Star Trek: Voyager
Monday, 14. February 2022
Voyager war die erste Star-Trek-Serie, die ich fast vollständig gesehen habe. Es könnte sogar generell die erste Serie sein, die ich nach gelegentlichen Fernsehfolgen am PC gesehen habe. Sie gab es damals im Studentennetzwerk, aber leider nicht 100% vollständig. Um die Lücken zu füllen sah ich sie über das letzte Jahr verteilt zusammen mit der Hausphysikerin nochmal. Taugt die Serie heute noch?
Fern im All, aber nicht allein
In der Pilotfolge wird die Voyager, frisch besetzt von einer neuen Crew um Captain Janeway, bei der Jagd auf ein Maquis-Schiff in den fernen Delta-Quadranten geworfen. Anstatt die Chance zu nutzen heimzukehren rettet sie eine Zivilisation und macht sich auf den mühevollen regulären Heimweg, der sie ohne Abkürzung Jahrzehnte kosten würde.
Wohl gar nicht zufällig landet sie so in der Essenz von Star Trek: In der Ferne, weitab von der Zivilisation, mit nur den eigenen Fähigkeiten und Werten als Rückzugspunkt, immer in Bewegung an der äußersten Grenze des Bekannten. Das dient sowohl dem in sich abgeschlossenen Episodenformat, das bei Voyager immerhin schon mehr Rückbezüge verkraftet als noch TNG, als auch dem philosophischen Kern aller Star-Trek-Serien (vor Picard). Entdeckung und die Reise einer zukünftigen Menschheitsvision wird zum Thema, aber auch ganz schlicht können so vor einem vertrauten Hintergrund immer neue Geschichten mit den gleichen Charakteren erzählt werden.
Wie bei all diesen Serien steht und fällt sie mit der Zuneigung zu diesen Hauptcharakteren. Vielleicht ist das bei Voyager etwas weniger ausgeprägt als es bei Stargate war, aber es bleibt essentiell. Die Crew der Voyager funktioniert in der Hinsicht ziemlich hervorragend; ohne Ausnahme gewinnen die Charaktere den Zuschauer, auch wenn die Reise bei Neelix etwas schwieriger sein mag. Wobei die Serie mit den Charakteren auch komische Dinge anstellt, dazu später mehr.
Star Trek hat ein Rezept, Voyager ganz besonders
Voyager ist für eine andere Zeit gemacht und vor allem für einen anderen Rhythmus. Was im wöchentlichen Fernsehtakt noch funktioniert haben mag wird schwierig, wenn die Serie im eigenen Tempo mit weniger Abständen gesehen wird. Dann schadet das formelhafte, nach dem so viele Folgen funktionieren. Voyager stößt auf ein Problem, einer der Crew kommt auf eine Lösung, was meist irgendein Wissenschaftsgebrabbel ist, später gerne mit Borgbezug. Ich bin da scheinbar schon abgestumpft, aber der Mitzuschauerin ging das nach einer Weile ziemlich auf den Keks.
Ich konnte die Verstimmung darüber nachvollziehen. Das Problem ist, dass durch diese Formel viele der Folgen belanglos wirken. Sie tragen die Haupthandlung nicht weiter, weil Voyager der Erde fast die ganze Zeit über undefiniert weit entfernt bleibt und der angreifende Makrovirus/Alientrupp/Weltraumwal daran nichts ändern wird. Und nur selten entwickeln die Schreiber während solchen Folgen dann wenigstens die Charaktere weiter, oder gibt es über mehrere Folgen gewobene Nebenstories. Sogar Nebendarsteller auf der Voyager kommen kaum wieder. Der Zweck der Folge ist dann nur noch, zur Unterhaltung mit fixen Charakteren ein Philosophieproblem durchzuspielen. Aber immerhin: Nebenstories und Charakterentwicklung gibt es manchmal, wenn auch selten im Vergleich zur Folgengesamtzahl, so doch häufig im Vergleich zu TNG. Tatsächlich macht es Voyager interessanter, wenn sich die Schreiber auf vorherige Folgen rückbesinnen.
Genauso gilt aber auch: Es stört massiv, wenn es unterbleibt. Wenn in der einen Folge Borg-Nanosonden einen vermeintlich toten Charakter wiederbeleben, diese Fähigkeit aber in allen späteren Folgen vergessen wird. Wenn Kes in einer dramatischen Zeitreisefolge Janeway vor einem Krieg mit einer Alienrasse warnt, der dann sogar später wirklich passiert, die Warnung aber nie wieder erwähnt wird. Die Serie verweigert sich nicht nur der Weiterentwicklung von sich selbst und ihrer Charaktere, sondern immer wieder auch der Entwicklung einer konsistenten ineinandergreifenden Vorgeschichte. Fällt das auf, nervt es ungemein.
Passend zur Nicht-Weiterentwicklung wird durch die selten überraschende Nutzung der Charaktere einiges vorhersehbar. Nein, weder Tuvok noch sein Sicherheitsteam werden eine Angreifergruppe ausschalten können, weil sie generell unfähig sind. Kims Vorschlag funktioniert nicht (selbst nach der thematisierten Wandlung zum erfahrenen Brückenoffizier). Seven dagegen hat die rettenden Nanosonden schlicht im Blut. Chakotay wäre in einer guten Lage etwas zu machen, aber die Schreiber ignorieren ihn andauernd, also wird er auch diesmal höchstens ein Stichwort geben. Und so weiter.
Seven und der Doktor
Doch dann passiert allem formelhaften zum Trotz eine Überraschung. Voyager ist die einzige Serie die ich kenne, in der die Hauptperson in der vierten Staffel auftaucht. Und zwar Seven of Nine, die einer der bekanntesten Star-Trek-Charaktere sein dürfte. Klar, Aussehen der Schauspielerin und das passende Kostüm sind da ein Grund für. Der andere, dass das Konzept der geretteten Borgdrone fantastisch ist, vor allem nach all den furchtbaren Begegnungen mit den Borg in TNG. Die Borg sind das ultimative Science-Fiction-Böse, die perfekte Kombination aus heute noch relevanter Matrix-Vernetzung, horrorfilmartigen Körperekel und ursprünglicher Insektenherde-Phobie. Aus diesem Gemisch einen Charakter zu beziehen – und dann ausgerechnet so einen – war genial.
Die ganze darauf folgende Geschichte um ihre Menschwerdung, auch ihr Unwillen vor dieser Idee und ihre Anti-Autorität ist toll. Es ist gute Science-Fiction, emotional umgesetzt gerade mit der Mutter-Tocher-Beziehung zwischen ihr und Janeway, und es gibt der Serie mehr zu tun als nur die nächste Weltraumanomalie zu überleben.
Gleichzeitig ist Seven eine Belastung für die Serie. Zum einen wirkt es billig, dass sie direkt nach einem unwürdigen Abgang von Kes eingesetzt wird. Es mag nicht wirklich so gelaufen sein, aber als Zuschauer entsteht der Eindruck unweigerlich, dass die Optik ein Faktor war. Hier eine normal hübsche Frau in einem begrenzt vorteilhaften Kostüm, da eine mit Baywatch-Oberweite in einem der Serie unüblichen figurbetontem. Zum anderen wird Seven als Storyvehikel überstrapaziert, ziemlich von Anfang an. Erst drehen sich viele Folgen um sie, dann ist sie in vielen regulären Folgen die Lösungsbringerin. Die Nanosonden erwähnte ich schon, aber es ist mehr noch als das. Egal ob es um Körperkraft, Wissen oder Intelligenz geht, Seven hat sehr oft die Lösung.
Ähnlich ist es beim Doktor. Das Hologramm, das als echte KI unweigerlich lernt und die Grenzen seiner Programmierung übersteigt – auch das ist tolle Science-Fiction. Für Star Trek zwar etwas unkreativ, da Data in TNG konzeptuell ein sehr ähnlicher Charakter war. Aber doch funktioniert das Konzept nochmal, auch weil der Charakter als kratzbürstiger Eben-Doch-Sympath toll ausgestaltet ist.
Aber auch er wird eine Belastung, weil das Hologramm für viele Probleme der Serienschreiber die Lösung war. Ab Staffel 4 schultern so er und Seven die gesamte Serie. Es wirkt sogar so, als sei eine bewusste Anstrengung der Drehbuchschreiber notwendig gewesen, ab circa Staffel 7 dann doch wieder die anderen Charaktere nicht nur als Statisten zu benutzen.
Diese Limitiertheit der Serienmacher wäre heute nicht mehr vorstellbar.
Verharren vor der Modernität
Aber die Schwächen bei der Serienentwicklung passen. Ich muss hier nochmal auf meinen Stargate-Artikel verweisen. Dort meinte ich, dass SG1 eine heute altmodisch wirkende Serie ist, die aber daraus viel Charme bezieht. Bei Voyager ist die Sache eigentlich sehr ähnlich. Die Serie entstammt der gleichen Zeit und wirkt durch eine zusammenhängendere Hauptstory deutlich moderner als TNG, aber ist in dem Punkt noch nichtmal auf dem Niveau von DS9 und noch deutlicher keine ganz moderne Serie, also kein in Serienfolgen aufgeteilter Film. Stattdessen gibt es im Kern Abenteuer mit tollen Fernsehfreunden. Damit ähnelt Voyager der Stargate-Serie. Ähnlich altbacken, gleichzeitig dadurch sympathisch, gerade heute.
Voyager hat neben der leichten Modernisierung des Erzählmodells aber doch auch andere moderne Ansätze. So sind die Weltraumszenen CGI, keine Modelle. Sogar gut gemachte CGI, phantastisch gar im Intro, die noch dazu in späteren Staffeln so frei verfügbar war, dass die Serie anders als Vorgängerserien Weltraumkämpfe nur selten alleine durch Gewackel auf der Brücke darstellen muss. Auch die Besetzung wirkt modern, sie ist – völlig angemessen für diese Zukunftsvision – divers. Janeway war gar der erste weibliche Kapitän in den Fernsehserien, was die Serie meist kompetent als selbstverständlich darstellt.
Und doch: In manchen Folgen und Aspekten der Handlung kippt das. Voyager ist manchmal erstaunlich daneben. So gibt es eine Folge, die klar die Todesstrafe behandelt. Aber anstatt zu den Werten der Föderation zu stehen, nimmt Janeway das als kulturelle Eigenheit hin und betreibt Beihilfe zum Mord – zum einen ein Beispiel dafür, wie in Voyager die Oberste Direktive verzerrt wird, aber auch eine sehr seltsame Charakterzeichnung dieser Frau. Könnte man sich Archer oder Jean-Luc Picard dabei vorstellen, wie die so etwas akzeptieren? Nein, sie hätten eine Lösung eingefordert. Mal ist es solche Untätigkeit, mal ist es unnötige Grausamkeit, sodass bei uns nach einer Weile Janeway den Spitznamen "la mala" (die Böse) hatte. Auf mich wirkte es so, als ob Janeway gerade deswegen so schief wirkt, weil in manchen Folgen ihrem Geschlecht entgegengeschrieben und dabei übersehen wurde, dass Unnahbarkeit und Grausamkeit einen Sternenflottenkapitän nicht besser machen, egal ob Mann, Frau oder Alien.
Dazu kommt Chakotay. Es ist nicht nur, dass die Schreiber komplett augenfällig nach dem starken Einstieg rund um die Maquis nichts mit ihm anzufangen wussten und er ganze Staffeln über praktisch nichts tut. Nein, selbst wenn er eingesetzt wird, dann wird sein indianischer Hintergrund gerne für das Klischee der edlen Wilden benutzt. Das geht so weit, dass Voyager auf Weltraumindianervorfahren seines Stammes stößt, so in etwa zumindest. Muss man heute so nicht mehr machen, glaube ich.
Chakotay und Janeway zusammen sind auch eine Bemerkung wert. Die Serie kann nicht anders, als die beiden als eine potentielle Liebesgeschichte zu platzieren. Freunde, die mehr sein könnten. Aber thematisiert das deutlich nur in einer Folge, zu mehr fehlt der Mut. Damals Standard – wie auch in SG1! – dass Beziehungen zwischen den Hauptpersonen nur angedeutet, aber nie ausgelebt werden, man könnte ja Zuschauer vergraulen. Heute wirkt das komplett überholt, eine moderne Serie würde über die Beziehung neue Geschichten erzählen, wie Voyager (und SG1 ebenfalls) es sich nur einmal traut. Stattdessen bekommt Janeway ein Sex-Hologramm – nein, aber nicht doch, es ist die von ihr benötigte emotionale Beziehung. Ob hier wieder der Komplex um Janeways Weiblichkeit reinspielte? Ähm, manche Aspekte von Voyager möchte man lieber wieder vergessen.
Insgesamt Gut? Ja, aber
Auch wegen solchen Entfremdungen zwischen der Serie und mir gibt es ein gemischtes Fazit. Schlecht kann die Serie nicht sein, sonst hätten wir sie nicht sieben Staffeln lang ertragen. Aber manchmal strapaziert sie schon die Nerven. Selten via einzelnen Folgen (wobei es ein paar Komplettausrutscher gibt), es war mehr, dass wir gemeinsam über permanente Schwächen der Serie gestolpert sind – vergessene Vorgeschichten, ignorierte Charaktere, dass Nebencharaktere nicht wieder auftauchen, dass Probleme wie Lösungen sich zu oft wiederholen, dass Seven und der Doktor zu oft die Lösung sind.
Doch dann ist Voyager auch wieder ganz toll. Weil die Schauspieler bzw ihre Charaktere einem ans Herz wachsen. Weil die in ihr enthaltene Star-Trek-Zukunftsvision nicht nur eine der positivsten, sondern auch eine der coolsten aller Zukunftsvisionen ist, Voyager sie von allen Serien am besten verkörpert. Sowieso, das ganze Szenario ist fantastisch: Das Weltraumschiff auf der Heimreise weitab von allem bekannten, was so viele Möglichkeiten für gute Geschichten schafft, sowohl für normale Storyherausforderungen als auch für Beziehungen zwischen der ursprünglich gespaltenen Crew. Mit den Borgs und Spezies 8472 sind auch noch zwei besonders tolle Antagonistenvölker in der Serie vertreten, die durch ihre Verwendung in der Serie sogar kaum beschädigt werden (die Borgs nur etwas durch den Ausbau der Borgkönigin) und daher wenig von ihrer Faszination verlieren.
Für mich hatte es natürlich etwas nostalgisches, die Serie nochmal zu schauen. Aber ich habe neben mir gesehen: Auch ohne diesen Faktor kann die Serie heute noch gefallen. Voyager ist weder eine schlechte Serie noch schlechtes Star Trek. Man kann sie nur heute nicht schauen, ohne sich über so manche Schwächen zu wundern und verpasste Chancen zu bedauern – und damit meine ich nicht die schlechte Fernsehauflösung und das oft sehr dunkle Bild (alle Bilder im Artikel sind geschärft und aufgehellt), sondern die inhaltlichen Probleme. Kalt gelassen hat sich mich aber definitiv nicht, wie man hier sicher herauslesen kann. Wieder nicht, muss ich sagen, ich erinnere mich noch sehr daran wie toll ich die Serie damals fand. Nach so vielen Jahren wieder so viel Interesse und Emotionen hervorzurufen, das wiederum spricht für die Klasse von Voyager.
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