Die Amazonserie sollte einfach nur das kostenlose Prime-Abo füllen, in das ich für einen nicht anders bewerkstelligbaren Amazonkauf gerutscht war. Nur solide mittelmäßige Unterhaltung braucht es dafür, genau das dürfte hier doch geboten werden, ähnlich wie bei den okayen (aber eben nicht guten) Filmen. Da schockte mich die sehr positive IMDB-Bewertung (~8.0) etwas, die auf eine viel bessere Serie verwies.
Ich würde behaupten, Mittelmäßigkeit zu erwarten war angemessener als die hohe Bewertung. Reacher startet immerhin geschickt mit einem Verweis auf die Filme, wenn der (nun hünenhafte) Ex-Militär Jack wieder in einem amerikanischem Diner verhaftet wird. Dann beginnt eine Verschwörungsstory mit vielen Actionszenen. Beides ist teils sehr brutal, beides schwankt in seiner Qualität. Stellenweise sind die Actionszenen super, unzerschnitten, brutal und realistisch – dann explodiert ein Haus und Jack läuft direkt nach der Explosion raus, gibt es wieder die Tom-Cruise-typische Scientology-Auferstehungsszene unter Wasser, können die Protagonisten durch dichten Feuerqualm laufen ohne auch nur Anzeichen einer Rauchvergiftung, läuft Jack so stocksteif eine Straße entlang, dass mehr als Vorwärtszulaufen von ihm zu erwarten absolut unrealistisch erscheint. Die Verschwörungsstory ist fesselnd genug um die Staffel zuende schauen zu wollen, gibt den Protagonisten überzeugende Motivation und wirkt durchaus gefährlich – dann sind Teile von ihr von Anfang an vorhersehbar, ist das Handeln so mancher Person völlig überzogen, gibt es nicht so viele Psychopathen auf der ganzen Welt wie in dieser Kleinstadt.
Die Besetzung gefiel mir. Alan Ritchson spielt Reacher mit einem ähnlich limitierten Repertoire wie Tom Cruise, gibt ihm aber als Bodybuilder (der natürlich die ganze Serie über keine Minute trainieren muss) eine andere Präsenz. Die übertriebene Intelligenz seiner Figur scheint dazu null zu passen, das macht sie aber eher interessant. Malcolm Goodwin wiederholt seine Rolle aus iZombie, ich mochte ihn hier wie dort, er wirkt sympathisch und kann seine Szenen tragen. Schließlich ausgerechnet die im Vergleich winzige Willa Fitzgerald als Reachers mögliche Herzensdame zu platzieren hat was, weil die Story ihr auch ausreichend eigenen Charakter und Fähigkeiten verleiht. Die Bösewichte dagegen bleiben komplett blass.
Aber das passt dann ja auch, interessante und mehr als gerade noch kompetent gespielte Gegenspieler zu erwarten wäre zu viel gewesen. Es ist eben doch nur solide, etwas überzogen brutale und auf IMDB massiv überbewertete Unterhaltung. Wieder: Kann man schauen, muss man nicht unbedingt, ich fühlte mich aber durchaus unterhalten.
onli blogging am : The Night Agent
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