Jono Bacons Bemerkungen zur Brainstorm-Abschaltung haben bei mir eine Erinnerung freigesetzt. Als Ubuntu bekannt wurde war ich ja bei ubuntuusers aktiv, trat als Supporter dem Team bei und verbrachte viel Zeit in dem Forum. Und wenn ich natürlich nicht für alle reden kann, war zumindest bei mir die Grundeinstellung bezüglich dieses Linuxsystems: Das wars jetzt.
Ob Gnome 2, das damalige KDE oder die unbekannteren Fenstermanager: Die Desktopmetapher war perfektioniert. Seit Windows 95 hatte sich da nichts mehr getan, Microsoft produzierte Schrott (Vista! Wobei, das war etwas später), warum sollte sich da jetzt noch etwas ändern? Der Linuxkern untendrunter funktionierte gut, soweit wir sehen konnten. Es ging nur noch darum, die richtigen Standardeinstellungen zu finden, Bugs zu beheben, Workarounds umzusetzen, Konfigurationssoftware zu bauen.
Es ist diese Einstellung, die erklärt, warum ein Ziel wie "Fixt Suspend/Hibernate auf allen Laptops" richtig erschien. Was sonst sollte man machen? Die Iconfarben ändern?
Natürlich ist genau das passiert.
Auf der einen Seite stimmte die Einstellung damals: Es hat sich nichts mehr getan. Selbst das so disruptive Gnome 3 ist letzten Endes, von der Oberfläche her, Windows 95 kaum überlegen. Die Änderungen sind im Zweifel Änderungen, nicht Verbesserungen, was die Oberfläche besser macht sind Funktionen wie virtuelle Desktops, die die Linuxwelt schon vorher hatten. Compiz kam und verschwand wieder, der 3D-Desktop war genau so unbrauchbar wie er zuerst schien. Wir benutzen immer noch Maus und Tastatur und Monitor, und gerade bei den Eingabegeräten oft genug exakt die gleichen wie damals.
Aber andererseits war die Erwartung, dass nun zielgerichtet das System perfektioniert wird, komplett falsch. Stattdessen wurde umgekrempelt was umzukrempeln ging, kämpften die verschiedenen Distributionen und ihre technischen Initiativen um die Vorherrschaft. Ja, im Großen geht es vorwärts, sehen unsere Oberflächen nun hübscher aus als damals und haben Animationen. In manchen Bereichen wie der Spieleunterstützung ist der Fortschritt so massiv wie hervorragend. Aber es ist oft keine direkte Vorwärtsbewegung, es ist ein wildes Umherzucken und man muss bei jeder Bewegung froh sein, wenn nicht gerade kaputt geht was vorher perfekt funktionierte. Pulseaudio ließ hunterttausendfach Computersoundsysteme verstummen. Die beiden bekannten Desktopumgebungen entschieden nahezu zeitgleich, von null anzufangen und ihre stabilen Versionen mit instabilen und dem üblichen Deskop fernen Experimenten zu ersetzen, woran das Gnome-Projekt beinahe zugrunde gegangen wäre als die Nutzer rebellierten. X sollte ersetzt werden durch Mir und Wayland, Mir starb, Wayland versucht sich immer noch als schlechteren X-Ersatz. Systemd nistete sich als seitdem immer weiter wachsendes Krebsgeschwür unter dem Deckmantel eines Initsystem in die Distributionen ein, machte Logs binär und Startprozesse so instabil wie unwartbar. Und das sind ja nur die großen Beispiele, die üblichen Verdächtigen.
Diese Sichtweise erklärt dann auch die Abwehrbewegungen. Wer wie ich seit über zehn Jahren den gleichen Nischen-Fenstermanager einsetzt (wenn auch mit einem schöneren Design) hat kein Interesse daran, wenn das Fundament wackelig wird. Und genau: Die Linuxwelt hat sich getrennt, mit Extremen wie Fedora auf der einen Seite – die Wayland einsetzten, obwohl das System längst noch nicht als X-Ersatz taugte, und SELinux anschalteten, obwohl dann in vielen Situationen der unbedarfte Nutzer komplett blockiert wurde – und Anti-Systemd-Distributionen wie Devuan oder auch void auf der anderen, und dazwischen Distributionen wie Ubuntu, die nach schmerzhaften Ausbruchversuchen wie Unity generell der Masse folgen.
Aber wenigstens ist der vorher braune Desktophintergrund jetzt pink.