Ganz groß: Metro Exodus
Monday, 26. September 2022
Metro Exodus ist das jüngste Spiel der Metro-Reihe. Es ist trotz einiger Anleihen sehr anders als der von mir damals geschätzte, aber nicht geliebte erste Teil. Auch ist es großartig.
Russland im Fallout-Szenario
Immer noch sind wir in Russland. Die Welt ist in einem Atomkrieg untergegangen, Überlebende gibt es nur in der Moskauer Metro. Aber stimmt das? Es ist direkt der Spielbeginn und wohl in einem der Vorgängerspiele angedeutet worden: Nein. Auch außerhalb Moskaus finden sich Überlebende, nur wissen die Menschen in der Metro nichts davon. Aber auch Monster gibt es auf der Oberfläche außerhalb des Stadtgebietes, denn wie in Fallout und Stalker hat die Strahlung die Schöpfung weitläufig verändert. Mutanten und Menschen teilen sich die Feindesrolle jeweils zur Hälfte.
Artom ist der Hauptcharakter, Mitglied des Ordens und sogar verheiratet mit der Tochter des Generals. Der Spieler begleitet ihn und seine Gefährten auf einer Entdeckungsreise per Zug, die schnell zum Überlebenskampf wird.
Open-World-Abschnitte, keine Open-World
Diese Reise ist dabei streng linear. Die Gruppe kommt in bestimmten Gebieten an. In manchen davon kann sich der Spieler frei bewegen, es sind kleine offene Spielwelten, samt Nebenmissionen, versteckten Upgrades und Craftingmaterial. Die findbaren Hauptmissionen sind dann wieder Schlauchlevel, gleiches gilt für manche der per Zug erreichten Abschnitte als Ganzes. Das ist nichts schlechtes: Metro 2033 bestand nur aus Schlauchleveln und war ziemlich gut, auch in Exodus sind diese Missionen wieder gut, besser sogar.
Nun könnte man sich durch diese Levels schießen, das Spiel ist schließlich ein Egoshooter. Meistens aber muss man es nicht, denn Schleichen ist oft die empfohlene, fast immer die komfortablere Alternative. Gegner können dann von hinten niedergeschlagen werden, Artom hat auch immer schallgedämpfte Waffen zur Auswahl. Mehr noch: Nicht alle Gegner sind böse, es sind Menschen. Sie zu töten wäre falsch, würde sich im Spiel falsch anfühlen und auch am Ende über ein Karmasystem negative Konsequenzen haben. Das Spiel ist da nicht supertransparent, macht das aber schon klar (und ansonsten verrät es Before I Play spoilerfrei). Banditen zu töten ist kein Problem, aber selbst das fand ich angesichts der nicht ganz klaren Auswirkungen schwierig – was man durchaus als Kritikpunkt sehen kann, das Spiel aber auch interessanter machte.
Die Grafik!
Exodus sieht toll aus. Die einzelnen Abschnitte sind hübsch unterschiedlich, so folgt auf ein Sumpfgebiet eine arg unwirtliche Wüste. Auch die Schlauchlevel selbst sehen gut aus, glänzen mit Licht und Schatten, das Spiel insgesamt immer wieder mit besonderer Architektur. Monster wie Menschen sehen gut aus, gerade letzteres finde ich wichtiger als sonst, weil so viel Fokus des Spiels auf das Kennenlernen der Gefährten liegt. Mit ihnen soll man mitleiden, Gitarre spielen, ihren vielen vielen Geschichten lauschen (im Spiel selbst bleibt Artom stumm), wobei die gute Grafik hilft.
Und dieser Eindruck entstand mit der regulären Version. Es gibt auch eine mit Raytracingeffekten erweiterte Enhanced Edition, die beim Kauf dabei ist und optional ausgewählt werden kann. Sie funktioniere unter Linux nicht und meine Hardware wäre überfordert, aber auf Videos sah sie gut aus. Etwas für die Zukunft.
Warum genau ist das so toll?
Ganz ohne Grafikupgrade ist Exodus aber auch jetzt schon richtig gut. Dem Spiel gelingt etwas seltenes: Es ist besser als die Summe seiner Teile. Denn natürlich sind die offenen Spielweltabschnitte wie oben beschrieben nichts großartiges, ist das freie Herumlaufen samt ein paar Craftigelementen nicht innovativ. Die dystopische Geschichte hat man so ähnlich auch schon mal gehört und kann einiges vorhersehen. Ein Schleichshooter wie Exodus kann als solcher nicht besser als ein Deus Ex sein. Die Survivalelemente (ohne Nahrung, ohne Wasser) sind an sich witzlos, meist finden sich in den Verstecken nichts brauchbares, selten deutlich mehr Munition als verbraucht, herrscht trotzdem nie ein großer Mangel am benötigten (im normalen Schwierigkeitsgrad).
Und doch: Das alles setzt sich zu einer tollen atmosphärischen Erfahrung zusammen. Weil eben doch in den offenen Spielwelten immer wieder etwas zu finden ist, hier Tonaufnahmen mit kleinen Geschichten aus der näheren Vergangenheit, da ein gesprächiger Einsiedler, dort eben doch ein verstecktes Rüstungsupgrade. Die Geschichte ist im Grunde in Roadtrip – ein Genre, das ich mag –, die Gefährten mit ihren Klischees wie auch die Familienmitglieder mit ihrem eigenen Charakter wachsen mir schnell ans Herz. Und das Spielgefühl selbst funktioniert gut, die nicht ganz einfachen Schießereien, fast immer mit dem Schleichen als Rückzugspunkt, wobei die meist hellere Beleuchtung sowie der Kompass mir helfen besser mit ihnen zurechtzukommen, weniger herumzuirren, die mit ihrem Luftftiltertimer stressige Gasmaske auch insgesamt weniger oft gebraucht wird. Nur wenige Stellen drohten ähnlich frustrierend zu werden wie die berüchtigte Monsterabwehrschlacht vor dem Tor in Metro 2033, bei der man nur zu leicht ohne Munition und dann chancenlos sein konnte. Exodus hat ein paar ähnliche Stellen, mit etwas Konzentration waren sie für mich immer angemessen leicht bewältigbar, ein gutes Zeichen für ein Spiel ohne echtes freies Speichern.
Und schließlich ist da die dystopische Story: Auch wenn das alles nach Fallout nicht mehr innovativ ist, nach Stalker nichtmal der Osteinschlag dieser Welt, funktioniert sie einfach. Es ist beklemmend in dieser Welt zu agieren, mitnehmend ihren Verfall zu erleben, erhebend Hoffnungsschimmer einer besseren Zukunft zu ergattern.
Insgesamt einfach total super. Ich verstehe den viel negativeren GG-Test vom Kopf her, die Schwachpunkte sind sauber identifiziert. Aber ich fühle sie nicht, für mich fallen sie kaum ins Gewicht. Selbst wenn die offene Spielwelt mal für einen Moment wie ein Gimmick wirkte, änderte ganz schnell ein neues Erlebnis in ihr diesen Eindruck; Selbst wenn am Ende ein Abschnitt eines Schlauchlevels mal frustrierend wirkte, war die Motivation durch die Geschichte schon viel hoch, um das nicht bewältigen zu können und den bald folgenden besseren Abschnitt zu erreichen. Für mich ein Spiel, das ich nicht unbedingt direkt wieder spielen muss, aber das sich nach etwas Verarbeitungszeit in meiner Wertschätzung einen ähnlich hohen Platz wie das erste Stalker ergattern dürfte – als ein tolles erinnerungswürdiges Erlebnis, diesmal ohne Manko. Was nur den wenigstens Spielen gelingt, Metro Exodus zu einem der besten je von mir gespielten machen würde.
onli blogging am : Metro 2033 Redux
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