Über Diskriminierung und Google-Memos
Tuesday, 8. August 2017
In der US-Techszene wird gerade eine erhitzte Debatte geführt. Auslöser ist ein Memo eines Google-Mitarbeiters. In diesem wendet er sich gegen einige Gleichstellungsmaßnahmen, die das Unternehmen einführt - z.B. Mentorprogramme nur für Minderheiten und verpflichtendes Mikro-Aggressionstraining.
Die Reaktion fällt aus, als hätte da ein Frauenhasser gesprochen. Stringent wird es als Anti-Diversität bezeichnet, was nicht stimmt. Aber um das zu beurteilen sollte man das Memo selbst lesen, zumindest teilweise. Es ist vollständig online: Google’s Ideological Echo Chamber.
Woher kommt diese Falschdarstellung? Was wir hier sehen ist ein Kampf um Diskriminierung und Sexismus:
- Um die Schlechterstellung von Minderheiten zu beenden, wollen vermeintlich progressive Diskriminieren. Es sei positive Diskriminierung und etwas gutes, wenn es gegen weiße Männer geht.
- Vermischt ist das ganze mit einem Kampf um Gender-Theorie. Dort gibt es die Extrem-Position, dass es zwischen Mann und Frau keine Unterschiede gibt. Diese Extremposition gewann gerade in den USA, in Politik und an den Universitäten, in den letzten Jahren an Einfluss, ohne dass entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse dahinterstehen. Aber auch an deutschen Universitäten finden sich Vertreter.
- Und ja: Das ist Political Correctness. Ich sehe darin selten ein Problem, aber hier ist ein gutes Beispiel zu sehen, wo wirklich etwas verdammt wird, weil es nicht 100% den vorgegebenen Sprechweisen folgt.
Im Hinblick auf den zweiten Punkt empfehle ich dieses Video:
Pinker ist dem Sexismus unverdächtig, seine Kritik an der Extremposition ist ernstzunehmen. Die Relevanz kommt von der Argumentation, Diskrimierung über nicht bestehende biologische Unterschiede, aber konstatierte soziale Schlechterstellung zu rechtfertigen.
Als linker wende ich mich gegen Diskriminierung, wo immer ich sie sehe. Diskriminierung als positiv zu bezeichnen macht sie nicht zu etwas gutem, es ist schlicht und ergreifend Neusprech. Zudem ist die US-Medienreaktion auf das Memo erschreckend. Da sind ein paar Aussagen drin, die bedenklich sind - eine marxistische Verschwörung anzunehmen ist gar absurd. Aber die Intention des Memos ist positiv, und seine Grundaussage ist die, Unterschiede zu akzeptieren, nicht-diskriminierende Wege zu finden um soziale Schlechterstellung zu verringern, und offene Diskussionen ohne einen Hassmob zu führen. Daraus dann das Bild einer sexistischen Hassschrift zu zeichnen, die Frauen jegliche Kompetenz abspricht, ist selbst-entlarvend.
Und um das klar zu sagen: Selbstverständlich gibt es biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau. Und es wäre sehr sehr überraschend, wenn sich diese nicht auch auf geistige Kapazitäten auswirken. Das heißt nicht, dass Frauen dümmer sind. Das heißt nichtmal, dass ich davon überzeugt bin, dass mathematische Fähigkeiten bei Männern im Durchschnitt besser sind. Das weiß ich schlicht nicht, und ich glaube, wir als Gesellschaft können das kaum wissen. Um solche Detailfragen zu klären sind die sozialen Einflüsse dann doch zu groß, selbst wenn es wissenschaftliche Indizien gibt (auf welchem Level, darauf geht auch das Pinker-Video von oben ein). Aber: Biologische Unterschiede sind anzunehmen, und das zu tun ist nicht automatisch etwas schlechtes. Es kann negativ werden, wenn sie zur Unterdrückung benutzt werden ("Die kann das doch gar nicht können"). Aber das ist kein Automatismus, und auch im Googler-Memo wird das nicht gemacht.
Aber lest es am besten selbst, und lasst euch nicht vor einen Karren spannen, unter dessen modernen Anstrich ein ganz fahler Geruch hervorweht.
Update: Google hat den Autor des Memos gefeuert. Shame on you, Google.
Nachtrag: Aus dem Memo:
I hope it’s clear that I'm not saying that diversity is bad, that Google or society is 100% fair, that we shouldn't try to correct for existing biases, or that minorities have the same experience of those in the majority. My larger point is that we have an intolerance for ideas and evidence that don’t fit a certain ideology.
I’m also not saying that we should restrict people to certain gender roles; I’m advocating for quite the opposite: treat people as individuals, not as just another member of their group (tribalism).
Jemanden zu feuern, der die Verletzung dieser Werte im Unternehmen feststellt, ist hochproblematisch. Ich hoffe, er kann klagen und verdient Millionen. Und klar ist: Google hat ein Werteproblem.
onli blogging am : Meine schwarze Liste
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