Das Reboot der Hitmanserie war wohl ein ziemlicher Erfolg. Die Vorgängerspiele hatten ihre Fans, aber meiner Wahrnehmung nach waren es immer Nischenspiele. Man konnte mit ihnen viel Spaß haben (besonders mit Blood Money), aber leicht zugänglich war die noch dazu makabere Spielereihe nicht. Naja, Absolution ging vielleicht schon etwas mehr in die moderne Richtung des 2016er-Spiels und verkaufte sich häufig. Der Nachfolger aber kam in neuer Grafik und mit einem neuen Konzept, sodass der Serienneustart unter viel Aufmerksamkeit in Einzelepisoden veröffentlicht wurde. So stückchenweise bei einem neuen Hitman angelangt ist es kein Zweifel mehr, dass die Reihe eine AAA-Spielereihe sein will – aber das hat Nachteile.
Wenige Karten, viele Möglichkeiten, viel Führung
Hitman besteht aus sechs Einzel-DLCs, jede ist eine Mission an einem Schauplatz, z.B. ist eine Modeschau in Paris die erste richtige. Dazu kommen zwei in der GOTY-Version enthaltene Bonus-DLCs, die jedoch zum Teil die vorherigen Missionschauplätze recyceln. "Sechs echte Missionen" klingt wenig, ist aber nicht wenig: Die Schauplätze sind groß, die Missionen immer mehrstufig. Zudem gibt es immer mehr als eine Möglichkeit die Zielpersonen auszuschalten. Verschiedene Lösungswege geben dabei unterschiedliche Punktzahlen und Erfolge, die wiederum neue Startplätze und -ausrüstung freischalten, was wirklich zum Neuspielen der Missionen verleitet.
Innerhalb der Missionen sammelt man Ausrüstung und Spielerwissen. Ein herumliegender Hammer beispielsweise kann eine tolle Waffe sein, ein Schraubenzieher zum Sabotieren einer Maschine genutzt werden, Rattengift ein Opfer ausschalten. Es gibt auch Pistolen und Gewehre, üblicherweise startet Agent 47 mit einer schallgedämpften Pistole und kann sich Gewehre an Verstecke liefern lassen. Mit Kostümen – die gefunden oder von ausgeschalteten NPCs gestohlen werden können – werden neue Bereiche zugänglich, ohne die ganze Zeit schleichen zu müssen. Hilfreich, denn mit Waffengewalt sind nur selten Erfolge erreichbar, die Alternativen werden bevorzugt.
Einige der Erfolge sind sogar an das Opportunity-System geknüpft. Es macht die Spezialvarianten explizit, die auch die Vorgänger schon hatten. Dann hört man zum Beispiel in einem Gespräch mit, dass ein Masseur unterwegs zur Zielperson ist, die Stimme im Ohr macht nochmal extra darauf aufmerksam und Einblendungen führen den Spieler dann zu der Möglichkeit, die Rolle des Masseurs einzunehmen und daraufhin die Zielperson an einem abgelegenen Ort zu treffen.
Dieses Herausstellen der Möglichkeiten macht auf jeden Fall das Spiel zugänglicher. Was etwas positives ist, gerade bei einem Spiel, das mit seinem Schleich- und Kostümsystem nicht immer offensichtlich ist und etwas Einarbeitungszeit braucht. Als Spieler hat man meist auch immer noch das Gefühl, selbst zu kombinieren – denn die Einblendungen sind normalerweise nicht komplett. Sie führen dann zum Beispiel zum richtigen Kostüm, aber der beste Weg an den das Kostüm durchschauende Kollegen vorbei muss selbst gefunden werden. Außerdem bleibt ja immer noch dem Spieler überlassen, welche Gelegenheiten er für die Ziele kombinieren will. Und doch: Es fühlt sich glattgebügelt an.
Anstatt die Gelegenheiten durch eigenes Beobachten zu erraten, stößt dieses System den Spieler sehr explizit auf sie. Über den Spielverlauf wird das weniger und weniger reizvoll, auch im Vergleich zu den Vorgängern fehlt dadurch etwas. Hitman vermittelt daher weniger stark dieses Gefühl, durch Ausnutzen solcher Situationen ein Spiel mittels eigener Intelligenz zu meistern.
Immerhin gibt es immer noch die Möglichkeit die Skripts einfach zu ignorieren. Damit meine ich nicht, dass man sich durchschießt (wobei das geht). Sondern, dass man die Ziele ohne Verkleidung und ohne ertappt zu werden erreicht. Ob nur mit einem Scharfschützengewehr oder sogar nur durch das Herbeiführen von Unfällen, das sind nochmal vorgeschlagene Abstufungen, für die das Spiel auch jeweils einen Erfolg bereithält. Das geht schon mehr in die Richtung, sich eigene Herausforderungen setzen zu können, dass das Spiel die dann auch noch anerkennt macht diesen Effekt nicht kaputt.
Belanglose Story, gute Grafik
Die einzelnen Missionen mit ihren vielen Möglichkeiten sind klar der Fokus des Spiels. Zusammengehalten sind sie aber doch durch eine Hintergrundgeschichte, in der eine Geheimorganisation eine Rolle spielt. Agent 47 war ja auch immer Teil einer solchen, das Aufeinandertreffen entwickelt sich in Videos zwischen den Missionen und durch Infohäppchen in ihnen. Allerdings bedeuten die wenigen Missionen auch wenige Zwischensequenzen, in denen sich die Story kaum entwickelt und sie so nur minimal Interesse wecken kann. Sie soll klar in den Nachfolgespielen weitergeführt werden. Was nicht ganz offensichtlich war, der Entwickler hätte ja auch immer weiter DLCs in den ersten Teil packen können. So wie es nun aber lief braucht man für die Story dieses Spiel gar nicht erst starten.
Immerhin sieht es gut aus. Die Karten sind mit vielen NPCs gefüllt, was eine Stärke vom Vorgänger Absolution weiterführt. Und sowohl die Animationen als auch die restlichen Grafikdetails funktionieren einwandfrei, selbst auf nicht besonders starker Hardware. Dabei hat Hitman sogar eine so gute native Linuxversion, dass ich nicht zur Protonvariante greifen musste.
Der Blocker: Always-on-DRM
Bis zu diesem Punkt wäre mein Fazit positiv gewesen. Ich erinnere mich wohlwollend daran, wie ich mich gerade in die ersten Missionen verbissen und sehr viele Lösungsmöglichkeiten ausprobiert habe. Die Spielmechaniken wurden mir dadurch so vertraut, dass ich die späteren Missionen etwas schneller und weniger aufmerksam nach Alternativen suchend erledigte. Doch sie gefielen mir durch ihren Umfang und ihr Missionsdesign trotzdem, mal mehr, mal nur etwas weniger. Aber dann kam das DRM ins Spiel.
Beziehungsweise war es immer im Spiel. Hitman sagt von Anfang an, dass man zum Spielen online sein muss. Das ist bei einem Singleplayerspiel hochproblematisch. Es hielt mich aber erstmal nicht vom Spielen ab und hätte einer positiven Wahrnehmung auch nicht im Weg gestanden, weil ich das irgendwann schlicht vergessen hatte. Die ersten DLCs wurden kostenlos verteilt, der Rest war Teil eines Humblebundles, da schaute ich nicht so genau hin. Bis ich aus dem Spiel gekickt wurde.
Das war jetzt kürzlich, als ich nach einer Pause die späteren Missionen abschließen wollte. Am ersten Abend konnte ich etwa eine Stunde spielen, danach war Schluss. Offline weiterzuspielen macht wenig Spaß, wenn der Fortschritt nicht gespeichert wird. Aber das Spiel wollte sich einfach nicht verbinden, auch nach Neustarts nicht. Und selbst bei der nächsten Spielesession war die Verbindung zum DRM-Server noch instabil. Nein, solche digitalen Restriktionen müssen nicht sein, bei Einzelspielerspielen dürfen sie nicht sein. Hitman wurde zurecht von GOG entfernt.
So bleibt mein Fazit tief gespalten. Auf der einen Seite ist Hitman hübsch, so zugänglich wie noch nie, die komplexen Missionen auf den weitläufigen und verschachtelten Karten sind größtenteils ziemlich spaßig, ich mag solche Schleichspiele und die Hitman-Reihe nach anfänglicher Abneigung ganz besonders. Andererseits empfinde ich manche der Zugänglichkeitsmaßnahmen als Glattbügelung, hätte mir mehr Missionen und eine echte Story erhofft. Vor allem aber ist das DRM mit seinem Internetzwang völlig inakzeptabel. Und das ist keine reine Ablehnung aus Prinzip, sondern hängt mehr noch an den erlebten negativen Konsequenzen dieses Systems. In diesem Zustand ist Hitman nicht empfehlenswert – vielleicht irgendwann einmal, nachdem das DRM entfernt wurde.
onli blogging am : Hitman 2 (2018) macht die Story besser, ist ansonsten aber genauso beschränkt
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