Gassigehen mit Katzen
Monday, 7. December 2020
Vor ein paar Jahren fuhr ich mit dem Fahrrad von der Uni nach Hause. Dabei kam ich an einer Situation vorbei, die mich zum Anhalten brachte: Eine junge Frau ging ihr Haustier spazieren, aber an der Leine war nicht etwa ein Hund, sondern eine Katze. Die schnüffelte freudig an einem Busch herum und wirkte kein bisschen gequält. Ich hielt also an und sprach etwas mit der Frau. Sie meinte, das sei alles gar kein Problem. Es sei zwar nicht ganz wie bei einem Hund – ihr Kater ging mehr mit ihr spazieren und sie zog ihn nur manchmal weiter, wenn er an einer Stelle wirklich zu lange brauchte – aber man müsse damit nur früh genug anfangen. Es war perfektes Timing, denn ich hatte gerade ein Katzenbaby bei mir aufgenommen.
Mittlerweile kein Baby mehr, hat das mit dem Spazierengehen an der Leine sich wirklich bewährt:
Ein Gewöhnungsprozess und Glücksfall
Es fing mit dem Weg zum Tierarzt an. Ich hatte kein Auto und auch keine Transportbox, stattdessen nahm ich die Kleine an die Leine und dann auf meine Schulter. So liefen wir durch die Stadt, bekamen ein paar Kommentare zu hören, aber die Leute waren immer nett. Später ging es gemeinsam in den Garten – als sie noch zu klein war, alleine zu sein. Und dann wieder eine Weile, als sie sich als zu blöd erwies, nicht auf Sachen zu klettern von denen sie nicht mehr herunterkam. Das besserte sich zum Glück, sie durfte dann auch wieder alleine in den Garten.
Nach einem Umzug wohnten wir perfekt katzengeeignet, sodass ich die Leine nur noch selten herausholte. Aber immer noch gelegentlich, der Weg zum Tierarzt war weiterhin weniger eine Angelegenheit für die mittlerweile durchaus vorhandene Transportbox, sondern für die Schulter. Doch jetzt, noch einen Umzug später, ist die Lage wegen der nahen Straße für Katzen nicht gerade perfekt. Dazu kamen die anfänglichen Berichte über coronainfizierte Haustiere. Doch gibt es hier ein kleines Stück weiter einen perfekten Waldweg, jetzt erweist sich die frühe Gewöhnung an die Leine als sehr praktisch: Anstatt sich dauernd in der Wohnung zu langweilen können beide Katzen (der später dazugekommene Kater lernte die Leine ebenfalls kennen) gelegentlich mit uns in den Wald.
Und sieh nur, wie er läuft!
Tipps
Das soll keine Quälerei sein, weder für Mensch noch Katze. Beachte also ein paar Hinweise:
- Es gibt Geschirr, das sowohl für kleine Hunde wie auch für Katzen geeignet ist. Trixie vertreibt ein günstiges, wir haben das und ein minimal besseres, beide funktionieren soweit einwandfrei. Findet sich manchmal im Supermarkt oder bei Fressnapf. Viel besser, als die Leine an einem Halsband zu befestigen und dann das Tier am Hals herumzuziehen.
- Das Geschirr anzulegen ist je nach Katze eine größere Sache. Auf keinen Fall soll sie die Situation als unangenehm lernen, gleichzeitig ist das Berühren am Bauch eine Konfliktsituation, wenn die Katze nicht gerade ein Schmusekater ist. Und lernen, dass sie das mit Kralleneinsatz verhindern kann, soll sie auch nicht. Also: Das so üben, wie man ihr auch "Sitz" und andere Befehle beibringt, konsequent, aber mit Geduld und Bonbons als Belohnung.
Zur Not kann man es anfangs auch anlegen, wenn sie gerade frisst und dabei abgelenkt ist, dann sollte das selbst ohne Übung ohne den anfänglichen Widerstand gehen. Und sie lernt, dass das Geschirr nicht ihr Feind ist. - Die Katze an Geschirr, Leine und den Spaziergang zu gewöhnen wenn sie jung ist kann dem Ganzen nur helfen, selbst wenn es anfangs nicht oft gemacht wird. Das ist wie beim Baden, nur gut wenn die Katze das jung lernt, damit es nicht ganz neu ist wenn es später mal gebraucht wird.
- Statt der kurzen Leine würde ich mittelfristig eine verlängerbare nehmen. Einen Hund würde man ja auch nicht immer an der kurzen Leine halten.
- Wenn die Katze es gewöhnt ist alleine unterwegs zu sein, wird sie auch mit Leine den Weg wählen wollen. Kann man so machen, wie die Frau auf dem Heimweg mir das damals ja auch erklärte. Aber mittlerweile weiß ich, dass Katzen durchaus auch richtig Gassi gehen können, einen vom Halter ausgesuchten Weg. Das geht wahrscheinlich besser, wenn es eben nicht das gewohnte Revier vor der Haustür ist.
- Bei kritischen Situationen wie vorbeikommenden Hunden: Ab auf die Schulter oder schnell in den Transportrucksack (nur ein Beispiel, den unseren fand ich nicht). Beides geht natürlich nur, wenn die Katze diesen Ort mag – auch das lässt sich üben, besonders der Rucksack mittels dort versteckten Bonbons.
- Das Geschirr nicht zu locker anlegen. Katzen können sich ja verflüssigen, entsprechend leicht befreien sie sich aus zu lockeren Geschirren. Besonders dann, wenn sie Angst bekommen haben.
- Jetzt im Winter hat der Kater gelegentlich gestreikt, nach einer Weile legte er sich auf den Boden und wollte nicht mehr weiter. Gut, dann reicht es ihm eben, es ging zurück, woraufhin er wieder freudig mitlief. Es ist ja auch kalt und er hat weniger Fell als meine Katze. Darauf bitte Rücksicht nehmen.
Die Katze gewinnt
Das ganze lohnt sich, denn es tut dem Tier gut. Man merkt es daran, wie es nach so einem Spaziergang entspannter ist. Auch erledigt, aber das ist für eine ansonsten unterforderte Stubenkatze eine gute Sache, die Wohnung wird den Tieren ja langweilig. Und nein, das Entspanntsein ist nicht der abklingende Stress nach einer Horrorsituation – das merkt man spätestens dann, wenn die Katze sich schonmal hinsetzt und mit raus will, wenn das Geschirr in die Hand genommen wird oder sie anderweitig mitkriegt, dass sie jetzt wieder raus kann.
Wir in Deutschland haben irgendwann entschieden, dass Hunde Gassigehen und Katzen alleine rausdürfen oder in der Wohnung versauern müssen. Dabei ist dieses Gassigehen mit Hunden in anderen Ländern ganz anders gelöst, wenn der Hund zum Beispiel größtenteils im Garten lebt und ihn Gassi zu führen unüblich ist. Dass bei Katzen das auch nur eine uns offene Entscheidung ist, ist vielen nicht bewusst. Die können das genauso lernen wie Hunde (wie ja auch auf Befehle wie Sitz zu hören und zu apportieren). Und es ist ein guter Mittelweg: Katzen, die alleine rausgehen, haben eine viel kürzere Lebenserwartung. Aber Katzen, die gar nicht rauskommen, werden vor Langeweile verrückt. Dann wenigstens gelegentlich an der Leine Spazierengehen zu können kann ihre Lebensqualität nur verbessern.
Netz - Rettung - Recht am : Wellenreiten 12/2020
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