Crysis 2 ist auch heute noch ein spaßiger Shooter. Aber das Spiel hat auch einige Macken, die mich an den hohen Wertungen von damals zweifeln lassen.
Statt auf einer Insel spielt der Nachfolger des Grafikwunders Crysis in New York. In einer Introsequenz versucht eine Marineeinheit zu landen, wird aber aufgerieben. Der stark verletzte Alcatraz, die Spielerfigur, wird vom ebenfalls angeschlagenen Prophet gerettet, der ihm seinen Scifi-Anzug vermacht und zur Rettung der Welt vor der Alieninvasion beauftragt. Aber nicht nur Aliens sind ein Problem, auch die in New York stationierte Söldnertruppe C.E.L.L. möchte den Anzugsträger unbedingt ausschalten. Aliens und Menschen gilt es dann in einer etwa zehnstündigen linearen Kampagne zu bekämpfen.
Wie der Spieler die Feuergefechte in den einzelnen Levelabschnitten angeht bleibt ihm überlassen. Der Nanoanzug ist sehr mächtig und hat mehrere Modi, als Tarnanzug lassen sich Gegner heimlich ausschalten oder ganz umgehen, mit dem Rüstungsmodus wird Deckung unnötig und eine aggressive Strategie möglich. Hilfreich ist es, Gegner vorher mit dem Fernglas zu markieren und sich eine Strategie zurechtzulegen, wie zu einem installierten Maschinengewehr zu schleichen und dann auf eine Brücke zu springen und die Gegner zu flanken. Immer wenn sich das Level etwa öffnet hebt das Fernglasinterface solche Möglichkeiten auch hervor. Verschiedene Waffen gibt es auch, immer zwei davon plus einige Sprengwaffen und Granaten kann Alcatraz mit sich herumtragen, verschiedene Maschinengewehre, Revolver, Schrotflinten, Scharfschützengewehre und ein paar Zukunftswaffen.
Diese Abfolge von Kämpfen wird zwischendurch aufgelockert. Mal gibt es ein Erdbeben, nach dem Staub die Sicht erschwert und eine Thermalsicht die Gegner erkennbar macht. Oder ein Helikopter meint, den in einem Atelier eingesperrten Spieler trotz dessen Raketenwerfer besiegen zu können. Später schicken die Aliens große Roboter in den Kampf, die vorne sehr stark gepanzert sind und daher mit Raketen in den Rücken beharkt werden sollten.
Das klingt erstmal spannend, und im großen und ganzen ist es das auch. Doch das Spiel leidet unter der geringen Gegnervielfalt. Die Cell-Soldaten gibt es nur in wenigen Varianten, im Grunde normale Soldaten, Scharfschützen und solche mit Raketen- oder Granatenwerfern. Die Aliens hätten Abwechslung bringen können. Doch sie sind auch nicht groß anders, denn sie laufen auf zwei Beinen und tragen Waffen. Zwar gibt es einen Heavy und Aliens mit eigenen Tarnanzügen, doch hätten das auch technisch motivierte Einheiten der menschlichen Gegner sein können. Sie haben sogar ähnliche Strategien wie die CELL-Soldaten.
Die KI versucht intelligent vorzugehen, wirft geschickt Granaten und sucht Deckung, wer damit nicht rechnet wird gerade anfangs desöfteren sterben. Doch die KI hat auch massive Aussetzer, inbesondere wenn nur noch wenige Feinde übrig sind. Die laufen dann oft sinnlos in der Gegend herum oder kauern ewig lange an einer Stelle, die keinerlei Deckung vor dem Spieler bietet.
Wenigstens sehen sie dabei gut aus, denn grafisch ist Crysis 2 auch heute noch hübsch. Mit hochgeregelten Einstellungen funktioniert die Grafikengine hervorragend und viele der Schauplätze zeigen diese Grafikpracht auch. Das kollidiert allerdings mit einer ziemlichen Stillosigkeit in den Sequenzen zwischen den Missionen, in denen in die Handlung in einer Art Scifi-Interface weitererzählt wird – denn das Interface ist wirklich hässlich. Und die sterilen Ladebildschirme gehören gar zu den hässlichsten, die ich je gesehen habe.
Auch bei der Handlung entwickelt das Spiel einen Stil der mir nicht behagt. Alcatraz als Marine kämpft erst gegen die Söldner, dann gegen die Aliens, erst alleine und dann mit Unterstützung der US-Armee. Und wie die dargestellt wird, das entspricht voll dem Schema eines Call of Duty oder Hollywoodfilmen wie Transformers. Alles breite furchtlose Helden, selbstlos im Kampf gegen die Aliens, die Korruption der Söldner verachtend, allerhöchstes Manko ist die sporadische Ineffektivität im Vergleich zum Spieler. Das ist ziemlich genau das Soldatenbild, das Spec Ops: The Line kurze Zeit später persifliert und kritisiert hat. Dass sowas scheinbar komplett unreflektiert von einem deutschen Entwickler kommen konnte finde ich enttäuschend.
Auch wer sich daran nicht stört wird von der Handlung nicht begeistert werden. Die Aliens sollen besiegt werden, die Stadt evakuiert, dabei gibt es Wissenschaftler und Generäle und dem Nanoanzug kommt natürlich eine wichtige Rolle zu. Wie das dann abläuft ist schnell vorhersehbar. Völlig unnachvollziehbar bleibt, warum die CELL-Söldner den Anzugsträger auch dann noch attackieren, nachdem er als Reaktion auf ihre Aggression hunderte von ihnen erschossen hat. Unklar auch warum sie ihn anfangs überhaupt angreifen. So unerklärt sprengen die suizidalen Entscheidungen der Söldner sogar in einem Computerspiel die Glaubwürdigkeitsgrenze.
Weil die Kämpfe mit den Soldaten und Aliens flott und herausfordernd sind und der Nanoanzug mit seinen Funktionen ein tolles Spielelement ist habe ich Crysis 2 durchgespielt. Und ich halte das Spiel für einen kompetenten Shooter. Aber gleicheitig auch für einen etwas generischen, mit einem blöden US-Tonfall, KI-Aussetzern, fantasielosen Aliens die nur eine leicht anders aussehende zweite Menschenfraktion sind, einem – da passiv und stumm – langweiligen Protagonisten und einer belanglosen Story.