Zivilcourage
Wednesday, 11. March 2009
Manche Dinge verlieren in der Krise ihre Bedeutung. Die Schuldentilgung des Staates ist ein Beispiel dafür. Andere Dinge bekommen durch die Krise eine zusätzliche Bedeutung.
Ich werde niemandem erklären müssen, wer John F. Kennedy war. So gegenwärtig er als erschossener Präsident in den Erinnerungen der Menschen auch heute noch ist, so unbekannt ist hierzulande sein Buch "Zivilicourage". Acht Jahre vor seinem Tod veröffentlicht, ist es dem Titel nach ein Buch über Mut.
Mut in der Politik. Mut gegen die Öffentlichkeit, Mut gegen den Wähler.
Die Freiheit dieses Landes und seiner großen Aufgaben wird niemals gesichert sein, wenn seine Staatsmänner wie Knechte dem Geheiß ihrer Wähler folgen würden, anstatt ihre Repräsentanten zu sein, die für die bleibende Wohlfahrt und die künftigen Interessen des ganzen Landes Sorge tragen.
Ein Zitat Lamars. Sein Bemühen um eine Versöhnung zwischen Norden und Süden und sein Verhalten in der Silberfrage folgten seiner Überzeugung. Damit wandte er sich aber gegen die öffentlichen Meinung. So wie Sam Houston in anderen Fragen.
Mitbürger! Im Namen eurer Rechte und Freiheit, die, wie ich glaube, mit Füßen getreten wurden, weigere ich mich, diesen Eid zu leisten. Ich weigere mich als Mann von Gewissen. ... Was mich an diesem Schlag am schwersten trifft, ist, daß er im Namen des Staates Texas geführt wird.
Solche Geschehnisse sind in diesem Buch beschrieben, anhand des Wirkens von acht Senatoren. Trockene Geschichte in lebendigen Geschichten. Laut der deutschen Wikipedia wird dem Werk nachgesagt, es sei von einem Ghostwriter geschrieben worden, und wenn die Sprachqualität der deutschen Übersetzung die englische widerspiegelt ist dieser Verdacht auch durchaus verständlich. Denn die Personen bekommen Tiefe.
Diese lebendige Schilderung ist bei einem solchen Stoff ungewöhnlich. Benton wird so eingeführt:
»Mister President, Sir ...!« Der stämmige Mann mit der schwarzen Haarkrone sprach vor einem nahezu leeren Senatsplenum des Jahres 1850. Die wenigen Anwesenden - unter denen sich auch ein nervös gereizter Senator befand, der eben den jetzigen Sprecher streitsüchtig genannt hatte - bemerkten, wie sich die starken Muskeln und die breiten Schultern des Redners immer gefährlicher anspannten - der Haltung eines geübten Kämpfers gleich; aus dem Munde seines massiven Römerkopfes zischte das eisige »Sir« wie ein Giftpfeil hervor.
Das könnte auch einem Roman entstammen.
Geschildert wird Zivilcourage über die Parteigrenze hinweg, auch über die sachliche Ebene hinweg. Wenn das jeweilige Beziehen von sich widersprechenden Positionen verschiedener Senatoren als Ergebnis des Mutes geschildert wird, dann geht es nicht mehr um die Sache. Es geht nur noch um den politischen Mut an sich.
Doch Mut alleine ist nicht das wahre Thema. Die direkte Demokratie mit ihren Widersprüchen beherrscht die Metaebene. Wenn das Volk sich gegen jede Versöhnung stellt, den Krieg zu einem selbstzerstörerischen Zeitpunkt fordert, sich von Emotionen statt von Verfassungstreue leiten lässt oder manipuliert von der Berichterstattung bestimmte Politiker verdammt - dann wäre die Einführung der direkten Demokratie das schlimmste, was passieren kann.
In dieser Krise wird oft das Ende des Kapitalismus beschworen. Damit einher steht die parlamentarische Demokratie in der Kritik, die unauslösbar mit dem Kapitalismus verbunden scheint. Ernsthafte Alternativen finden sich in Formen direkter Demokratie und der damit möglichen Umwälzung des Wirtschaftssystems.
Daher ist dieses Buch in dieser Krise wichtig. Es sind Beispiele wie die in diesem Buch gesammelten, die die Schattenseiten solcher Regierungsformen vor Augen führen.
onli blogging am : Moral des Mordens
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