Jahre nach den Geschehnissen im ersten Pillars of Eternity erwacht in Pillars of Eternity 2: Deadfire der Gott Eothas als Titanenstatue. Leider ist er unter der ergatterten Burg begraben, in welcher der Watcher seinen Lebensabend verbringt. Eothas zerstört die Burg und tötet den Spielercharakter – der aber wird von einem anderem Gott wiedererweckt und als sein Herold auf die Spur von Eothas gesetzt.
In diesem Prolog kann der Spielstand des Vorgängers importiert werden. Irritierenderweise ist damit nicht der Charakter gesetzt, seine Klasse und sein Aussehen kann und muss frei gewählt werden. Aber mit dem Import werden die Entscheidungen übernommen, was auf die Welt und Begleiter wohl einige Auswirkungen hat. Noch ein paar Fragen mehr und es beginnt das Spiel, indem der Spielercharakter in seiner Kapitänskajüte aufwacht.
Passend, denn Schiffe spielen im Spiel eine wichtige Rolle. Der Titel Deadfire bezieht sich auf das neue Gebiet, in dem der Spieler mit seiner Gruppe unterwegs ist. Das Deadfire Archipelago ist eine Insellandschaft. Man selbst hat ein Schiff und das im Vorgänger klassischer anmutende Fantasy-Szenario wird mit Piraten durchmischt. Im ersten Moment ist das irritierend und es war wohl nicht verkaufsfördernd.
Abseits der Schiffe spielt sich Deadfire wieder sehr wie der Vorgänger und damit wie andere klassische Computerrollenspiele. Im Laufe der Story stolpert der Spieler über viele Nebenquests. Viele davon führen zu Kämpfen, andere beinhalten kleine Rätsel oder können durch Gespräche gelöst werden. In Gesprächen gibt es oft Skillchecks, also die Möglichkeit mithilfe der Fähigkeiten der Gruppe oder des eigenen Charakters alternative Antworten zu geben. Die kleine Gruppe wird im Laufe der Zeit größer, wobei nur vier der Begleiter mitgenommen werden können und der Rest auf dem Schiff verweilt, eine Auswahl die ich immer noch als stressig empfinde.
Stärken: Das ganze Spiel
Ob das Spiel gut ist hängt also stark davon ab, wie gut die Geschichte, die aufgebaute Welt und wie interessant die Quests sind. Meiner Meinung nach ist das zweite Pillars of Eternity hier hervorragend. Es profitiert davon, dass mit dem Vorgänger die Spielwelt schon ausgebaut ist. Es gibt also mehr dem Spieler bekannte Hintergründe, denen es sich bedienen kann. Bemerkte ich im ersten Teil noch, dass die angelegte Bedeutungsschwere der Geschichte das Spiel überforderte, ist sie nun im zweiten Teil sehr viel passender. Aber auch die hier speziell aufgebaute Spielwelt mit ihren Fraktionen, die auf der Inselwelt um die Vorherrschaft kämpfen, ist spannend und gut erzählt und viele der Charaktere sind toll geschrieben.
Die Gegenstände mit ihren magischen Eigenschaften funktionieren meinem Eindruck nach besser als im Vorgänger. Noch immer gibt es viele von ihnen, doch hatte ich weniger oft die Situation, dass ein neuer und vermeintlich mächtiger Gegenstand komplett uninteressant war. Vielleicht sind die Effekte etwas kreativer, oder durch die Spezialisierung auf einzelne Waffen gab es pro Charakter insgesamt weniger.
Das Kampfsystem funktioniert auch richtig gut. Zu Spielbeginn kann Autobalancing aktiviert, deaktiviert oder nur das Herunterskalieren der Gegnerlevel zugelassen werden. Ich hatte es deaktiviert. Die Kämpfe waren danach genau so wie sie sein sollen: Fordernd, wenn die Gegner höherlevelig waren, ansonsten meist einfach. Die Gruppen-KI erledigt einfache Gegnergruppen automatisch, kann aber deaktiviert werden, und bei schwierigeren Kämpfen sollte man das mindestens für einzelne Charaktere auch tun und selbst die Befehle geben. Es gibt für alle Klassen genug Fähigkeiten, um es interessant zu machen wenn man die Kämpfe selbst steuert. Mittlerweile gibt es sogar ein alternatives Rundenkampfsystem, das habe ich aber nicht ausprobiert.
Beim Levelaufstieg gibt es allgemeine Fähigkeiten, dann klassenspezifische aktive und passive Fähigkeiten, dazu kommen alle paar Level noch Waffenspezialisierungen. Das System ermöglicht weiterhin gut eine Spezialisierung auf bestimmte Rollen, ist aber nicht übermäßig bestrafend wenn man nicht allzu überlegt an die Gruppenplanung herangeht. Aber es ist schon sinnvoll und in den Kämpfen spürbar, wenn man zumindest einen zähen defensiven Kämpfer baut, ihm einen heilenden Unterstützer zur Seite stellt und einen spezialisierten Schadensverursacher hat.
Zu den Kämpfen kommen noch Schiffskämpfe. Das Piratenszenario ermöglicht diese und wird so zur Bereicherung: Die rundenbasierten Schiffskämpfe sind eine nette Abwechslung, das Entdecken von Inseln ebenfalls. Und es gibt dem gesammelten Gold einen Zweck: Denn das Schiff kann aufgerüstet werden, neue Segel, Hülle und Kanonen verbessern die Chancen im Seekampf. Der kann sonst aber auch umgangen werden, für simple Enterschlachten auf den beiden Schiffen.
Dazu gibt das ganze dem Fraktionsreputationssystem Gewicht. Mit den Entscheidungen des Spielers verbessert oder verschlechtert sich das Verhältnis zu den Fraktionen, wobei es vier Hauptfraktionen und ein paar kleinere Gruppen gibt. Das ist zusätzlich zur eigenen Reputation als clever oder hinterlistig, worauf manche Gesprächspartner ebenfalls reagieren, genauso wie auf die eigene Rasse und Klasse. Für die Hauptmission kann dann eine der Fraktionen als Partner gewählt werden. Es ist nicht ganz so ausgereift wie in Fallout: New Vegas, aber einzelne Begleiter reagieren deutlich und das alles hat Auswirkungen auf die im Outro erzählte Story. Man würde auch Auswirkungen in einem dritten Teil erwarten, aber ob es den je geben wird ist fraglich.
Schwächen
Story, Quests, Kämpfe und auch die Grafik ist gut, was für Schwächen kann ein solches Spiel noch haben? Es gibt dann doch ein paar.
Die Linuxversion funktionierte bei mir nicht stabil. Nach den ersten einwandfreien Spielstunden blieb sie immer wieder beim Gebietswechsel hängen. Mit Proton verschwand das Problem. Allerdings lief ich mit Proton in zwei Situationen, in denen eine Ingame-Zwischensequenz hängenblieb und das Spiel abgeschossen werden musste. Einmal war nach dem Neuladen die Situation erledigt und damit das Problem umgangen, das zweite mal aber war der Speicherpunkt vor der Sequenz gesetzt, blieb das Spiel immer wieder an der Stelle hängen. Ich konnte daher eine der Erweiterungen nicht abschließen, sondern musste einen älteren Spielstand laden. Und Thema Laden: Die Ladezeiten sind trotz SSD zu lang, auch und gerade beim Gebietswechsel.
Die Begleiter sind stark ausgestaltet, aber diese Ausgestaltung ist immer noch schwächer als in einem Baldur's Gate 2 oder Mass Effect. So lassen sich Romanzen anbahnen, aber dann passiert nichts. Keine Folgegespräche, keine Quests, höchstens einen veränderten Audiokommentar habe ich bemerkt. Die Priesterin ist da ein Extremfall, sie findet nacheinander Gefallen an mehreren Begleitern, ohne dass die Situation aufgelöst wird. Und auch die regulären Begleiterquests sind konsequenzenlos. Nichts ist auch nur annähernd auf dem Level des archetypischen Begleiterquests eines Paladins, der aufgrund von Spielereignissen seinen Gott und seine ganze Haltung wechselt und daraufhin andere Fähigkeiten hat. Nur im Epilog werden die Entscheidungen nochmal erwähnt.
Ich verstehe auch nicht, warum es angesichts dieser Schwäche zusätzlich zu den Hauptbegleitern noch Nebenbegleiter gibt, die weniger ausgestaltet sind und nur einzelne Missionen stärker kommentieren. Welchen positiven Effekt soll das haben?
Auf zwei kleinen Inseln entdeckte ich Riesenmonster, gegen die ich auch auf dem Maximallevel mit guter Ausrüstung völlig chancenlos war. Dem Spiel ist zugute zu halten, dass das nicht in Hauptmissionen, nichtmal in Nebenmissionen geschah. Das waren wohl völlig optionale Gegner. Aber wenn eine Gruppe wie die meine bei denen so chancenlos ist, dann stimmt da das Balancing nicht.
Vielleicht spielt da ein anderes Problem mit rein: Das Maximallevel ist zu niedrig. Stufe 20 ist weit vor dem Spielende erreichbar, was demotiviert.
Es gibt nicht nur zu viele Erfahrungspunkte. Was auch zum Problem gehört: Generell ist die Verteilung von Nebenquests und Hauptquests nicht optimal. Die Hauptstory ist schlicht zu kurz verglichen mit all den anderen Aktivitäten. Dann steht man vor der finalen Mission, hat aber noch so viel anderes zu erledigen, ist aber schon auf dem Maximallevel. Weiterzuspielen fühlt sich dann nicht mehr rein wie ein Spiel an, sondern teils wie Pflichterfüllung – wobei ich in der Phase noch ein paar gute Nebenmissionen erlebt habe. Wäre das Maximallevel nicht schon erreicht wäre der Effekt sicher nicht so gravierend. Aber selbst dann wären die Nebenmissionen gemessen an der Hauptgeschichte erdrückend.
Insgesamt stark
Ich hoffe es wird deutlich, dass die Schwächen keinesfalls das Spiel beherrschen. Es sind vielmehr Macken in einem sehr guten und hübschen klassischen Computerrollenspiel, die seiner Perfektion im Wege stehen. Das ist ein bisschen überraschend: Von Obsidian und als zweiten Teil eines bereits sehr guten Vorgängers hätte ich von Deadfire genau die erwartet, die vorhandenen Schwächen sind nur in diesem Kontext teils sehr überraschend. Wenn die Verkaufszahlen wirklich schlecht waren ist das schade. Egal, ob es am Piratenszenario lag oder vielleicht daran, dass nach der Wiedergeburt des Genres der Bedarf erst einmal gesättigt war: Deadfire hätte trotzdem einen Verkaufserfolg verdient gehabt.
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