vor allem, weil Chrome schlicht der bessere Browser war. Jetzt aber hat Firefox wieder aufgeholt, ist schneller und hübscher geworden, ohne seine überlegene Anpassbarkeit durch Plugins zu verlieren. Natürlich nicht, ohne ewig-gestrige durch das bloße sanfte Ändern der Oberfläche zu verlieren.
Chrome & Chromium
Dem Browser und dem ihm zugrunde liegenden OS-Projekt von Google geht es immer noch gut. Aus dem kleinen, minimalistischen und zu Beginn unnutzbaren Experiment ist der Marktführer geworden. In den letzten zwei Jahren mit den Nachteilen, die ein solcher Status bringt: Nur für Chrome geschriebene Webseiten, nur für Chrome verfügbare Erweiterungen. In letzter Zeit hat sich ersteres entschärft, was wohl eher nicht an Einsicht der Webentwickler liegt, sondern am langsamen Wegfall der -webkit-Präfixe für experimentelle Features, und der Stabilisierung von HTML5.
Über den Browser selbst gibt es nichts neues zu sagen. Die Oberfläche ist weitestgehend wie zuvor, der Performancevorteil existiert dafür nicht mehr, und ich bin inzwischen wieder bei Firefox, auch weil Chromium unter Linux zu instabil war.
Opera
Es gibt ihn inzwischen wieder für Linux! Aber Berichten zufolge ist Opera kein Opera mehr, und da es nur eine 64-Bit-Version gibt kann ich ihn nicht testen.
Aus der Ferne kann ich sehen, dass Opera keine eigene Engine mehr hat, stattdessen wird Blink genutzt, ebenso wie bei Chrome. Eine Ähnlichkeit, die man Screenshots zufolge wohl auch in der Oberfläche wiederfindet - aber bei der Verbreitung, da scheint Opera auch nach dem Umbau bedeutungslos zu sein.
Vivaldi
Vivaldi versucht, den alten Opera-Browser wiederzubeleben, setzt dabei ebenso wie Neu-Opera auf die Blink-Engine. Anders als Opera gibt es eine 32-Bit-Version, ich kann mir die aktuelle Preview also sogar anschauen.
Eigentümliche Farbgebung, die sich an die besuchte Seite anpasst, separierte Suchleiste, die Tableiste kann umgestellt werden - Vivaldi macht keinen schlechten ersten Eindruck. Es fehlt ein Adblocker, der Mail-Client ist bisher nur eine in die UI eingebaute Absichtserklärung. Die UI würde ich schon nicht mehr als minimalistisch bezeichnen wollen, dafür ist sie zu auffällig und es gibt sie als Leisten überall. Trotzdem, die spürbare Zuneigung für die ersten Versionen ist nachvollziehbar, Vivaldi wirkt, als würde er eine valide Option werden. Und anders als früher bei Opera sollte die Webseitendarstellung kein Thema sein, denn mit Blink ist dafür eine massenbenutzte Engine da.
SeaMonkey
Ich war überrascht, SeaMonkey nicht in den Quellen zu finden. Das Projekt ist alt, der Browser ist alt, selbst das Konzept einer Web-Suite statt eines Browsers ist alt. Denn genau das ist SeaMonkey: Mehr als nur ein Browser, ist es ein Browser plus Mail-Client samt Editor und Adressbuch plus IRC-Client, und natürlich ist der Mail-Client gleichzeitig ein Newsgroup-Client.
Entsprechend präsentiert sich die Oberfläche. Lesezeichenleiste, große Buttons (samt einem zum Drucken und einen Spezialbutton zum Suchen), die Leisten sind einklappbar, die Tableiste erstmal versteckt. Das alles wirkt wie bei meiner Anfangszeit unter Ubuntu, als Firefox noch weit von der momentanen Oberfläche weg war, nur… älter. Anders gesagt: Die Oberfläche mit ihrem GTK-Design und Größenunterschieden ist wirklich nicht hübsch. Gleichzeitig aber schon anpassbar, auch wenn Dinge wie ein kombinierter Stop-Reload-Button zu Fehlen scheinen, Tabs nicht per mittlerer Maustaste schließbar sind - SeaMonkey für mich anzupassen wäre ein Kampf. Wer aber genau das sucht - die Oberflächen von damals, den integrierten Mail-Client - der könnte mit SeaMonkey glücklich werden.
Pale Moon
Pale Moon ist eine seltsame Mischung, man betrachtet ihn wohl am besten als ungewöhnlichen Firefox-Remix. Denn es ist ein Firefox mit der altbackenen Oberfläche, ohne WebRTC und ein paar anderen Features, dafür mit aggressiveren Performance-Voreinstellungen wie einer Kompilierung mit -O3
- hier gibt es eine Liste. Dazu kommen Voreinstellungen wie eine eigene Startseite und duckduckgo als voreingestellte Suchmaschine.
Kann man sich als UI-Konservativer wohl anschauen, für mich ist es dadurch keine Option.
Midori
Der Browser von elementaryOS und Xfce ist interessant, weil er tatsächlich eine valide Option zu sein scheint, ohne ein Firefox-Klon oder von einer Firma zu sein. Es ist eine GTK-Oberfläche mit Webkit als Engine, und es gibt ein paar Erweiterungen, z.B. den unbedingt notwendigen Werbeblocker.
Er hat aber auch dämliche Voreinstellungen wie die, bei mittleren Mausklick den Inhalt des Clipboard in die URL-Bar zu pasten und dorthin zu navigieren, und der "Nächstes oder Weiter"-Button der aktuellen Version sieht einfach kaputt aus. Mit ein paar Anpassungen wäre dieser Browser wohl völlig ok und könnte dann der kleine schnelle Browser mit minimaler Oberfläche sein, der er sein will.
rekonq
Rekonq gehört zum KDE-Projekt und ist dort eine Alternative zu Konqueror, dem alten Browser, der vor Dolphin gleichzeitig der Dateimanager war. Das letzte Release ist über ein Jahr alt, sodass die Version in den Quellen aktuell ist. Kein gutes Zeichen bei den normalerweise schnellebigen Browsers.
Allen KDE-Klischees entsprechend schafft es rekonq, beim ersten Start abzustürzen, um beim zweiten mich mit dem Hinweis zu begrüßen, dass keine Suchmaschine aktiv sei und also keine Suchvorschläge angezeigt würden, und dabei auf ein Konfigurationsmenü zu verweisen wo das geändert werden könne, das aber vollkommen unverständlich ist.
Es bleibt dann ein Browser mit einer reduzierten Oberfläche. Anders als Midori ist die Suchleiste in die URL-Eingabe integriert, trotzdem werden keine Suchergebnisse automatisch vorgeschlagen. Ein Adblocker ist integriert, filtert aber Werbung nicht von selbst und hat keine für mich auffindbare Konfiguration. Es gibt eine Browserseite für neue Tabs, bei der neben Favoriten auch der Verlauf und Downloads angezeigt werden können. Mich stören Kleinigkeiten, wie der seltsam ausgerichtete Button für neue Tabs, und der Platzhalter-Text in der URL-Eingabe, der ja wohl wirklich nicht nötig ist. Und dass der Browser sich langsam anfühlt.
Web
Der Preis für den bescheuertsten Namen, mit Sonderpunkten in der Kategorie Arroganz und Apple-Nachmache, geht an Web, vormals Epiphany, dem Browser des Gnome-Projekts. Ohne ihn getestet zu haben erwartete ich eine Reduzierung auf das Unbenutzbare. Ich teste allerdings nicht die neueste Version, denn die lässt sich auf meinem System nicht installieren und es gibt keine Binaries, sondern die aus den Quellen: 3.10, die aktuelle ist 3.16 - ein gutes Zeichen, das Projekt ist aktiv.
3.10 ist dann tatsächlich sehr reduziert und macht ein paar Dinge anders. Der (funktionierende) Adblocker ist nicht konfigurierbar und wird im Gegensatz jeder Konvention aktiviert, indem die Option "Werbung anzeigen" deaktiviert wird. Die Icons der Oberfläche sind weit auseinander und schwarz-weiß, die UI ist wirklich etwas eigenes. Unsympathisch: Mein Blog ist nicht erreichbar, aber den Fehler schreibe ich einfach mal der veralteten Version zu.
Ich bin mir unschlüssig, ob der Browser tatsächlich zu reduziert ist - mir gefällt zum Beispiel, dass die Suchleiste in die URL-Eingabe integriert ist und tatsächlich Suchvorschläge anzeigt, so wie es sein soll. Mich stört aber die gelbe und beim Hovern eines Links sofort aufpoppende Statusleiste, die natürlich auch nicht konfigurierbar zu sein scheint.
Immerhin interessiert es mich jetzt, wie die aktuelle Version ist. Und das ist besser als erwartet.
Servo
Servo ist nicht wirklich ein Browser. Es ist das wahrscheinlich anspruchsvollste aller Projekte dieser Liste, inklusive Chrome und Firefox. Servo ist eine parallelisierbare Browser-Engine. Das Ziel ist es, statt wie bisher einen Hauptthread zum Rendern der Seite zu haben, alles parallel in mehreren Threads zu rendern, sodass die vielen Kerne moderner Hardware genutzt werden. Geschrieben ist die Engine in Rust, eine Programmiersprache, die selbst nichtmal stabil ist. Noch dazu ist das Projekt mehr als Code, denn manchmal müssen Spezifikationen angepasst werden, wenn sie so geschrieben sind, dass sie nicht parallelisiert werden können. Gut, dass Mozilla dafür die nötigen Kontakte haben sollte.
Es geht hier also nicht um die Oberfläche oder Kleinigkeiten wie Adblocker. Die Frage ist vielmehr, ob Servo je eine valide Engine werden wird, die alle üblichen Webseiten anzeigen kann. Denn derzeit ist dem nicht so, und schlimmer noch, derzeit dauert die Installation Stunden und scheitert gerne mal, was am momentan laufenden DDoS gegen Github liegen kann.
Wenn es dann mal läuft, sieht servo so aus:
Keine UI, die Mausinteraktion funktioniert noch nicht, Anzeigefehler sind da - generell fehlt da noch viel. Andererseits wird die Seite angezeigt, die Grundlagen sind da. Gleichzeitig macht das Projekt auf Github einen aktiven und sympathischen Eindruck. Könnte was werden.
Fazit
Es gibt wirklich einige andere Optionen für den bevorzugten Browser. Und nicht nur dass, auch die großen Browser entwickeln sich stetig weiter, so bin ich beispielweise sehr zufrieden mit der Entwicklung von Firefox, nur dass mich web-feindliche Entwicklungen wie der Wegfall des RSS-Buttons ärgern. Die neuen Projekte, wie Midori und Vivaldi, sind echte Optionen, die durchaus für die alltägliche Nutzung geeignet scheinen.
Die vielen Browser sind möglich, weil ihre Engine nicht eigenständig ist. Davon gibt es im Grunde nur noch drei: Gecko, WebKit und Blink, wobei Blink auch noch aus Webkit hervorgegangen ist. Auch deswegen ist Servo so spannend, nicht nur, weil es eine neue Engine mit einer guten Mission ist, sondern weil Servo das kleine Engine-Ökosystem aufmischen könnte. So könnte 2015 für Browser ein gutes Jahr werden.
Netz - Rettung - Recht am : Wellenreiten 03/2015
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