Elex, das Fazit
Monday, 8. August 2022
Ich habe meinen Spieldurchlauf von Elex hier schon in drei Teilen beschrieben. Es fehlt das Fazit: In meinen Augen ist es ein würdiger Gothic-Nachfolger, der aber neben vielen Qualitäten auch so einige Macken in dieses Jahrzehnt bringt. Und dazu einiges neues verbockt.
Alter Reiz, neue Schwächen
Elex schafft es, mich zu unterhalten. Ich möchte diese Welt erleben, meinen Charakter stärken, die Handlung auflösen. Und so vieles was ich tue beeinflusst sehr direkt diese Spielwelt. Elex ist eben ein direkter Nachfolger eines sehr lebendigem Open-World-RPGs, was man allen Ecken und Enden spürt. Und dank dem Jetpack kann ich mich in dieser Welt nun freier bewegen als je zuvor.
Gleichzeitig vermasselt Elex völlig die Balance dieser Spielwelt. Viel zu schnell und viel zu häufig trifft man auf zu diesem Zeitpunkt unbesiegbare Gegner. Es ist ja löblich, dass hier nicht mit Auto-Levelling der Gegner gegengesteuert wird, aber es ist völlig unverständlich, warum es nicht durch gute Gegner-Platzierung getan wird. Normalerweise sollten die Hauptwege recht frei und ungefährlich sein – in Elex sterben sogar die reisenden Händler mit ihren Wachen immer, werden sie wegen Nähe zum Spieler mal wirklich simuliert. Die Gegner sind viel zu stark. Und das Kampfsystem zu schlecht: Die Ausdauer ist zu beschränkend, der Grundschaden zu gering, das Staggern der Gegner ist gleichzeitig zu selten möglich (im Nahkampf nur mit Kombinationen) und hält zu kurz, das Trefferfeedback stimmt einfach nicht und auch eigenes Ausweichen ist je nach Gegnertyp kaum möglich. Wenn es letzten Endes doch wieder an der Rüstung hängt, hätte das Spiel sich die Verkomplizierung auch sparen können.
Natürlich wird das bei einem zweiten Spieldurchlauf besser, wenn man als Spieler mehr Wege und Lösungsstrategien kennt. Und das Spiel wird wesentlich einfacher, wenn man gezielt auf Powerspikes zuspielt, zum Beispiel auf einen Gefährten und die Spezialfähigkeiten der Kleriker. Aber solches Wissen vorauszusetzen ist nicht anspruchsvoll, es ist mieses Spieldesign.
Vertonung und Inszenierung
Thema mies: Die englische Lokalisierung taugt nicht viel. Die Abmischprobleme mit den Lautstärkenunterschieden sind in der deutschen verschwunden, bei der auch viele Texte viel klarer sind, Gespräche mehr Charakter haben, Gefährten wie Hauptcharakter durch ihre passenderen Sprecher besser rüberkommen. Allerdings kann auch die deutsche Lokalisierung nicht alle Schwächen der Schreibe übertünchen: Wie platt viele der Charaktere sind, vor allem die Frauencharakteren mit Nasty haben da ein Paradebeispiel. Das Spiel baut sogar Romanzen ein, aber offensichtlich nur um eine Checkbox der Modernität abzuhaken, es baut darum keinerlei Spielinhalt (wie Gespräche) oder gar visuelle Ausgestaltung. So wirkt es nur schwach. Schwach auch, wie dünn die Spielwelt an manchen Stellen ist, beispielsweise wenn die das ganze Spiel lang von der Geschichte aufgebaute Heimat der Alb am Ende ein einzelner Komplex mit fünf Hanseln ist. Elex verlagert da zu viel in die Phantasie des Spielers und liefert zu wenig.
Die Gefährten können an dieser Stelle aber auch gelobt werden. Eben weil sie die Kämpfe einfacher machen haben sie eine Daseinsberechtigung. Dazu sind sie durchaus unterschiedlich, reagieren auf Entscheidungen, schalten sich in Gespräche ein und kommentieren die Gegend. Ihre Questreihen sind unterschiedlich stark ausgebaut, aber sie alle sind keine 0815-Hintergründe und sind stark in der Welt verwurzelt. Hier hätte das Spiel sogar noch mehr machen können, das Gefährtensystem mit seinen Geschichten ist eine der Stärken des Spiels.
Die Stärken: Quests und Charakterentwicklung
So wie eben auch die Quests und die Charakterentwicklung. Die Quests werden jeden Spieler gewinnen der Rollenspiele mag, eben weil Rollenspiel möglich ist, weil es Entscheidungen und mehrere Lösungsmöglichkeiten gibt. Nicht immer genug, nicht immer offensichtlich, aber mehr als bei vielen Alternativen. Hier liegt der eine Reiz des Spiels. Der andere ist die Charakterentwicklung, das Zusammenspiel aus Attributen, Fähigkeiten und Ausrüstungsgegenständen. Dazu Gegenstände veredeln und aufzurüsten sowie Tränke, Ringe und Amulette herstellen zu können ergänzt das alles ganz gut.
Hier schlagen dann aber auch die Bugs und Designschwächen des Spiels zu. Wenn Quests falsch aufgelöst werden ist das in so einem Spiel besonders ärgerlich. Was nicht oft passierte, aber bei kritischen Stellen gegen und nach dem Ende der Geschichte. Also an relativ üblen Stellen. Und eine typische Elex-Designschwäche betrifft die Charakterentwicklung: So gibt es drei Fähigkeiten, die jeweils Zusatzschaden verleihen wenn der Spielercharakter durch Entscheidungen in einem bestimmten (moralischem) Kältebereich ist, also z.B. zwischen 0 und 20. Nur, dass dieser Kältewert nie als Zahl angezeigt wird, sondern immer nur verklausuliert. Solche abgeleiteten Werte generell zu verstecken (man sieht nichtmal die Anzahl der Lebenspunkte) war bestimmt eine spätere Entscheidung, deren Konsequenz hier aber offensichtlich vergessen wurde.
Klar ist Elex spielenswert. Aber es gibt ein Aber: Nur wenn man bereit ist sich hier reinzufinden und erstmal Zeit zu investieren. Was heute eben auch bedeutet, dass es viele leichter zugängliche Alternativen gibt. Die aber nie ganz die gleiche Nische treffen werden, den typischen Ton von Piranha Bytes, das Erfolgsgefühl nach Bewältigung der Hürden. Ein Nachfolger hätte viel Potential, aber ob er es erfüllt wird mir aus den gemischten Bewertungen nicht klar; Wobei die enormen Hardwareanforderungen sowieso einen Test von mir erstmal verhindern.